For Marx

Eine Filmkritik von Björn Helbig

Modemarke Marx

Selten ist der Titel eines Films so direkt an jemanden gerichtet wie im Falle von For Marx der russischen Regisseurin Svetlana Baskova. In dieser Beinahe-Mockomentary über einen Arbeiteraufstand in einer Fabrik wird zweifelsfrei klar, dass der Klassenkampf noch immer aktuell ist. Ob Baskova ihr selbsterklärtes Ziel erreicht hat, mit ihrem Film ein breites Publikum anzusprechen und dabei die Gewerkschaftsbewegung ihres Landes zu unterstützen, lässt sich weniger leicht beantworten. Die Regisseurin beweist aber auf jeden Fall Mut, den Konflikt zwischen sowjetisch sozialisierten Arbeitern und einem wilden russischen Kapitalismus zu thematisieren.
Russland im Jahre 2010: Der Gießerei-Brigadier Sergej Pakhomov tritt einer neuen, unabhängigen Gewerkschaft bei, die sich für die Verbesserung der Zustände in seiner Fabrik einsetzt. Lohnausfälle, Stellenkürzungen, allgemein schlechte Arbeitsbedingungen — so darf es seiner Meinung nach nicht weitergehen. Dem Besitzer der Fabrik, Pavel Sergeevich (Vladimir Epifantsev) ist die Gewerkschaft ein Dorn im Auge, und er lässt kurzerhand deren Anführer ermorden. Pakhomov, der die Tat beobachtet hat, gerät zwischen die Fronten.

Karl Marx, Nationalökonom und Philosoph, der gemeinsam mit Friedrich Engels als einflussreichster Theoretiker des Kommunismus gilt, hat durch sein Denken die Welt, in der wir heute leben, entscheidend mitgeprägt. Die Geschichte hat gezeigt, dass sich seine Theorie nicht ohne Weiteres in die Praxis übersetzen lässt. Baskovas interpretiert die Ereignisse in Russland als Phänomen des modernen Klassenkampfes und schließt damit an Marx‘ Lehre an. Doch während sie einerseits auf einen sehr realitätsnahen Stil bedacht ist — der Film wurde an Originalschauplätzen und teilweise mit Laiendarstellern gedreht — legt sie ihre Figuren doch als Karikaturen an: Die Kapitalisten sind brutale Blutsauger, die auf Kosten ihrer Arbeiter in Saus und Braus leben. Die Arbeiter stellt sie hingegen als freundliche Proletarier dar, die in ihrem Filmklub ästhetische Theorien diskutieren, während der Boss in seinem Büro wütet. Und apropos Ästhetik: Hier sind der Regisseurin wirklich einige außergewöhnliche Aufnahmen gelungen. Die Szenen in der Fabrik sind zum Teil sehr düster, aber unglaublich kraftvoll. Baskova filmt mit distanziertem Blick. Die Unterhaltungen ihrer Figuren wirken vor dem Hintergrund der riesigen Maschinen klein, ja verloren. David gegen Goliath. Doch trotz beeindruckender Momente — dazu gehört auch das schrille Ende – ist For Marx ein insgesamt zähes Stück Kino, das vom Zuschauer etwas Durchhaltevermögen fordert.

Es ist dennoch ein politischer, couragierter Film, der eine Innenansicht der russischen Gesellschaft ermöglicht und zumindest einige Indizien dafür anführt, warum sich das größte Land der Erde seit über 20 Jahren in einem Systemkonflikt befindet. Baskova lotet die Grenzen aus zwischen der in den Köpfen noch existierenden sozialistischen Arbeitskultur und dem realen, entfesselten Kapitalismus, in dem Solidarität ein Fremdwort ist. Karl Marx kann For Marx leider nicht mehr sehen. Dass der Film ein größeres Publikum — vor allem in Russland — erreicht und dazu beiträgt, dass sich durch ihn dort die Arbeitsbedingungen verbessern, hätte auch er ihm aber aller Voraussicht nach bestimmt ebenfalls gewünscht.

For Marx

Selten ist der Titel eines Films so direkt an jemanden gerichtet wie im Falle von „For Marx“ der russischen Regisseurin Svetlana Baskova. In dieser Beinahe-Mockumentary über einen Arbeiteraufstand in einer Fabrik wird zweifelsfrei klar, dass der Klassenkampf noch immer aktuell ist.
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