Fleisch ist mein Gemüse

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

„Der Mensch ist kein Beilagenesser“

„Eine Landjugend mit Musik“, so lautet der Untertitel des „ziemlich autobiographischen“ Romans Fleisch ist mein Gemüse, den Heinz Strunk alias Mathias Halfpape im Jahre 2004 veröffentlichte. Die tragikomischen Erinnerungen an die eigene Jugend in den tiefsten Achtzigern in Hamburg-Harburg trafen offensichtlich einen Nerv und wurden mit mehr als 250.000 verkauften Exemplaren zu einem echten Bestseller – wohl auch begünstigt durch die Prominenz, die Strunk mit seinen Mitstreitern Rocko Schamoni und Jacquers Palminger als Comedy-Truppe „Studio Braun“ erreicht hatte.
Kein Wunder, dass nach einer Hörspielfassung und einem Musical schnell der Gedanke aufkam, eine Verfilmung des Buches in Angriff zu nehmen. Diese Adaption für die Leinwand unter der Regie von Christian Görlitz und unter Mitarbeit von Heinz Strunk, der als Erzähler in die Handlung eingebaut ist, liegt nun vor und führt zurück in eine Zeit, die wir heute meist nur noch durch eine rosarote Brille sehen — eine Form der Nostalgie, der der Film allerdings nicht erliegt.

Eigentlich ist das Leben von Heinz Strunk (Maxim Mehmet) alles andere als komisch: Er ist Mitte Zwanzig, lebt noch daheim bei seiner psychisch kranken Mutter (Susanne Lothar) und hat zudem die nervige und schräge Nachbarin Rosi (Livia S. Reinhard) am Hals, ganz abgesehen von seiner Acne Conglobata, die sein Gesicht in eine zerklüftete Kraterlandschaft verwandelt. Der einzige Lichtblick in diesem tristen Dasein ist sein Engagement bei der Tanzkapelle Tiffanys, die von dem notorischen Spaßvogel „Gurki“ (Andreas Schmidt) angeführt wird. Doch statt dem Glamour der Showbranche und Groupies en masse warten Dorf-Hochzeiten, Schützenfeste und andere Stationen der Vorhölle auf den Musiker, der parallel verzweifelt versucht, als Musikproduzent zumindest ein klein wenig Erfolg zu haben. Auch hier erweist sich der Weg zum Erfolg als steil und steinig. Und zugleich verfällt seine Mutter zusehends.

Abgesehen von einzelnen kleinen Ausrutschern ins Comedy-haft Überzeichnete gelingt es dem Regisseur Christian Görlitz außerordentlich gut, den spröden Charme von Landgasthöfen, Schützenfesten und tristen Einfamilienhäusern am Rande der Stadt einzufangen und damit punktgenau jene Atmosphäre zwischen tiefster Tragik, nackter Verzweiflung und blanker Absurdität abzubilden, die Heinz Strunk in seinem Buch so meisterhaft geschildert hat. Kaum verändert gegenüber der literarischen Vorlage ist Fleisch ist mein Gemüse ein beinahe surreal anmutender Trip in die norddeutschen Subkulturen zwischen Suff, Depression, kleinbürgerlichem Wahnsinn und Vereinsmeierei und schmerzt in manchen Momenten richtiggehend – so nahe glaubt man all das an der Wirklichkeit.

Etwas zwiegespalten ist der Eindruck, den man von Maxim Mehmet in der Hauptrolle hat: Einerseits macht er seine Sache gut, andererseits wirkt er trotz immenser Aknekrater beinahe zu smart und entspricht nicht dem Heinz Strunk, von dem im Buch zu lesen ist. Vielleicht wäre Oliver Bröcker, der den Bandkollegen Norbert gibt, die bessere Wahl gewesen. Andreas Schmidt (Sommer vorm Balkon) ist nach wie vor ein Ereignis vor der Kamera, wenngleich man ihn sich in manchen Szenen etwas zurückhaltender gewünscht hätte. Durchweg gelungen hingegen sind die Frauenrollen, allen voran Susanne Lothar und Livia S. Reinhard.

Ohne allzu viel Tiefgang und intellektuellen Anspruch unterhält Fleisch ist mein Gemüse über 100 Minuten hinweg trotz mancher Holprigkeiten bestens und katapultiert sein Publikum in eine Zeit, aus der wir, so scheint es, gottlob entkommen sind. Denn mal ehrlich: Früher war es auch nicht besser. Das merkt man spätestens dann, wenn man nach diesem Film wieder aus dem Kino kommt.

Fleisch ist mein Gemüse

„Eine Landjugend mit Musik“, so lautet der Untertitel des „ziemlich autobiographischen“ Romans Fleisch ist mein Gemüse, den Heinz Strunk alias Mathias Halfpape im Jahre 2004 veröffentlichte.
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Meinungen

· 27.05.2008

mehr tragisch als komisch; die Dialoge aufgrund mangelhafter Artikulation teilweise nur schwer zu verstehen

Christ el · 22.05.2008

Jeder, der auf dem Dorf aufgewachsen ist, wird bestätigen, dass die hier dargestellten Feste tatsächlich so ablaufen.

christa · 27.04.2008

Der Film ist witzig und hintergründig zugleich. Kann ich nur empfehlen.

· 23.04.2008

Ganz nett, aber auf keinen Fall berauschend.

perter · 18.04.2008

sehr witziger Film, man erkennt sich teilweise wieder