From Beginning to End

Eine Filmkritik von Lena Kettner

Liebe, tief wie das Meer

Glücklich blickt eine Mutter durch das Fenster eines Krankenzimmers auf ihre beiden Söhne. Der jüngere von Beiden weicht seinem Bruder, der kurz zuvor bei einer Prügelei im Schulhof verletzt wurde, nicht von der Seite. Er liebkost ihn und legt sein Ohr an den Bauch des Bruders, als wolle er ihn untersuchen. Eine seltsame Vertrautheit liegt in den zärtlichen Berührungen der beiden Kinder. Ihre Mutter beobachtet gebannt die Szenerie und ist fasziniert und gleichermaßen beunruhigt vom Anblick dieser trauten Zweisamkeit. Denn ihr meisterliches inszeniertes Kunstwerk einer perfekten Familie könnte Risse bekommen.
Sie selbst ist eine wunderschöne Frau, eine erfolgreiche Ärztin und Mitglied der brasilianischen Oberschicht mit zwei ebenso hübschen, wohlerzogenen Kindern und einem attraktiven Mann sowie einem vornehmen Haus mit Swimmingpool und Dienstmädchen. Kein Gast stört jemals die von ihr erschaffene Idylle, denn die Familie zieht es vor, unter sich zu bleiben.

Der brasilianische Regisseur Aluizio Abranches demonstriert in seinem neuen Film From Beginning to End (Do Começo ao Fim, 2009), wie die totale Abhängigkeit zweier Brüder von der als so tief empfundenen Liebe ihrer Mutter in die neue Abhängigkeit einer inzestuösen Beziehung mündet. Als sie noch jung sind, zeigt das brüderliche Verhältnis noch keine Auffälligkeiten. Die Brüder tollen zusammen im Haus umher, streiten sich, raufen miteinander und nerven zuweilen ihre Eltern. Auch ihre Art der Vertrautheit erscheint zunächst noch vollkommen normal, denn innerhalb der Familie zeigt man sich ständig seine gegenseitige Zuneigung durch Umarmungen und zärtliche Gesten. Und doch drückt der sehnsuchtsvolle Blick des jüngeren Tomás, der seinem Bruder Francisco beim Schwimmtraining zusieht, mehr als nur Bewunderung aus. Früh sucht er die Nähe zu Francisco, ist fast keinen Tag getrennt von ihm.

Bei Julietas Tod Jahre später sind ihre Söhne mittlerweile junge Erwachsene. Die makellose Inszenierung der heilen Familie zerbricht schließlich mit einem sexuellen Befreiungsakt der beiden Brüder. Wenn ihre perfekt geformten Körper zu einer Einheit verschmelzen, beflecken Tomás und Francisco damit nicht nur das weiße Sofa im Haus ihrer Eltern, sondern zerstören letztendlich auch symbolisch die Reinheit des Hauses. Selbst in diesem intimen Moment scheint sie ihre Mutter aus den zahlreichen Fotos im Wohnzimmer heraus zu beobachten. „Ich liebe dich, weil du mir gehörst“, flüstert Francisco seinem Bruder ins Ohr. Ihre verbotene Liebe verleiht ihnen keine Flügel, sondern legt ihnen Ketten an, aus denen sie sich nicht befreien können. Denn durch ihre enge Bindung an Julieta haben sie nie gelernt, ein Leben in emotionaler Unabhängigkeit zu führen. Selbst beim gemeinsamen Bad im Meer können sich die Brüder nicht frei bewegen. In den aufbrausenden Wellen der See spiegeln sich ihr Verlangen und ihre Sehnsucht in eindrucksvoller Weise wider. Rafael Cardoso als Tomás und João Gabriel Vasconcellos als Francisco gelingt es, auf feinfühlige Art und Weise die magische Anziehung zwischen ihren Figuren darzustellen, die nicht von homosexuellen Gefühlen herrührt, sondern von dem Verlangen nach der uneingeschränkten Zuneigung eines Menschen.

In Brasilien sorgte Aluizio Abranches Film im vergangenen Jahr für einen Skandal und war lediglich in neun Kinos zu sehen. So provokant ist die Darstellung homosexueller Erotik in anderen Ländern längt schon nicht mehr. Doch der Regisseur reduziert From Beginning to End nicht auf die reine Darstellung eines Tabubruchs, sondern blickt hinter die Fassade einer oberflächlichen Gesellschaftsschicht und entlarvt die subtilen Machtmechanismen des Mikrokosmos Familie, ohne dabei den moralischen Zeigefinger zu erheben. Sein Film ist dabei weder Sozialdrama noch Milieustudie und konzentriert sich so ganz auf die starken Empfindungen der beteiligten Figuren. Júlia Lemmertz als Julieta dominiert nicht nur das Leben ihrer Söhne, sondern bildet auch das Kraftzentrum dieses Films. Ihre Julieta gleicht einem überirdischen Wesen, das in seiner Schönheit und seinem Hang zum Perfektionismus fast erstarrt wirkt. Lemmertz verleiht ihrer Figur eine omnipräsente Aura, die diesen Film auch dann weiter trägt, wenn Julieta längst tot ist.

„Liebe ist nicht Liebe, die ändert, wenn sie Veränderung findet“, zitiert einer der Brüder am Ende des Films einen Vers aus einem Shakespeare-Sonett. Ein unvorhergesehenes Ereignis zwingt Tomás, den Elfenbeinturm seines Elternhauses zu verlassen und sich in die reale Welt hinaus zu wagen. Denn als Profischwimmer bekommt er das Angebot, in Russland für die olympischen Spiele zu trainieren. Sein Bruder bleibt zurück. Krank vor Sehnsucht reist er Tomás schon wenige Zeit später hinterher. Die Kraft ihrer Liebe ist zu stark, um zerstört zu werden. Doch es ist nur eine Frage der Zeit, bis auch diese perfekte Fassade zerbricht.

From Beginning to End

Glücklich blickt eine Mutter durch das Fenster eines Krankenzimmers auf ihre beiden Söhne. Der jüngere von Beiden weicht seinem Bruder, der kurz zuvor bei einer Prügelei im Schulhof verletzt wurde, nicht von der Seite. Er liebkost ihn und legt sein Ohr an den Bauch des Bruders, als wolle er ihn untersuchen.
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Meinungen

j12 · 17.08.2013

Eine Kritik die den Film so ganz und gar nicht trifft.

isabella · 11.08.2013

total am thema verfehlte kritik!

Tino · 27.06.2013

Komisch, im Film werden die Brüder nirgendwo als krank dargestellt, sondern als ein sich innig und bedingungslos liebendes Paar, in ihrer Kritik schon. Ihre Rezension ist signifikant für die Konfrontation verschiedener Weltbilder, in dem Fall das ihrige und das des Regisseurs bzw. anderer Zuschauer.

Vicky · 02.04.2013

da kann ich mich nur anschließen... totaler Mist diese Kritik..von vorne bis hinten

eine leserin · 07.01.2011

so eine verkorkste, am thema vorbei ziehende filmkritik habe ich lange nicht gelesen. einfach nur daneben.