Football Under Cover

Eine Filmkritik von Peter Gutting

Kopfball mit Kopftuch

Jubelgesänge, Volksfeststimmung – das kennt man aus vielen Stadien. Doch bei diesem Fußballspiel ist alles anders: auf den Rängen und dem Rasen ausschließlich Frauen, die Spielerinnen mit Kopftuch und in langen Hosen. Über das erste Spiel einer deutschen Frauenmannschaft gegen das iranische Nationalteam haben Ayat Najafi und David Assmann einen beeindruckenden Dokumentarfilm gedreht.
Die Geschichte klingt unglaublich, doch sie ist wahr. Im Iran dürfen die Frauen tatsächlich Fußball spielen. Das sehen die Mullahs zwar ungern beziehungsweise gar nicht, denn Männer müssen sowieso draußen bleiben. Doch das Powerplay der Mädchen und jungen Frauen ist so groß, dass sie inzwischen eine eigene Liga erkämpft haben. Kein schlechter Treffer in einem Land, wo das „Kopftuch wichtiger ist als das Spiel“, wenn es nach den grimmig dreinblickenden, ganz in Schwarz gehüllten Sittenwächterinnen geht.

Per Zufall hörte Marlene Assmann von der iranischen Nationalmannschaft, die immer nur trainieren, aber nicht spielen darf, weil die Regierung keine ausländischen Gegnerinnen ins Land lässt. Marlene ist Linksverteidigerin beim BSV AL-Dersimpor in Berlin-Kreuzberg und studiert Montage an der Filmhochschule Konrad Wolf in Potsdam-Babelsberg. Sie hatte gemeinsam mit dem jungen iranischen Regisseur Ayat Najafi eine Idee: warum nicht mal bei den Mullahs nachfragen, ob denn die Dribbelkünstlerinnen aus Kreuzberg ihren Kolleginnen in Teheran vielleicht ein wenig Spielpraxis verschaffen dürften.

Das war ebenso frech wie naiv. Und so schickt uns der Film mit einem abenteuerlichen Steilpass in ein fremdes Land und eine Kultur, die weder aus westlicher noch aus iranischer Sicht so ganz zu durchschauen ist. „Im Iran ist alles unmöglich und im Iran ist alles möglich“, sagt Ayat Najafi, der nicht nur hinter, sondern auch vor der Kamera agiert, nämlich als iranischer Kontaktmann und Organisationshelfer von Marlene. Wie sich die Akteure im Behördendschungel fast verdribbeln, wie sie sich in einer Mauer aus Wadentretern und Tricksern festrennen und wie sie mit offensivfreudigem Hurra trotzdem losstürmen – das lässt uns der Film aus der Innenperspektive miterleben. Er baut damit eine Spannung auf, die fast vergessen lässt, dass es sich um eine Dokumentation handelt. Und dass das alles wirklich passiert ist, von den ersten Reise Marlenes nach Teheran im Jahr 2005 bis zum Anpfiff im April 2006.

Football Under Cover heftet sich an die Stollenschuhe von vier jungen Frauen, zwei Berlinerinnen und zwei Iranerinnen. Er begleitet die Begegnung der überlegt agierenden Marlene mit der rebellisch-emotionalen Narmila, er berichtet von der Fußballleidenschaft der angriffslustigen Susu und der ehrgeizigen Nilofaar. Er erzählt von den komplett verschiedenen Lebensumständen und von den gar nicht so unähnlichen Motiven. Für alle vier ist der Sport ein Ansporn, am Ball zu bleiben, eine Sache durchzuziehen und sich zu behaupten, nicht zuletzt gegenüber den Männern. Fußball ist ein Stück Freiheit, nicht nur für die Iranerinnen.

Und so sehen wir in einer der schönsten Einstellungen, wie Narmila allein in einem kleinen Wald trainiert: Sie umdribbelt die Baumstämme, sie lässt den Ball leichtfüßig gleiten, sie taumelt fast durch das Grün. „Fußball setzt Glückhormone frei“, sagt ihre Berliner Kollegin Susu. Aber er weckt auch den Widerspruchsgeist. Als die iranischen Zuschauerinnen in der Halbzeitpause ihre Mannschaft mit Freudentänzen feiern, wird die Stadionsprecherin wegen der lustvollen und ausgelassenen Stimmung nervös. Sie untersagt das „ungehörige Benehmen“. Die Frauen hören zwar auf zu tanzen, aber nun skandieren sie politische Parolen: vom Grundrecht, ins Stadion zu gehen, und von der Ungleichheit der Geschlechter. Irgendwie ist im Frauenfußball eben doch alles anders.

Football Under Cover

Jubelgesänge, Volksfeststimmung – das kennt man aus vielen Stadien. Doch bei diesem Fußballspiel ist alles anders: auf den Rängen und dem Rasen ausschließlich Frauen, die Spielerinnen mit Kopftuch und in langen Hosen.
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Meinungen

· 14.08.2008

super Film. Alles richtig gemacht.

· 23.04.2008

So müssen Dokumentarfilme sein: informativ und unterhaltsam. Dieser Film ist nicht nur so spannend wie ein Krimi, er ist auch noch so lustig wie eine Komödie. Und ganz nebenbei erfährt man dabei vieles über ein fremdes, faszinierendes Land: Iran. Weder nur fuer Iran-Insider, noch nur für Fußball-Fans geeignet, wobei die natürlich auch alle auf ihre Kosten kommen. Absolut empfehlenswert - eine perfekte Doku!