Hangtime - Kein leichtes Spiel

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

Höhenflug oder Hängepartie

Kein Wunder, dass man die „Hangtime“ in Basketball-Videos immer wieder in Ultrazeitlupe sieht: Der Moment, in dem der Spieler vor dem Korb abspringt, um den Ball im Korb zu versenken oder beim Versuch zu scheitern, erfordert höchste Konzentration. Die Entscheidung ist längst gefallen, jetzt kommt es auf das richtige Timing, die nötige Sprungkraft und Körperbeherrschung an – es ist der schwebende Moment der Entscheidung, in dem es um alles oder nichts gut, um Erfolg oder Scheitern.
Zwischen Himmel und Erde schwebt auch der junge Basketballer Vinz (Max Kidd), der in der 2. Bundesliga für das Team von Phönix Hagen spielt. Als er am vorletzten Spieltag der Saison, bei der es darum geht, ob Phönix in die 1. Bundesliga aufsteigt oder in Liga 2 verbleibt, den entscheidenden Wurf wegen zu langen Zögerns vermasselt, landet er unsanft auf dem Boden der Tatsachen. Ist er vielleicht doch noch nicht so weit, um sich seinen Traum zu erfüllen und mittels eines Sportstipendiums an ein US-College zu kommen? Dass sein etliche Jahre älterer Bruder Georg (Mišel Maticevic), früher selbst ein begnadeter Basketballer, der seinen kleinen Bruder nach dem Unfalltod der Eltern aufzog, ihm Druck macht, verstärkt die Selbstzweifel eher noch. Und als sich Vinz dann noch in Kathi (Mirjam Weichselbraun) verliebt, ist er völlig verwirrt, welche Entscheidung er treffen soll, ob er weggehen soll aus Hagen oder bleiben. Und dann ist da ja noch das große Spiel, bei dem er die Schmach des vergebenen, alles entscheidenden Treffers tilgen kann.

Bestechend ist an diesem Film weniger die Geschichte, die kaum Überraschungen bietet und stattdessen voll auf Nummer Sicher geht. Ein bisschen Kick it like Beckham hier, ein wenig die Freundesclique aus Fatih Akins Kurz & Schmerzlos da und zwischendrin ein Bruderkonflikt, der sich am Ende in Wohlgefallen auflöst – sonderlich originell ist die Geschichte nicht, die Wolfgang Groos in seinem Spielfilmdebüt erzählt. Erstaunlicher ist da schon die Wahl der Schauplatzes: Hagen am Rande des Ruhrgebiets ist bislang kaum als attraktiver Drehort aufgefallen. Doch zu dieser Coming-of-Age-Geschichte, in der sich alles um die Frage „Gehen oder Bleiben“ dreht, passt die Tristesse der Hochhaussiedlungen ausgezeichnet. Auch in den rasant gefilmten und exakt geschnittenen Basketball-Szenen weiß Hangtime – Kein leichtes Spiel zu gefallen. Was auch an Max Kidd liegt, der auf dem Court manchmal eine bessere Figur macht als in den ungleich behäbigeren Szenen, die Vinz’ Zaudern und seine Zerrissenheit illustrieren sollen.

Dass der Film auf emotionaler Ebene enttäuscht, ist vor allem dem Drehbuch und der Regie zuzuschreiben, die es versäumen, den behaupteten Emotionen, Träumen, Hoffnungen und Ängsten der Figuren die nötige Grundlage und Ausdruckskraft zu geben. Maticevic bleibt als gebrochener Bruder, der all das, was er selbst nicht erreicht hat, in Vinz hineinprojiziert, erschreckend eindimensional. Das, was Gregor in manchen Szenen im Übermaß hat, nämlich Temperament, geht Vinz hingegen vollkommen ab: Ob er enttäuscht ist oder verliebt, verärgert oder voller Hoffnung – für sichtbare Anzeichen dieser Gefühle sucht man in seinem Gesicht vergebens. Stets wirkt es lustlos und passiv, nur auf dem Basketballplattz bekommt Vinz eine Dynamik, die man in seinem Schauspiel schmerzlich vermisst.

So zündet auch die Liebesgeschichte zwischen Kathi und Vinz nicht und wirkt wenig durchdacht: Was verbindet die beiden? Was findet Kathi an dem jüngeren Vinz? Und was ist mit ihrem Freund, der zwar in einem Gespräch erwähnt wird, aber in keiner Sekunde auftaucht?

Immerhin sorgen Vinz’ Freunde Ali und Samy für manchen Lacher und geben dem Film in einigen Szenen eine lockere, heitere Note, die freilich nicht darüber hinwegtäuschen kann, dass dieser Film wie viele deutsche Debüts an stereotypen Plotelementen und zu vielen bekannten Versatzstücken aus anderen Filmen leidet. Der Weg in die erste Liga des Filmemachens ist jedenfalls ein weitaus größerer Schritt als der am Ende frenetisch gefeierte Aufstieg von Phönix Hagen in die höchste deutsche Spielklasse des Basketball. Vielleicht aber gelingt Wolfgang Groos mit seinem nächsten Film der große Wurf – wie man vor allem in den rasanten Spielszenen sehen kann, besitzt er durchaus das Talent dazu. Auf die Wahl seiner Stoffe sollte er allerdings in Zukunft mehr Wert legen.

Hangtime - Kein leichtes Spiel

Kein Wunder, dass man die „Hangtime“ in Basketball-Videos immer wieder in Ultrazeitlupe sieht: Der Moment, in dem der Spieler vor dem Korb abspringt, um den Ball im Korb zu versenken oder beim Versuch zu scheitern, erfordert höchste Konzentration. Die Entscheidung ist längst gefallen, jetzt kommt es auf das richtige Timing, die nötige Sprungkraft und Körperbeherrschung an – es ist der schwebende Moment der Entscheidung, in dem es um alles oder nichts gut, um Erfolg oder Scheitern.
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