Greenberg (2010)

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

Eine Art Stadtneurotiker

Man hatte es ja schon immer geahnt, dass in Ben Stiller mehr steckt als „nur“ der Star etlicher, zumeist eher flacher Komödien wie Nachts im Museum und anderer ähnlicher Werke. In Noah Baumbachs neuem Film Greenberg sehen wir den Schauspieler nun in einer neuen, ungewohnt leisen Rolle, die Vergleiche mit Woody Allens Stadtneurotiker / Annie Hall geradezu herausfordert. 33 Jahre später ist die Welt zwar eine andere geworden, die Probleme der Männer über Vierzig, die ihre liebe Müh mit dem Erwachsenwerden haben, unterscheiden sich aber kaum von denen ihrer (filmischen) Vorgänger.

Der Möbeltischler Roger Greenberg (Ben Stiller) hat alles versemmelt: Seine Beinahe-Karriere als Rockmusiker, sein Sozialleben und seine Gesundheit. Und so sitzt er nun, nach überstandenem Nervenzusammenbruch, da im Haus seines Bruders, der sich gerade mit seiner Familie in den Urlaub nach Asien verabschiedet hat, und weiß nicht so recht, was er mit sich und dem Leben anfangen soll. Im neuen Domizil trifft er auf die 25-jährige Florence (Greta Gerwig), die „Assistentin“ seines Bruders, die während dessen Abwesenheit einen Blick auf das Anwesen (und natürlich auf den fragilen Roger) werfen soll. Natürlich verlieben sich die beiden ineinander, denn Florence ist trotz des Altersunterschiedes von mehr als 15 Jahren, beinahe genauso schräg wie ihr neuer Schützling. Ob das gut geht?

„Mumblecore“ oder wahlweise auch „Slackavetes“ (nach John Cassavetes) nennt man Filme wie Greenberg wohl am ehesten, offensichtlich bilden sie gerade den neusten Trend im US-Indie-Kino. Ob dieser Begriff nun tatsächlich eine neue Strömung des amerikanischen Kinos bezeichnete oder nichts weiter als ein geschickter Marketinggag ist, sei dahingestellt. Wirklich neu ist das Ganze bei genauerer Betrachtung wirklich nicht, Woody Allen, Cassavetes, Linklater, Kevin Smith und Filme wie Garden State oder Juno lassen grüßen und sind als Vorbilder für den belustigten Blick auf das Alltagsleben ganz „normaler“ Typen von nebenan unübersehbar.

Neben allen Verdrehtheiten, Marotten und reichlich vorhandenen Neurosen kreist der Film aber nie allein um Greenbergs Defekte, sondern nimmt sich viel Zeit für seinen komplexen Charakter und die Geschichten all der Nebenfiguren, die das Universum dieses „Mr. Problemist“ bilden. Für das ganz eigene Lebensgefühl seiner (Anti)Helden findet Noah Baumbach den passenden Erzählfluss: Mal stockend und auf der Stelle verharrend, dann wieder ungestüm und aufbrausend, immer wieder Abschweifungen nehmend und das scheinbar Wichtige aus den Augen verlierend folgt Greenberg weniger den Gesetzen der US-amerikanischen Kinonarrativik als vielmehr einem ganz eigenen und durchaus originellen „stream of consciousness“, der dem Zuschauer einiges abverlangt und manche mit Sicherheit auch nerven mag.

Sicherlich: Es gibt wichtigere und gesellschaftlich relevantere Themen als die grüblerische Sich-selbst-umkreisen des Roger Grennberg. Wer aber den Neurosen der Generation Ü40 und deren solipsistischer Besessenheit etwas abgewinnen kann und Ben Stiller endlich mal in einer vielschichtigeren Rolle sehen will, dem sei Greenberg ans Herz gelegt. Auf eine Darstellerin wie die bis dato weitgehend unbekannte Greta Gerwig kann man sich auch in Zukunft freuen, ihr steht hoffentlich eine große Karriere bei sympathischen kleinen Independent-Filmen wie diesem bevor.

