Habemus Papam - Ein Papst büxt aus (2011)

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

Papst zu werden ist nicht schwer, Papst zu sein dagegen sehr

Hätten die Kardinäle der Konklave auch nur einen Funken literarischer Bildung, hätten sie das Unheil bereits ahnen müssen: Als sie sich offensichtlich in geheimer Absprache nach mehreren erfolglosen Durchgängen völlig überraschend für Kardinal Melville (Michel Piccoli) entscheiden, verhält der sich wie eine Figur seines berühmten Namensvetter Hermann Melville: In dessen Erzählung Bartleby, the Scrivener entdeckt ein Anwaltsgehilfe die Lust an der Verweigerung und erhebt den Satz „I would prefer not to…“ („Ich möchte lieber nicht“) zum Lebensprinzip. Ein Motto, das durchaus auch über Nanni Morettis bissiger Papstkomödie Habemus Papam — Ein Papst büxt aus stehen könnte. Denn wie Bartleby der Schreiber so verweigert sich auch der frisch gekürte Pontifex Maximus dem göttlichen Willen und der Entscheidung der Konklave und sucht stattdessen sein Seelenheil in Flucht und — ausgerechnet — Psychoanalyse.

Der Film beginnt mit dem feierlichen Einzug der Konklave in die Sixtinische Kapelle, die dann gemäß der Tradition verschlossen wird, damit die Kardinäle ohne Enfluss der Außenwelt so lange zur Wahl schreiten, bis endlich weißer Rauch über dem Petersplatz aufsteigt und die erfolgreiche Suche nach einem neuen Oberhaupt der Katholischen Kirche verkündet. Doch kaum sind die Türen verschlossen, zeigt sich, dass diese Wahl keine normale sein wird. Zuerst fällt das Licht aus, so dass einer der Kardinäle stolpert, dann kann man sich partout nicht auf einer eindeutigen Kandidaten verständigen, obwohl Kardinal Gregori (Renato Scarpa) immer wieder zahlreiche Stimmen auf sich versammeln kann. Überhaupt erscheinen die Kardinäle beinahe wie eine in die Jahre gekommene Schulklasse, die sich plötzlich einer enorm schwierigen Klassenarbeit ausgesetzt sieht. Immer wieder sieht man ihre Nervosität, ihre Unsicherheit und manch einer versucht sogar beim Nachbarn zu spicken, während die Gebete der einzelnen immer lauter werden, dass der liebe Gott sie doch bitte verschonen möge — „Bitte nicht mich!“

Umso erstaunlicher — hat hier etwa ein gehässiger Gott die Finger im Spiel, dass sich dann plötzlich doch ein neuer Papst findet — und zwar einer, dessen Namen vorher in keinem einzigen Durchgang je gefallen ist und der zuvor noch niemals im Bild war — eben jener bereits erwähnte Kardinal Melville, der die Wahl zwar annimmt — wie sollte er auch anders — der dann aber ausgerechnet kurz vor der Verkündigung vom Balkon des Palastes Muffensausen bekommt und den päpstlichen Sprecher ziemlich dumm aussehen lässt. Der steht nämlich bereits draußen und spricht zu den Gläubigen, um sich dann unversehens wieder zurückziehen zu müssen.

Was Melville zu seinem unvermuteten Rückzieher bewogen hat, weiß niemand und der gekürte, aber nicht offiziell verkündete Nachfolger Petri weiß am allerwenigsten, wie ihm da geschieht. Um die Angelegenheit möglichst schnell aus der Welt zu schaffen, zieht man den (atheistischen) Psychoanalytiker Professor Brezzi (Nanni Moretti) hinzu, der im Beisein aller Kardinäle mit der Behandlung beginnt, die freilich recht reglementiert ist: Keine Fragen über Sexualität, keine Fragen nach den Träumen und selbst die Nachforschungen in punkto Familie sollen bitteschön möglichst diskret sein, so wird es verlangt. Klar, dass das nicht gutgehen kann, so das man sich dazu entschließt, statt Brezzi dessen geschiedene Frau (Margharita Buy) zu konsultieren — und zwar inkognito, damit diese nicht beeinflusst ist. Brezzi selbst wird aus Gründen der Geheimhaltung solange im Vatikan interniert und isoliert, bis Melville gesundet ist. Dann aber entwischt der Papst, der sich nicht traut, seinen Bewachern und bezieht Quartier in einem Hotel, in dem eine Theatertruppe für die bevorstehende Aufführung von Anton Tschechows Die Möwe probt. Was Melville wiederum daran erinnert, dass er früher selbst einmal Schauspieler werden wollte, doch an der Aufnahmeprüfung scheiterte.

Währenddessen vertreiben sich die Kardinäle, die keine Ahnung haben, dass sich Melville nicht in seinem Gemächern befindet — diese Illusion hält ein braver Schweizer Gardist aufrecht — die Zeit mit einem von Brezzi organisierten Volleyballturnier. Bis schließlich der Sprecher des Heiligen Stuhls (Jerzy Stuhr) beschließt, Melville vor vollendete Tatsachen zu stellen.

Habemus Papam ist eine herrlich respektlose Komödie über eine völlig missratene Papstwahl, die bei aller Heiterkeit aber auch durchaus ernsthafte Zwischentöne besitzt: Der Vatikan als einziges Theater und der Papst als eine Art Schauspieler Gottes — das dürfte keine Aussage sein, die seitens der katholischen Kirche auf allzu viel Gegenliebe stößt. Ebenso wenig wie die Erkenntnis, dass sich selbst ein Mann Gottes dem Willen des Schöpfers verweigert. Insofern ist Habemus Papam — Ein Papst büxt aus weniger ein himmlischer als vielmehr ein teuflischer Spaß, der durchaus auch in den Kinos einiges erreichen könnte.
 

Habemus Papam - Ein Papst büxt aus (2011)

Hätten die Kardinäle der Konklave auch nur einen Funken literarischer Bildung, hätten sie das Unheil bereits ahnen müssen: Als sie sich offensichtlich in geheimer Absprache nach mehreren erfolglosen Durchgängen völlig überraschend für Kardinal Melville (Michel Piccoli) entscheiden, verhält der sich wie eine Figur seines berühmten Namensvetter Hermann Melville:

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Meinungen

meinereiner · 11.02.2012

Ich würde mir von Moretti als nächstes eine Komödie über das Leben Mohammeds wünschen. Das wäre doch mal was lustiges nach all den Veräppelungen der christlichen Religion.

kim · 06.01.2012

Ein enttäuschender Nanni Moretti-Film.
Viele Männer machen langweilige Sachen.

Leider nicht sehenswert.

ilona westphal · 13.12.2011

sehr sehr gut !!!

juergen04 · 19.09.2011

Ein großartiger Michel Piccoli in einem leider nur mittelmäßigen Film. Aus der originellen Grundidee heraus hätte man sich mehr an nachdenklich-amüsanter Satire gewünscht. Manches kommt leider zu kurz (Nachtwanderung durch die Stadt), andere Szenen sind viel zu lang geraten (Volleyballturnier). Schade. Und nochmal schade, daß der deutsche Verleihtitel-Zusatz eher auf einen oberflächlichen Klamauk statt auf eine Moretti-Satire hin deutet.