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Fridas Sommer ist das einfühlsame, fast dokumentarische Portrait eines verwaisten Mädchens – und dennoch kein Film von Traurigkeit.

Fridas Sommer (2017)

Eine Filmkritik von Rochus Wolff

Von der Fähigkeit zu trauern

Kein Lächeln ist da auf Fridas Gesicht, während um sie herum das Feuerwerk abbrennt – ein Freudenfest in der Großstadt, der Sommer wird eingeläutet, aber Frida beobachtet und schaut und schweigt.

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Die sechsjährige Frida (Laia Artigas) zieht zu ihrer Tante Marga (Bruna Cusi) und ihrem Onkel Esteve (David Verdaguer) aufs Land, wird mit ihrer kleinen Cousine Anna (Paula Robles) spielen. Aus den Gesprächen um sie herum wird nach und nach klar: Fridas Mutter ist gestorben, der Vater schon länger tot. Die Geschwister der Mutter kümmern sich, Fridas Großmutter macht allen Vorwürfe, es seien falsche Entscheidungen getroffen worden, falsche Lebenswege beschritten.

Die Krankheit, an der die Mutter litt, wird nicht mit Namen genannt und ist doch präsent: Es ist, wie der Originaltitel von Fridas Sommer verrät, der Sommer des Jahres 1993. Als Frida sich ein Knie aufschlägt, gerät die Mutter eines anderen Mädchens in Aufregung: Sie habe Frida doch nicht angefasst? Weltweit war Anfang der 1990er Jahre die Angst vor AIDS, vor möglicher Ansteckung riesig. Aber man täusche sich nicht. Auch wenn Autorin und Regisseurin Carla Simón Pipó in ihrem Debütfilm einen Teil ihrer eigenen Lebensgeschichte verarbeitet hat – den Tod ihrer HIV-kranken Mutter, der der Film auch gewidmet ist –, so ist der Film doch in diesen Ängsten hochaktuell und in seinem eigentlichen Sujet zeitlos.

Viel mehr als um diese spezielle Krankheit und die Reaktionen der Umwelt darauf geht es Simón Pipó um Frida: Um die Art und Weise, wie dieses verwaiste Kind mit seiner Einsamkeit umgeht, seiner neuen Umgebung, dem neuen Leben. Von der Großstadt ist sie auf einmal aufs Land verpflanzt, das Einzelkind muss plötzlich eine kleine Schwester/Cousine ertragen, die neuen Bezugspersonen sind ihr zwar bekannt, aber doch nicht wirklich vertraut – und umgekehrt gilt das natürlich genauso.

Das Autobiografische ist dem Film dabei kaum anzumerken; es fällt eher auf, wie ruhig, fast dokumentarisch der Blick ist. Neutral, aber dennoch liebevoll. Frida macht in diesem Sommer dumme Sachen, auch gefährlich für sich und andere, vor allem ihre Cousine. Sie lügt und schlägt über die Stränge. Aber Simón Pipó wertet nicht, sie schaut diesem Kind zu, das keine Träne weint und nur wenig lacht, und lässt ihm Zeit. Fridas Sommer, der auf der Berlinale 2017 in der Kinderfilmsektion den Großen Preis der internationalen Jury erhielt (nebst zahlreichen weiteren Auszeichnungen) ist nicht unbedingt ein Film für ungeduldige Kinder, auf jeden Fall aber ein Film über die Kraft und Ausdauer von Kindern … Tränen fließen erst, Trauer gelingt erst, als auch das erste, freie Lachen kam, als Frida angekommen ist.

Gerade wenn man Fridas Sommer mit den anderen Filmen vergleicht, die zuletzt den (drohenden) Verlust der Mutter thematisiert haben – Sieben Minuten nach Mitternacht und I Kill Giants – wählt er den nicht nur weniger zugespitzten, auch im Wortsinn stilleren Weg: Mit viel Schweigen und ohne Musik zeigt Simón Pipó, dass der Tod von Eltern ein Drama ist, dass Familie gemeinsam aushalten muss – und in Liebe aushalten kann.

Fridas Sommer (2017)

Schweigend sieht die sechsjährige Frida zu, wie die letzten Gegenstände aus der Wohnung ihrer verstorbenen Mutter verpackt werden. Zum Abschied laufen Freunde winkend hinter dem Auto her. Obgleich sie von der Familie ihres Onkels liebevoll aufgenommen wird, gewöhnt sich Frida fernab ihrer Heimatstadt Barcelona nur zögerlich an ihr neues Zuhause auf dem Land.

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Meinungen

Robin · 04.08.2018

Liebe Redaktion. Vielen Dank für den Beitrag zu diesem schönen Film der Berlinale, doch leider hat sich bei euch ein Fehler eingeschlichen.

Estiu 1993 lief nicht 2018 auf der Berlinale sondern bereits 2017 im Programm der Generation.
-> https://berlinhimmel.de/berlinalereport-estiu-1993/