(Michael Spiegel)
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Ein Sympathieträger ist dieser Roger Greenberg (Ben Stiller) nun nicht gerade. Der vierzigjährige Ex-Musiker kommt gerade aus einer psychiatrischen Klinik und bezieht das Haus seines Bruders Philip, um in der Zeit des Urlaubs der lieben Verwandten das Haus und den Schäferhund namens Mahler zu hüten. Ansonsten vertreibt sich dieser Misanthrop die Zeit damit, unsinnige Beschwerdebriefe an alle möglichen Firmen und Institutionen zu schreiben und sich über Nichtigkeiten wie nicht funktionierende Knöpfe in Flugzeugen und anderen Firlefanz zu echauffieren. In diesem Trott könnte Roger ewig so weitermachen, wenn es da nicht Florence (Greta Gerwig) wäre, die persönliche Assistentin seines Bruders, die sich während der Abwesenheit ihres Bosses um dessen Anwesen kümmert. Auf sehr unbeholfene Weise kommen sich diese beiden Außenseiter schrittweise immer näher, zumal Roger nicht Autofahren kann (und das in Amerika), so dass er immer wieder die Dienste von Florence in Anspruch nehmen muss. Als dann noch Mahler erkrankt, haben die beiden mehr miteinander zu tun, als ihnen lieb ist. Und zu allem Überfluss muss Roger auch noch erkennen, dass seine Freunde und Beziehungen von früher sich längst weiterentwickelt haben, während er selbst immer noch auf der Stelle tritt und eine Verweigerungshaltung pflegt, um nur ja keine Fehler zu machen…

Sieht man einmal von den beiden Hauptdarstellern Ben Stiller und Greta Gerwig ab, kann man an Greenberg außer zwei bis drei treffenden Szenen und gelungenen Dialogen kaum etwas Gutes finden. Wobei es schon auffällt, wie sehr das Drehbuch Themen und Ideen einführt (wie etwa die sehr schöne Idee des Mixtapes, das Roger für Florence anfertigt), so dass man förmlich darauf wartet, dass diese kleinen Highlights später noch einmal auftauchen. Sei es nun aus Nachlässigkeit oder aus einer Greenberg’schen Verweigerungshaltung heraus, die gelegentlich an Hermann Melvilles Bartleby, The Scrivener („I would prefer not to“) erinnert – nie wählt die Geschichte den graden Weg, sondern führt immer wieder neue Handlungsstränge ein, ohne diese zu Ende zu führen. Was man mit viel gutem Willen noch als Überraschungsmoment auffassen könnte, wird im Verlauf des Films allerdings zu einer harten Geduldsprobe, zumal im Verlauf der Geschichte Florence beinahe vollständig aus dem Blickfeld verschwindet, um dann wieder recht ungeschickt in die Story eingebaut zu werden. Ein wenig erinnert das Ganze schon an die eine Szene zwischen Roger und Florence, als die beiden sich auf ihre Weise der Leidenschaft hinzugeben versuchen: Das Bemühen ist durchaus vorhanden, das Ergebnis allerdings eher verheerend…

Nach Noah Baumbachs durchaus sehenswertem Der Tintenfisch und der Wal / The Squid and the Whale ist dieser Film ein eher misslungenes Werk, das bislang den Tiefststand des diesjährigen Wettbewerbs der Berlinale markiert. Dies ist umso bedauerlicher, da Ben Stiller hier endlich einmal eine etwas differenziertere Rolle abseits der sattsam bekannten Klamauk-Komödien spielen darf. Aufgrund des mehr als dürftigen Drehbuchs aber dürfte dies kaum den Wechsel ins etwas ernstere Fach markieren. Schade eigentlich…
 

Greenberg (2010)

Man hatte es ja schon immer geahnt, dass in Ben Stiller mehr steckt als „nur“ der Star etlicher, zumeist eher flacher Komödien wie „Nachts im Museum“ und anderer ähnlicher Werke. In Noah Baumbachs neuem Film Greenberg sehen wir den Schauspieler nun in einer neuen, ungewohnt leisen Rolle, die Vergleiche mit Woody Allens „Stadtneurotiker / Annie Hall“ geradezu herausfordert.

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Meinungen

Peter Heinrichs · 24.05.2011

Ein extrem langatmiger Film, der nur eines vorzüglich versteht – auf der Stelle zu treten. Was kann man nicht alles aus Zelluloid machen? Warum musste es ausgerechnet dieser Film sein?!