Halbschatten

Eine Filmkritik von Festivalkritik Berlinale 2013 von Holger Lodahl

Das Warten auf die Liebe

Nerle, eine Deutsche Ende 30, (Anne Ratte-Polle) fährt nach Südfrankreich, um ihren Liebhaber Romuald (Henry Arnold) in seinem Haus zu treffen. Aber trotz seiner Einladung ist er nicht anwesend. Nur seine Kinder Emma (Emma Bading) und Felix (Leonard Proxauf) sind da und empfangen Nerle spröde und abweisend. Aber Nerle bleibt und versucht, einen Platz in dem großen Haus zu finden, bis Romuald wieder zurück ist. Andere Frauen wären möglicherweise wieder abgereist. Hätte Nerle das doch auch getan. Dann hätte Halbschatten die Berlinale-Zuschauer nicht so sehr gelangweilt.
Zwei Tage lang muss Nerle überbrücken, bis Romuald zurück ist. Ihre Versuche, weiter an einem Buch zu arbeiten, scheitern. In der Frühlingssonne zu liegen scheint ihr auf Dauer zu langweilig. Bleibt noch, sich den Kindern zu nähern — man weiß ja nie, was aus der Affäre mit Romuald wird. Die Teenager empfinden sie als Eindringling, und nur langsam öffnen sie sich ihrem Gast. Erst darf Nerle dem Mädchen bei den Hausaufgaben helfen, dann vertraut der Junge ihr an, den Geburtstagskuchen für seine Schwester zu besorgen. Das vergisst Nerle zwar fast, aber bei der kleinen Feier bricht dennoch das Eis. Zwischen Nerle und den Kindern entsteht langsam eine Beziehung.

Aufregender wird die Geschichte für den Zuschauer nicht. Zu oft lässt Halbschatten einen gerade aufgegriffenen Erzählfaden wieder fallen, um einen neuen aufzunehmen. So beobachtet die Kamera Nerle bei einem Flirt mit einem Fremden, zeigt sie beim Kleiderkauf, und dokumentiert ihre Versuche, ein Teil der Teenager-Truppe zu werden. Das geht so weit, dass Romualds Sohn und Nerle intim werden. Und als Romuald wieder da ist, verlässt Nerle das Haus heimlich, ohne mit ihm zu sprechen.

Der Applaus nach der Premiere war höflich. Vielleicht waren viele Zuschauer eingenickt, denn Halbschatten bietet keinen dramaturgischen Höhepunkt, keinen Konflikt, den sich zu folgen lohnt, und Hauptfigur Nerle ist so langweilig wie das Kleid, das sie in einer Boutique kauft. Diese Szene steht für den ganzen Film. Nerle hat die Wahl zwischen zwei Kleidern des gleichen Models, aber mit unterschiedlichen Brauntönen. Die Verkäuferin sieht ihr bei der Anprobe desinteressiert zu. Schließlich greift die Angestellte Nerle ganz unvermittelt ins Haar, ordnet es mit den Fingern und bindet es in einer anderen Höhe als zuvor wieder zusammen. Nerle scheint sich zu freuen, dass überhaupt etwas passiert, sieht aber fast genauso aus wie zuvor. Und so ergeht es auch dem Zuschauer von Halbschatten. Zwar bietet der Film hin und wieder so etwas wie einen Konflikt und deutet einen Spannungsbogen an — etwa Nerles Flirt mit dem Arbeiter oder einen nächtlichen Besuch der Nachbarn, die sich aus ihrem Haus ausgesperrt haben. Weiter verfolgt werden diese Szenentupfer aber nicht.

Beim Gespräch nach der Premiere versuchte Regisseur Wackerbarth gar nicht erst großartig, den einzelnen Szenen einen Sinn zu geben. Das Haus spiele die wichtigste Rolle, sagt Wackerbarth. „Es beherbergt die Leere, die der Hausherr hinterlassen hat“, sagt er. „Der Zuschauer hat genug Kinoerfahrung, um die Geschichte von Nerle selbst weiter zu erzählen.“ Den wenigen Fragen der Kinobesucher nach der Bedeutung einzelner Handlungsansätze wich er aus. „Ich schreibe die Szenen nur, über eine Interpretation denke ich nicht nach.“

(Festivalkritik Berlinale 2013 von Holger Lodahl)

Halbschatten

Nerle, eine Deutsche Ende 30, (Anne Ratte-Polle) fährt nach Südfrankreich, um ihren Liebhaber Romuald (Henry Arnold) in seinem Haus zu treffen. Aber trotz seiner Einladung ist er nicht anwesend. Nur seine Kinder Emma (Emma Bading) und Felix (Leonard Proxauf) sind da und empfangen Nerle spröde und abweisend.
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