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Als der Pädagoge Hannes Fuchs eine neue Stelle als Lehrer in einem Gefängnis antritt, betritt er eine Welt, die ihren ganz eigenen Gesetzmäßigkeiten folgt. Und seine Vorgängerin denkt nicht im Traum daran, ihre Position dort so ohne weiteres aufzugeben. Das ist aber längst nicht das einzige Problem.

Fuchs im Bau (2020)

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

Hinter Gefängnismauern

Womöglich hatte sich Hannes Fuchs (Aleksandar Petrović) die neue Stelle als Lehrer in einer Jugendstrafanstalt in Wien anders vorgestellt. Gesagt worden war ihm, dass er die bisherige, recht eigenwillige Lehrerin Elisabeth Berger (herausragend wie immer: Maria Hofstätter) ablösen soll. Doch die macht recht wenig Anstalten, den Platz so ohne Weiteres zu räumen und stellt den Neuen ihrer Klasse gegenüber erstmal als ihren Assistenten vor, lässt ihn Kaffee für alle holen und sagt zu ihren Schülern, als sie einmal kurz die Klasse verlassen muss, man möge doch bitte auf den Fuchs aufpassen, solange sie weg sei.

Überhaupt ist Berger eine Frau mit sehr eigenen Vorstellungen: schnoddrig und abgebrüht auf der einen Seite, dann wieder mit merkwürdig esoterischen Ideen, wie ihren renitenten Schützlingen beizukommen sei. Und zuletzt im beständigen Kampf gegen die Gefängnisleitung, die den Unterricht als allenfalls notwendiges Übel begreift.

Und so sind die ersten Tage für Hannes Fuchs eine einzige Qual – bis er schließlich eine Aufgabe findet, die ihn fortan nicht mehr loslässt. Als es durch sein Verschulden zu einer Prügelei in der Klasse kommt, erregt die daran beteiligte, in sich gekehrte und überaus (auto)aggressive  Schülerin Samira (Luna Jordan) seine Aufmerksamkeit. Mehr und mehr beschäftigt er sich mit ihr und dem, was sie dazu brachte, ihren Vater ins Koma zu prügeln. Und das Trauma, das sich hinter ihr verbirgt, rührt zugleich an Erschütterungen, die sein eigenes Leben aus der Bahn geworfen haben.

Arman T. Riahi ist kein Unbekannter beim Filmfestival Max Ophüls Preis, wo Fuchs im Bau seine Premiere feierte und mit insgesamt vier Preisen ausgezeichnet wurde – unter anderem jenem für die beste Regie. 2018 hatte er mit seiner Culture-Clash-Komödie Die Migrantigen dort bereits den Publikumspreis gewinnen können. Fuchs im Bau freilich ist aus einem ganz anderen Holz geschnitzt. Selbst einige Lacher, die vor allem perfekten Onelinern von Maria Hofstätter zu verdanken sind, können nicht darüber hinwegtäuschen, dass Riahis neuer Film ein in überwiegend düsteren Farben grundiertes Drama ist, das zudem fast durchgängig als Kammerspiel angelegt ist. Dadurch verstärkt der Film die Wirkung des Eingesperrtseins. Dass dies wiederum mit der Zeit eines pandemiebedingten Lockdowns zusammenfällt, schmälert die Wirkung des Films sicherlich nicht.

Dennoch eint Fuchs im Bau und Die Migrantigen mehr, als es auf den ersten Blick erscheint: Beide Filme haben ihren Ausgangspunkt in Riahis Recherchen zu seinem Regiedebüt, dem Dokumentarfim Schwarzkopf, bei dem es um Jugendliche in Wien geht, die mit dem Gesetz in Konflikt geraten waren und deshalb im Knast saßen, wie er in einem Interview mit dem Deutschlandfunk bekannte. Diese, so Riahi weiter, seien zwar auf dem Papier Österreicher, würden sich selbst aber nicht als solche sehen – und auch nicht gesehen werden. Und dies ist eine Haltung, die man sowohl in Die Migrantigen wie auch bei den jugendlichen Inhaftierten in Fuchs im Bau immer wieder spürt.

Was Fuchs im Bau noch unterscheidet von dem Vorgängerfilm, ist das Grundgefühl der Perspektivlosigkeit. Hatten diese Jugendlichen überhaupt jemals eine Chance? Und haben sie eine Zukunft? Oder ist ihr Weg nicht vielmehr vorgezeichnet? All das verhandelt Arman T. Riahi mit großer emotionaler Wucht und viel Sympathie für seine widerspenstigen Figuren, die niemals nur reine Sympathieträger sind, sondern vielfach gebrochene Menschen. Die in einer nach Eindeutigkeit strebenden Welt auf der Suche sind nach Widersprüchlichkeiten und Schattierungen – und nach der Freiheit, diese auch leben zu können. Am deutlichsten wird dies in der Figur Samiras und deren Zerrissenheit zwischen den Geschlechterrollen. In der Welt des Knastes, aber auch in der Welt außerhalb der Mauern, steht sie für die Zwischentöne, die Zwischenwelten, die sowohl innerhalb der Gesellschaft als auch im Gefängnis als deren Brennspiegel immer wieder aufs Neue erkämpft werden müssen.

Dies allerdings ist nur eine von vielen Facetten, die Fuchs im Bau auffächert und anstößt. Und je häufiger man sich diesen Film anschaut und je mehr man sich damit beschäftigt, desto mehr davon entdeckt man darin. Nicht allein deshalb ist Fuchs im Bau ein präzise gespieltes und inszeniertes, blitzgescheites, ebenso bitteres wie hoffnungsvolles Drama voller emotionaler Wucht, das lange haften bleibt. Und am Ende steht ein Versprechen, das gerade jetzt in dieser seltsamen Zeit gar nicht genug betont werden kann: jenes der Freiheit.

Fuchs im Bau (2020)

Hannes Fuchs fängt an einer Wiener Gefängnisschule an, wo er mit der eigenwilligen Pädagogin Elisabeth Berger zusammenarbeitet. Berger verdient sich mit ihren unkonventionellen Lehrmethoden zwar den Respekt der Häftlinge, bringt aber zugleich die Gefängnisleitung gegen sich auf. Als es in Fuchs’ Unterricht zu einer Prügelei kommt und die verschlossene Samira daraufhin in Isolationshaft gesteckt wird, plagen den Lehrer Schuldgefühle. Er versucht, einen Zugang zu dem Mädchen zu finden, doch dann begeht er einen folgenschweren Fehler.

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