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Glenn Close soll als Mutter ihrer Tochter Mila Kunis beim Entzug helfen – zum 15. Mal! Was beginnt wie ein ganz normales Drogen-Drama, bleibt auch eins – und doch baut Regisseur Rodrigo Garcia seinen Film auf Hoffnung auf, ganz ohne falsches Pathos.

Four Good Days (2020)

Eine Filmkritik von Markus Fiedler

Mutter, Tochter, Drogen und das Puzzle des Lebens

Der Anfang ist eindeutig. Während sie noch von Flashbacks benebelt ist, schleppt sich Molly (Mila Kunis) durch die Straßen der Vorstadt, auf Socken, in völlig verdreckten Klamotten. Deutlicher lässt sich kaum zeigen, dass Molly drogensüchtig ist – das harte Zeug, Heroin. Sie klopft an die Tür ihrer Mutter Deb (Glenn Close) und deren zweiten Mann Chris (Stephen Root). Doch Deb hat mittlerweile die Stärke, ihre Tochter abzuweisen und lässt das erbarmungswürdige Häufchen Elend vor dem Haus stehen.

Weil Molly aber unerwartet auch am nächsten Morgen noch da ist, durchgefroren und erledigt, aber von einem deutlich sichtbaren Willen beseelt, es diesmal endlich zu schaffen, lässt sich Deb erneut breitschlagen. Allerdings zu ihren Bedingungen: Molly muss sofort in den Entzug, erst dann will ihre Mutter versuchen, ihr zu helfen. Dort erfahren die beiden von einem neuen Medikament. Es verhindert einen ganzen Monat lang, dass man high wird, egal, was man nimmt. Molly ist einverstanden, diese Therapie zu versuchen, muss aber noch vier lange Tage warten, bis sie die Spritze bekommen kann. Es werden vier harte Tage für Mutter und Tochter.

Der erfahrene Regisseur, Autor und Produzent Rodrigo Garcia, der unter anderem Episoden für Six Feet Under und Die Sopranos drehte, hat Four Good Days nach eigenem Drehbuch inszeniert. Als Vorlage diente ein Sachbuch von Eli Saslow, der eine reale Beziehung zwischen einer Mutter und einer drogensüchtigen Tochter darin beschreibt. An Authentizität fehlt es dem Film also nicht. Ebenso wenig an erwartbaren Klischees. Aber will man einem Film, der nach einem echten Fall gedreht wurde, wirklich vorwerfen, dass er Szenen enthält, in denen sich die Tochter dafür entschuldigt, dass sie ihre Mutter bestohlen hat, um Geld für Drogen zu bekommen? Oder sich zutiefst dafür schämt, sogar den Ehering ihrer Mutter für die Sucht versetzt und es danach vergessen zu haben? Natürlich sind solche Momente bekannte Elemente aus einem Drogen-Drama. Weil sie eben stimmen. Das macht Four Good Days nicht eben originell, aber dafür glaubwürdig. Diese Glaubwürdigkeit hat Garcia allerdings auch zu einem guten Teil seinen beiden Hauptdarstellerinnen zu verdanken.

Glenn Close verkörpert hier mit jeder Faser eine All-American-Housewife aus einfachen Verhältnissen, die genau in dem Moment aus ihrer toxischen Ehe ausbrach, als Molly sie gebraucht hätte. Und sich diesen Moment, in dem sie das eigene Wohl über das ihrer Familie stellte, bis heute nicht verzeihen und mit dieser Schuld andere Menschen in ihrem Leben zutiefst verletzen kann. Und doch traut sie ihrer Tochter in keinem Moment – sie kann es nicht mehr und vielleicht nie wieder. Das Drehbuch gibt ihr dafür mehr Text als Close bräuchte, denn ihr Gesicht erzählt alles, was das Publikum wissen muss.

Für Mila Kunis hingegen hätte Four Good Days wohl der Film werden sollen, der bei Charlize Theron Monster hieß. Abgemagert und beeindruckend gut als Junkie geschminkt, hat diese Optik wenig mit dem Filmstar Mila Kunis zu tun, den ihre Fans kennen, sondern setzt gezielt auf Abschreckung – auf diese Weise war die gebürtige Ukrainerin noch in keinem Film zu sehen. In Sachen Oscar hat der Plan, so es denn einer war, nicht funktioniert (der Film lief bereits 2021 in den USA an und blieb weitgehend unter dem Radar) – im Gegensatz zu Theron gab es für diesen Auftritt keine Preise. Das mag an der insgesamt wenig aufregenden Handlung liegen, Kunis selbst hat sich jedenfalls nicht viel vorzuwerfen.

Denn die Transformation in eine seit mehr als zehn Jahren Süchtige nimmt man ihr nicht nur optisch ab. Auch der ständige Wechsel zwischen Trotz, Reue, Wut und Trauer gelingt Kunis jederzeit. Vor allem der nach außen sichtbare Versuch, tief in ihrem Inneren noch einen letzten Rest Würde und Selbstachtung zu finden, um den Entzug endlich zu schaffen, ist beeindruckend. Im Gegensatz zu Close gibt es bei Kunis allerdings ein paar Szenen, die ihr etwas zu melodramatisch geraten, um wirklich zu berühren. Aber das sind Ausnahmen in einem Film, der für Fans von starken Schauspiel-Leistungen in jedem Fall einen Blick wert ist. Auch wenn die Handlung nur von dem einen Spannungsbogen getrieben wird, ob Molly bis zur Medikamenten-Spritze clean bleiben kann oder nicht. Und sich ansonsten im erwartbaren Rahmen bewegt.

Rodrigo Garcia aber verdient ein Sonderlob dafür, dass die letzte Szene des Films auch die beste ist. Ein Puzzle in der Garage, von dem Molly sagt, sie hätte es schon immer gehasst, ist eigentlich eine eher flache Metapher für ihr Leben, für das sie sich bislang herzlich wenig interessiert hat. Etwa in der Mitte des Films schüttelt Molly immerhin die restlichen Teile aus der Tüte. Im Finale ist es fast fertig – aber eben nur fast. Und was dann passiert, ist ein Moment purer und simpler Kinomagie. Das Ende ist nicht eindeutig. Die Hoffnung bleibt. Genau wie die Angst. Dem Puzzle des Lebens ist das egal. Denn es fehlen immer Teile.

Four Good Days (2020)

Eine Mutter hilft ihrer Tochter bei der Arbeit durch vier entscheidende Tage der Genesung vom Drogenmissbrauch.

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