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Fast 30 Jahre mussten Fans auf eine Adaption von Terry Pratchetts und Neil Gaimans Gemeinschaftsroman „Good Omens“ warten. Nun retten Michael Sheen und David Tennant als Engel und Dämon die Welt. Gaiman selbst hat die Drehbücher zur Miniserie verfasst. Ein gutes Omen?

Good Omens (TV-Serie, 2019)

Eine Filmkritik von Falk Straub

Wir sind (keine) Engel

Was lange währt, wird endlich schräg. Schon kurz nach seinem Erscheinen 1990 war eine Adaption des Romans Good Omens im Gespräch. Terry Gilliam mühte sich mehrfach und hatte um die Jahrtausendwende Robin Williams und Johnny Depp für die Hauptrollen im Auge. Doch der Filmfantast scheiterte mit seiner geplanten Leinwandversion ebenso wie Ex-Monty-Python-Kollege Terry Jones, der aus der Vorlage eine Fernsehserie machen wollte. Inzwischen sind die Zeiten im TV und Internet dank der Marktmacht der Streamingriesen golden. Eine Co-Produktion von Amazon und der BBC macht den Heidenspaß möglich.

Schon die Entstehung des Romans ist eine Geschichte wert. Denn wie schreibt man gemeinsam an getrennten Orten? Lange vor den vernetzten Möglichkeiten des World Wide Web blieben Pratchett und Gaiman nur stundenlange Telefongespräche und verflucht lappige Floppy Discs, die sie sich mit ihren neuesten Ergüssen auf dem Postweg hin und her schickten. Kreatives Pingpong in der digitalen Steinzeit. Richtig weit zurück geht es auch in ihrer Geschichte.

Die Erde ist keine 4,6 Milliarden, sondern nur knapp 6000 Jahre alt, verkündet eine sonore Stimme aus dem Off. Im englischen Original gehört sie Frances McDormand, die als keine Geringere als Gott, die Allmächtige durch die Serie führt. Schon im Garten Eden sind die Rollen klar verteilt: der gefallene Engel Crowley (David Tennant) gibt den Verschlagenen, der Adam und Eva als Schlange verführt, Engel Aziraphale (Michael Sheen) den Einfältigen, der sein Flammenschwert leichtfertig aus der Hand und den ersten Menschen mit auf den Weg gibt. Schwarz und Weiß, aber nicht zwangsläufig Böse und Gut, denn im Verlauf der Jahrtausende verhalten sich der Dämon und sein in doppelter Hinsicht englischer Widerpart ambivalenter.

In der Gegenwart haben sich die beiden häuslich eingerichtet. Crowley jagt mit seinem aufgemotzten Bentley, Baujahr 1934, durch die Straßen und sieht aus wie ein Rockstar. Das rote Haar trägt er mal wallend, mal kurz, seine Schlangenaugen verbirgt er hinter dunklen Brillengläsern. David Tennant spielt ihn dandyhaft und immer auf dem Sprung, mit den katzengleichen Bewegungen eines Mick Jagger. Michael Sheen legt seinen Aziraphale, der selbstredend stets weiß gekleidet ist und eine Buchhandlung betreibt, als wohlerzogenen, zutiefst verunsicherten Schöngeist mit großem Herzen an. Insgeheim hat aber auch Crowley etwas für die Menschheit übrig.

Die Apokalypse, die 11 Jahre zuvor durch die Ankunft des Antichristen eingeläutet wurde, kommt beiden ziemlich ungelegen. Also versuchen die Buddys vom Anbeginn der Zeit, den Weltuntergang zu verhindern. Dumm nur, dass nicht derjenige der Antichrist ist, den sie für den Antichristen halten. Wie es in Pratchetts und Gaimans absurdem Universum nicht anders sein kann, ging beim Austausch im satanischen Nonnenkloster einiges schief. Auf der Suche nach der wahren Ausgeburt der Hölle gesellen sich alsbald Anathema Device (Adria Arjona), die Nachfahrin einer Hexe, und Newton Pulsifer (Jack Whitehall), der Nachfahre eines Hexenjägers, hinzu.

