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Mit der Geburt ihrer Tochter Gloria verschlimmert sich nur noch die finanzielle Lage des Paares Mathilda und Nicholas. Während sich Mathildas Eltern bemühen zu helfen, freut sich ihre Schwester insgeheim über ihr Versagen. Robert Guédiguian wirft einen pechschwarzen Blick auf die französische Arbeiterklasse.

Gloria Mundi - Rückkehr nach Marseille (2019)

Eine Filmkritik von Teresa Vena

Kein glorreiches Ende in Sicht

Der französische Regisseur Robert Guédiguian ist seit den 1980er Jahren als Drehbuchautor und Filmemacher tätig. Seine Themen findet er in der zeitgenössischen Gesellschaft und ihrem wandelnden Verhältnis zur Arbeitswelt. Oft geht es in seinen Filmen darum zu zeigen, welche Herausforderungen die Menschen tagtäglich meistern müssen, um sich und ihre Familien durchzubringen. Guédiguians steht für eine „menschlichere“ Wirtschaft, wie sie die Gelben Westen in Frankreich seit Jahren fordert. In seinem aktuellen Film hat der Franzose scheinbar die Hoffnung verloren, dass sich in diese Richtung noch maßgebliche Veränderungen ereignen werden.

Gloria Mundi ist düster und von deprimierten, frustrierten Figuren bevölkert. Am Anfang steht eine Geburt. Glorias erster Auftritt auf der Welt verläuft wortwörtlich pompös. Man sieht, wie sie weint, aber man hört sie nicht. Stattdessen unterlegt der Gesang eines Chores, ein bekanntes Stück klassischer Musik, das Bild. Anders als der Titel des Films suggeriert, wird dieses neue Geschöpf nicht als Heilbringerin geboren, es bringt nicht die langerwartete Wendung im Schicksal seiner in Desillusion, Gier und Eifersucht erstarrten Familie. Gloria kommt in eine Welt, die Glorreiches, Herrliches nicht hat.

Empfangen wird sie von ausgebrannten, überforderten Eltern. Seit Generationen wohnt die Familie in Marseille. Ihre Mutter Mathilda (Anaïs Demoustier) arbeitet als Verkäuferin in einem Modegeschäft. Sie ist noch in der Probezeit und befürchtet, entlassen zu werden, bevor diese noch zu Ende sein wird. Das wäre nicht das erste Mal. Es ist vielmehr eine gängige Praxis, so vermutet Mathilda, um Geld beim Personal zu sparen, indem man Fest- und sozialversicherte Anstellungen vermeidet. Bei ihrem Mann Nicholas (Robinson Stévenin) sieht die berufliche Situation nicht stabiler aus. Noch bevor er sich als Uber-Fahrer etablieren kann, wird ihm von konkurrierenden Taxifahrern zur Abschreckung der Arm gebrochen.

Auf die Elterngeneration kann sich das Paar nur bedingt stützen. Mathildas Mutter Sylvie (Ariane Ascaride) arbeitet als Reinigungskraft im Nachtdienst, ihr Mann und Stiefvater Mathildas Richard (Jean-Pierre Darroussin) als Busfahrer, und Mathildas biologischer Vater Daniel (Gérard Meylan) ist erst nach einer Jahrzehnte langer Haftstrafe entlassen worden. Die drei, alles an sich gute Menschen, würden gerne helfen, doch ihre Möglichkeiten sind begrenzt. Wer Geld hätte, wäre Mathildas Schwester Aurore (Lola Naymark) und ihr Mann Bruno (Grégoire Leprince-Ringuet), die ein Pfandleihhaus in einem der ärmlichen Quartiere Marseilles betreiben, doch die denken nicht daran.

Die gleiche Gleichgültigkeit und fast Bösartigkeit, die die beiden ihren Kunden gegenüber zeigen, bringen sie auch Mathilda und Nicholas entgegen, die sie im Grunde als Versager ansehen. Zwischen den Schwestern besteht zusätzlich ein Konkurrenzkampf um die Liebe der Eltern. Was Aurore nicht weiß, ist, dass ihr Mann zudem mit Mathilda ins Bett geht. Dass dies im Laufe der Geschichte enthüllt wird, versteht sich von selbst. Sie ist nur eine der vielen Wendungen im Film, die die Spirale der Zerstörung, in der die Familie gefangen ist, immer weiter antreibt.

Gloria Mundi entfaltet sich wie eine griechische Tragödie. Alle Bemühungen der verschiedenen Figuren gehen schief, die Lage spitzt sich mehr und mehr zu. Düstere Geheimnisse aus der Vergangenheit werfen ihre Schatten auf die Gegenwart, sorgen für erdrückende Schuldgefühle und suchen sich ein Ventil in einer verzweifelten Selbstaufopferung. Der Hauptkonflikt besteht dabei zwischen der jüngeren und der älteren Generation. Wie die jüngere überhaupt aus der älteren hervorgehen konnte, die arbeitsam, gutmütig und hilfsbereit, während sie selbstsüchtig, empathielos und unsolidarisch ist, ist kaum nachvollziehbar.

Und das ist eigentlich auch ein wichtiges Stichwort, wenn es um die Beschreibung des Films von Guédiguian an sich geht. Überspitzt und unglaubwürdig wirkt die Fülle der Hiobsbotschaften und die Verkettung der Ereignisse, die der Regisseur versammelt hat. Das Maß ist spätestens dann voll, wenn suggeriert wird, dass Mathilda ebenfalls in Bälde angesichts ihrer finanziellen Situation nur die Prostitution bleiben werde, wie vor über zwanzig Jahren ihrer Mutter Sylvie, als diese mit Säugling Mathilda alleine dastand, weil damals Daniel ins Gefängnis ging.

In der Regel ist es eine Stärke, wenn ein Film dicht an Motiven ist, hier allerdings ist er davon überfrachtet. Den Figuren fehlt Raum zur Entfaltung. Das Zusammenspiel des Quintetts, das aus Schauspielern besteht, die schon seit längerer Zeit mit Guédiguian zusammenarbeitet, wirkt mechanisch, was nicht an den Darstellern, sondern vielmehr am Korsett liegt, das ihnen das Drehbuch anlegt. Die Dialoge sind abwechselnd äußerst banal und äußerst pathosgeladen – was von der untermalenden Musik mitgetragen wird. An manchen Stellen entwickeln sie einen fast unfreiwilligen Humor, der den artifiziellen Charakter der Rollen bestätigt. Entspricht diese Anlage der Rollen etwa der Intention des Regisseurs, der damit aufzeigen will, wie fortgeschritten die „Entmenschlichung“ der von ihm dargestellten Gesellschaft ist, in der nur Eines zu Ruhm und Ehre führt, das Geld?

Gloria Mundi - Rückkehr nach Marseille (2019)

Zur bevorstehenden Geburt der kleinen Gloria versammelt sich eine Familie in Marseille, doch es liegen dunkle Wolken über ihnen, denn die Zeiten sind hart — bis Glorias ehrgeiziger Onkel einen Plan verkündet, der der Misere ein für alle Mal ein Ende bereiten könnte.

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