Glück

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

Boy meets girl

Angeblich sind Boy-meets-girl-Geschichten gerade im Kino ja die natürlichste Sache der Welt, wie wir spätestens seit der berühmten Story von Alfred Hitchcocks Drehbuchautor Ben Hecht wissen. Und doch erweist sich gerade diese einfachste aller Konstellationen (vielleicht ja gerade wegen der vermeintlichen Schlichtheit, die niemals ins Banale abrutschen sollte) als schwierigste aller (filmischen) Übungen. Davon zeugt auch Doris Dörries neuer Film mit dem verheißungsvollen Titel Glück, der auf einer Kurzgeschichte des schreibenden Strafverteidigers Ferdinand von Schirach beruht.
In Berlin treffen sie aufeinander – und sie sind beide Unbehauste, Fremde oder Ausgestoßene in dieser großen Stadt: Irina (Alba Rohrwacher) stammt aus Osteuropa und hat im Krieg in ihrer Heimat Schreckliches miterleben müssen – sie selbst wurde vergewaltigt, ihre Eltern ermordet. Nun lebt sie als eine von vielen illegalen Prostituierten in Deutschland, doch das Erlebte hat seine Spuren bei ihr hinterlassen. Kalle (Vinzenz Kiefer) hingegen lebt in den Straßen Berlins, er ist Punk und hat gerade seinen getreuen Hund verloren, als er auf Irina trifft. Was folgt, ist eine kurze Episode des in diesem Falle beinahe schon spießigen Glücks (die sich aber in diesem Film verdammt lange anfühlt), bevor das Schicksal unbarmherzig zuschlägt. Als ein Freier in Irinas Armen stirbt (bezeichnenderweise der einzige, den wir jemals zu Gesicht bekommen), gerät sie (aus Gründen, die irgendwie mit ihrer Vergangenheit zusammenhängen müssen) in Panik und flieht vom Ort des Geschehens. Als Kalle dann nach Hause zurückkehrt, entdeckt er den Leichnam, zieht seine Schlussfolgerungen daraus und unternimmt alles, um den toten Körper loszuwerden – was wiederum zu weiteren Fehlinterpretationen seitens der staatlichen Exekutive führt. Doch Gottlob gibt es einen lebensklugen Strafverteidiger, der sich mit den Verästelungen der menschlichen Seele besser auskennt als die tumbe Polizei…

Glück, so lautet eine der Grundthesen des gleichnamigen Films von Doris Dörrie, ist eine launische Angelegenheit, ein kurzes Wupp-dich (gemeint ist damit jener Augenblick, in dem eine Schaukel an ihrem höchsten Punkt verweilt, um dann wieder in die andere Richtung und damit in die Tiefe zu schaukeln), das allzu schnell vergeht. Und genau das beschreibt auch äußerst – wenngleich vermutlich nicht in dieser Form beabsichtigt – das Gefühl, das einem bei diesem Film überkommt. Denn trotz des engagierten Spiels der beiden Hauptdarsteller gibt es zahlreiche Momente, an denen wir ihnen ihre behauptete Rolle einfach nicht abnehmen: Warum etwa glänzt der vom Leben gezeichnete Kalle nach einer Dusche mit akkurat definiertem Sixpack, als sei nicht die Straße, sondern das Fitness-Studio seine wahre Heimat? Wieso schlägt sich die durch eine nicht allzu weit zurückliegende Vergewaltigung traumatisierte Irina als Prostituierte durchs Leben? Es sind solche Details und Unstimmigkeiten, die dem Drama viel von seiner Glaubwürdigkeit nehmen – für einen Film, der darauf insistiert, auf einer wahren Geschichte zu beruhen, wirkt Glück jedenfalls bemerkenswert (über)konstruiert und klischeebehaftet.

Andererseits gibt es durchaus Szenen von großer Intensität, die erahnen lassen, dass Dörries Film ein großes Potenzial hätte, etwas über das Wesen des Schicksals zu erzählen. Das allerdings ist nur teilweise gelungen. Wie gesagt – das Glück ist eine launische Angelegenheit. Das gilt in diesem Fall nicht nur für die Figuren, sondern erst recht für den Film selbst, der Glücksmomente ebenso beinhaltet wie Augenblicke, in denen der Film auf ganzer Linie zu scheitern droht.

Glück

Angeblich sind Boy-meets-girl-Geschichten gerade im Kino ja die natürlichste Sache der Welt, wie wir spätestens seit der berühmten Story von Alfred Hitchcocks Drehbuchautor Ben Hecht wissen. Und doch erweist sich gerade diese einfachste aller Konstellationen (vielleicht ja gerade wegen der vermeintlichen Schlichtheit, die niemals ins Banale abrutschen sollte) als schwierigste aller (filmischen) Übungen.
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Meinungen

Nik · 14.09.2012

der letzte Schwachsinn dieser Film. War denn diese Dörrie noch nie in Berlin? Die Punks, die man dort zu sehen bekommt, sind verquollene, zutätowierte, stinkende, von Drogen zerfressene und sturzbetrunkene Lumpenhaufen, die den ganzen Tag nichts anderes tun als zu versuchen, der von ihnen produzierten Pisslache zu entsteigen. Leider erfolglos. Wie der Film.

Jana · 01.03.2012

Ich stimme Jochen voll und ganz zu!!

Jochen · 25.02.2012

Doris Dörrie hat aus der zwölfseitigen in ihrer Schlichtheit und lapidaren Erzählweise hervorragenden Kurzgeschichte des Ferdinand von Schirach eine klischeebeladene Schmonzette, gewürzt durch ein publikumswirksam blutaufgeladenes Finale, gemacht. Trotz aller Bemühungen der beiden Protagonisten, denen das Misslingen des Streifens nicht angelastet werden kann, bleibt es bei einer Aneinanderreihung von klischierten Versatzstücken. Die Kurz'sche Kritik ist eigentlich noch vergleichsweise wohlwollend.

Susanne · 24.02.2012

Ich fand den Film extrem gut. Zwar habem mich die polierten Fingernnägel von Kalle auch irritiert, aber das hat dem Film an Intensität nichts eingebüßt.
Doris Dörrie hat es geschafft, mich emotional mitzunehmen. Ich fand den langsamen Übergang vom Ausseiter zum "normalen" Leben gelungen. Ein Film, der mich noch ne Zeitlang beschäftigt.
Ich kann die herbe Kritik von Herrn Kurz nicht nachvollziehen....(einen Sixpack kann man auch haben, ohne in Studio zu gehen.)