Terry Pratchett erlebt die Umsetzung dieser skurrilen Weltuntergangfarce nicht mehr. Der Schöpfer der Scheibenwelt, die er ab 1983 in 41 Romanen zum Leben erweckte, ist 2015 im Alter von 66 Jahren dem der Alzheimer-Krankheit ähnlichen Benson Syndrom erlegen. Pratchetts letzter Wunsch sei es gewesen, dass Kollege Neil Gaiman das Drehbuchschreiben übernimmt. Als Autor einer solch epischen Comicerzählung wie Sandman (1989-1996) kennt Gaiman alle Tricks und Kniffe. In den ersten drei Episoden, die für die Presse vorab zu sehen waren und dieser Kritik zugrunde liegen, legt der 1960 geborene Brite denn auch mächtig los.

Die knapp einstündigen Folgen bersten vor Einfällen, Anspielungen und Witz und sind dennoch so geschrieben, dass sie auch versteht, wer die Vorlage nicht gelesen hat. Der Humor ist trocken und very british. Der Antichrist wird in einem Picknick-Korb überreicht, Englands letzte Hexe wird noch auf dem Scheiterhaufen zur ersten Selbstmordattentäterin und Crowley und Aziraphale kommentieren durch die Jahrhunderte süffisant das biblische und weltliche Geschehen – vom Bau der Arche, über Christi Kreuzigung bis zur französischen Revolution. Ein kunterbunter, geschichtsklitternder und blasphemischer Spaß.

Der ist freilich nicht neu, aber ungemein kurzweilig. Schon die Kollegen von Monty Python arbeiteten sich mit inseltypischem Humor an all den Ungereimtheiten britischer Sagen und biblischer Texte ab. Das Klappern ihrer Ritter der Kokosnuß (1975) ist hinter mancher Idee zu hören, ihr Leben des Brian (1979) grüßt pfeifend vom Kreuz. Und in der langen Zwischenzeit vom Erscheinen des Romans bis zu dessen Adaption sind Good Omens diverse durchgeknallte Konkurrenzprodukte erwachsen, die um ähnliche Themen kreisen. Schon in Dogma (1999) brachten zwei Engel die Welt an den Rand ihres Untergangs. Auch damals war Gott eine Frau. Zwanzig Jahre später hat die fiktionale Beschäftigung mit dem Leben nach dem Tod, mit Engeln, alten und neuen Göttern mehr Zulauf als die Kirchen. Das ist mal komödiantisch nett wie in The Good Place und Forever, mal ziemlich nerdig wie in Miracle Workers, mal solide Krimikost wie in Lucifer und ab und an auch derb und blutig wie in Preacher oder American Gods, zu dem wie schon bei Lucifer die Vorlage von Gaiman stammt.

Wirklich frisch wirkt Good Omens also nicht mehr, zumal die Profanation (neben den anderen Werken ihrer beiden Schöpfer) auch immer ein wenig an einen anderen früh verstorbenen britischen Autor, an den Scifi-Humoristen Douglas Adams (Per Anhalter durch die Galaxis, Dirk Gentlys holistische Detektei), und an die seit Jahrzehnten laufende BBC-Serie Doctor Who erinnert. Für Letztere haben übrigens sowohl Gaiman als auch Adams Drehbücher beigesteuert; und Good Omens-Regisseur Douglas Mackinnon saß hinter, David Tennant stand von 2005 bis 2010 in der Hauptrolle vor der Kamera.

Gut ist das trotzdem. Denn das mit Jon Hamm (als aufgeblasen-doofem Erzengel Gabriel), Mireille Enos (als Krieg), Nick Offerman, Mark Gatiss, Michael McKean und so vielen anderen bis in die Nebenrollen und Gastauftritte wunderbar besetzte Ensemble macht all die austauschbar wirkenden Popkultur-Versatzstücke mühelos wett. Stars wie Benedict Cumberbatch und Brian Cox hatten da noch nicht einmal ihren Auftritt. Zwei der apokalyptischen Reiter haben ihre Stahlrosse bereits gesattelt. Cumberbatch & Co. halten garantiert noch die eine oder andere Abgedrehtheit bereit. Die Apokalypse kann kommen.

Good Omens (TV-Serie, 2019)

Basierend auf dem Bestseller von Terry Pratchett und Neil Gaiman, folgt „Good Omens“ dem Engel Aziraphale und dem Dämon Crowley, die seit mehr als 6.000 Jahren eine ganz und gar unwahrscheinliche Freundschaft verbindet und die das irdische Dasein nicht mehr missen möchten. Doch als das Ende der Welt naht, müssen sie all ihre Kräfte in die Waagschale werfen, um die Erde zu retten.

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