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Ein irisches Fischerdorf, die Rückkehr eines verlorenen Sohnes, und eine Anklage wegen Vergewaltigung, die seine Mutter in Gewissenskonflikt stürzt …

God's Creatures (2022)

Eine Filmkritik von Harald Mühlbeyer

Fischerdorftragödie

Aileen (Emily Watson) hält die Familie zusammen. Und die Arbeiterinnen in der Fischverarbeitungshalle, Herzstück des Dorfes an der irischen Küste. Die Männer bringen die Fische und die Austern; die Frauen sortieren, zerteilen, verpacken. So war es immer. So wird es immer sein. „God’s Creatures“ ist eine Filmtragödie im Fischerdorf – das beginnt mit dem Fund einer Leiche, einer der jungen Fischer ist ertrunken. Aus Aberglaube lernen sie nie schwimmen … Und auf der Beerdigung taucht Brian (Paul Mescal) auf, völlig überraschend, der verlorene Sohn von Aileen, der jahrelang in Australien war …

Er wird das Gefüge im Dorf aus den Fugen bringen. Er übernimmt die alte, heruntergekommene Austernfarm des Großvaters. Die liegt auf einer Sandbank, bei Ebbe erreichbar, bei Flut gefährlich – ein weiteres der Tschechowschen Gewehre, die die Regisseurinnen Saela Davis und Anna Rose Holmer auslegen: Laut Tschechow muss ja ein Gewehr, das im ersten Akt gezeigt wird, im dritten abgefeuert werden – hier ist es das Nichtschwimmen, hier ist es die gefährliche Flut. Der Weg des Films ist klar gezeichnet.

Und die Konstellation ist archaisch – im Grunde das Gleiche, was in unzähligen alten Heimatfilmen erzählt wird: Das Drama handelt vom Sohn, der in die Heimat zurückkehrt, vom nächtlichen Wildern – Brian fängt illegal Fische –, der Konflikt zwischen Brian und dem Vater, die klaren Geschlechterrollen, das Dorf als Mittelpunkt des Lebens, die Sprache im örtlichen Dialekt; auch, dass Strafe nach dem Gesetz des Dorfes, nicht nach dem Gesetz des Staates ausgeführt wird. Es spielt eben nicht auf dem Berghof oder der Heide, sondern an der irischen Küste. Die Standards, die wir hier sehen, sind freilich dieselben. Nur, dass die Inszenierungsweise völlig verschieden ist. Nicht der alte Ufa-Stil in vollen Farben und mit den großen Stars wird hier ausgespielt. God’s Creatures ist ein dunkler Film über das dreckige Leben, in dem man den permanenten Fischgeruch in der Nase hat. Sehr genau zeigt er die schwere Arbeit der Fischerei, von der hier alles abhängt …

Und dann ändert sich die Dramaturgie. Denn Aileen wird zur Polizei gerufen. Es gibt eine Anklage. Es werden Fragen gestellt: Ist Brian an einem bestimmten Tag zuhause gewesen? Aileen stellt sich als Mutter schützend vor ihn. Gibt ein falsches Alibi. Ohne Rücksicht auf das Opfer, Sarah (Aisling Franciosi) – die wird ohnehin von ihrem Mann misshandelt, und Brian hat noch nie die Hand gegen eine Frau erhoben! Der Konflikt ist da – dramaturgisch vielleicht zu spät, zuvor wusste man nicht recht, wohin alles jenseits der Heimatfilm-Themen laufen soll. Doch nun ist mit Wucht ein innerer Konflikt da, der sich im Äußeren zeigt. Die Mutter distanziert sich vom Sohn; die Dorfgemeinschaft ist mit im solidarisch – die Anklage ist schließlich fallengelassen. Und Sarah? Warum geht sie nicht einfach?

Der Film nimmt hier Fahrt auf, verlässt das Erwartbare aber zu spät; und bringt in einem Monolog am Ende auf den Punkt, was Heimat ist: Nämlich all die Gespenster der Vergangenheit, die in den Häusern lauern; der ewige Wind, der durch die Ritzen fährt.

 

God's Creatures (2022)

In einem abgelegenen Fischerdorf ist eine Mutter hin und hergerissen zwischen dem Wunsch, ihren Sohn zu beschützen und ihrem eigenen Empfinden von gut und böse. Eine Lüge bringt das sensible Gleichgewicht ins Wanken. 

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