Gotthard Graubner - Farb-Raum-Körper

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

Sprechende Bilder

Unter den zeitgenössischen Künstlern im Deutschland der Nachkriegszeit ist der im Jahre 2013 verstorbene Gotthard Graubner nach wie vor einer der breiten Masse eher Unbekannter. Daran ändern auch seine zahlreichen Preise und Ehrungen, seine insgesamt zwei DOCUMENTA-Teilnahmen und seine Pionierstellung im Bereich der abstrakten Malerei nichts. Drei Jahre vor seinem Tod gewährte Graubner dem Dokumentarfilmer Tilmann Urbach Einblicke in sein Atelier auf der Museumsinsel Hombroich in Neuss. Herausgekommen ist ein stilles Porträt eines beeindruckenden Mannes, der statt zu reden, lieber seine Bilder sprechen lässt. „Man müsste eigentlich einen Film ohne Worte machen, Herr Urbach. Ein guter Kameramann kann das alles visuell …“ – das sind die ersten Worte Gotthard Graubners. Er spricht sie, als die Leinwand noch schwarz ist – und in ihnen steckt schon etwas von dem zähen Ringen des Regisseurs mit seinem Protagonisten, der dann doch immer wieder nach anfänglich kurzen Statements ins Reden kommt.
Und so lässt Urbach am Anfang vor allem die Bilder sprechen. Und zwar nicht nur die Bilder Graubners, sondern Impressionen, Stillleben aus dem Atelier, die durch die Art der Kameraführung ein beredtes Eigenleben zu führen scheinen. Was Graubner selbst zumindest anfänglich nicht sagt, erzählen auf fast schon impressionistische Weise diese Tableaus, die einen Zigarrenstummel auf einer Werkbank zeigen, eine Sammlung von Postkarten und andere Bildmotive, die – wie zufällig und achtlos an eine Wand gepinnt – einen Eindruck vermitteln von Einflüssen, Vorlieben und einer reichen Innenwelt. Denn am Ende, so Graubner, „zählt vor allem das Werk“.

Kein Wunder also, dass fast schon leitmotivisch vor allem Graubners berühmteste Werkstücke immer wieder in diesem Film auftauchen: die an Kissen erinnernden monochromen „Farbraumkörper“, die unter anderem in der Reichskanzlei und im Amtssitz des Bundespräsidenten, aber auch in zahlreichen Museen rund um den Globus hängen. Die Befreiung des Bildes aus der flachen Leinwand und die feinsten Nuancen und Details, die in Graubners Werken stecken, machen ihn schon früh zu einem Solitär der abstrakten Malerei der Nachkriegszeit.

Freilich war und ist sein Werk niemals einfach gewesen – und vielleicht ist auch das die Erklärung dafür, dass Graubner immer noch zu den eher unbekannten Meistern seiner Epoche gehört. Mit Tilmann Urbachs Film könnte sich das ändern – auch und gerade wegen der behutsamen Art und Weise, wie er sich dem Menschen und dem Künstler Graubner nähert: respektvoll und neugierig, fragend, aber niemals drängend, mit sicherem Blick für Details und assoziative Bildmontagen, die einen aufmerksamen Zuschauer erfordern.

Und so nimmt sich der Film viel Zeit für seine Beobachtungen, die den Künstler bei der Arbeit zeigen. In gewisser Weise erinnert er darin an ein anderes Künstlerporträt: Gerhard Richter Painting von Corinna Belz widmete sich in ähnlich vorsichtig-tastender Weise und mit leisen, aber mit großer Beharrlichkeit gestellten Fragen einem eigentlich scheuen Menschen und verflocht so Biographisches mit Beobachtungen über das Entstehen von Kunst. Bei Gotthard Graubner — Farb-Raum-Körper werden diese Beobachtungen dezent ergänzt von Gesprächen und Interviews mit Dritten (vor allem Galeristen und Sammler), die dem Zuschauer dabei helfen, den Maler in die zeitgenössische Kunstszene der Nachkriegszeit einzuordnen. Eine längst überfällige Hommage an eine Ausnahmeerscheinung.

Gotthard Graubner - Farb-Raum-Körper

Unter den zeitgenössischen Künstlern im Deutschland der Nachkriegszeit ist der im Jahre 2013 verstorbene Gotthard Graubner nach wie vor einer der breiten Masse eher Unbekannter. Daran ändern auch seine zahlreichen Preise und Ehrungen, seine insgesamt zwei DOCUMENTA-Teilnahmen und seine Pionierstellung im Bereich der abstrakten Malerei nichts.
  • Trailer
  • Bilder

Meinungen