Für den unbekannten Hund

Eine Filmkritik von Katrin Knauth

Die Herausforderungen der „Tippelei“

Acht Jahre sind seit ihrem kontroversen, erfolgreichen Regiedebüt Oi! Warning, einem Spielfilm über die Freundschaft zwischen einem Skinhead und einem Punk, vergangen. Jetzt kehren die Zwillingsbrüder Dominik und Benjamin Reding mit ihrem neuen Film Für den unbekannten Hund auf die große Leinwand zurück und wollen erneut ein gesellschaftliches Tabu-Thema ansprechen: Gewaltausbrüche ostdeutscher Jugendlicher.
Eigentlich kein neues Thema im aktuellen deutschen Film. Der Alltag junger Leute, und das übrigens nicht nur im Osten, scheint geradezu durchsetzt zu sein mit Gewalt, Drogen und sozialen Konflikten. Preußisch Gangstar von Irma Stelmach und Bartosz Werner, Osdorf von Maja Classen, aber auch Prinzessin von Birgit Grosskopf führen uns das aktuell vor vor Augen. Während diese Filme eine Bestandsaufnahme des von Trostlosigkeit geprägten Alltags darstellen, beschäftigte sich Andres Veiel mit Der Kick (2006) vielmehr mit den Umständen und dem Warum eines bestialischen Teenager-Mordes. Den Reding-Brüdern geht es jedoch weder um die Umstände, noch das Vorher oder das Warum, sondern um das Nachher, um die Schuld und Sühne, die nach einem Verbrechen einsetzt. Was geschieht also „danach“?

Der Film findet dafür eine unerwartete, überraschende Lösung: Nachdem der junge Betonbauer Bastian (Lukas Steltner) kaltblütig einen Penner totgeschlagen hat, trifft er auf eine Gruppe reisender Handwerksgesellen auf ihrer traditionellen Wanderschaft. Er schließt sich der Gruppe für sechs Wochen an. Wanderschaft statt Knast, Erziehungsheim oder Psychiatrie. Bastian macht die Grenzerfahrung seines Lebens mit den Jungs auf der Straße, ganz auf sich allein gestellt, ohne Geld, ohne Freunde, ohne Bleibe, ohne Sicherheit – und bekennt sich somit zu seiner schrecklichen Tat. Das Verbrechen und die Charakterisierung der Figur Bastian steht nur am Anfang des Films, die meiste Zeit geht es um die Wanderschaft, das Milieu der Gesellen, die Regeln, Sitten und Bräuche, die Herausforderungen der „Tippelei“.

Bastian, dessen Welt sich normalerweise um Handy, Playstation und Internet dreht, erlebt bei den Jungs mit den wunderlichen Riesen-Hüten und schwarzen Breitcord-Klamotten das volle Kontrastprogramm. Seine wichtigste Bezugsperson ist der Steinmetzgeselle Festus (Sascha Reimann, auch bekannt als rappendes „Reimemonster“ Ferris MC), der Bastian anfangs aus der Klemme hilft und alles zeigt, worauf es bei dem Leben auf der Straße ankommt.

„Wir wollten einen Film machen, in dem wir keine Schauspieler sehen, sondern einen Steinmetz auf Wanderschaft, einen Betonbauergesellen, eine Bikerin. Menschen, denen wir in den 107 Filmminuten glauben wollen, das zu sein, was sie da vorgeben. Auch mit dem Mut zur Hässlichkeit.“, sagen die Regisseure über ihren Film und sprechen damit das Casting der Rollen an, die sie fast ausschließlich mit Laiendarstellern besetzt haben. Nur wenige hatten vorher Schauspielerfahrung, was dem Film leider auch nicht zugute kommt. Gerade weil sie keine Erfahrung haben, wirken die Dialoge häufig sehr aufgesetzt und theatralisch. Man merkt es ihnen an, dass sie letztendlich nicht sich selbst spielen mussten wie die Laien in Karger von Elke Hauck oder Sehnsucht von Valeska Griesbach, sondern sich in eine gänzlich neue Rolle hineinzufinden hatten. Festus nimmt man zwar den Steinmetz in seiner ganzen körperlichen Haltung ab, aber wie er spricht, das wirkt stellenweise arg aufgesetzt.

Wer wenig über die Wanderschaft der Gesellen weiß und sich dafür interessiert, ist in diesem Film gut aufgehoben. Rund 500-600 deutsche, österreichische und Schweizer Gesellen und Gesellinnen sind 2007 auf Wanderschaft. So wenig, dass sie „untergehen“ und uns Städter meist gänzlich verborgen bleiben. Das ist schon mal ein Grund, sich diese „Exoten“ im Kino anzusehen.

Für den unbekannten Hund wurde von der Filmbewertungsstelle Wiesbaden (FBW) mit dem Prädikat „besonders wertvoll“ ausgezeichnet.

Für den unbekannten Hund

Acht Jahre sind seit ihrem kontroversen, erfolgreichen Regiedebüt Oi! Warning, einem Spielfilm über die Freundschaft zwischen einem Skinhead und einem Punk, vergangen.
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