Erlösung (2016)

Eine Filmkritik von Sonja Hartl

Flaschenpost von P

Subtilität war nicht das hervorstechendste Merkmal der vorigen Verfilmungen von Jussi Adler-Olsens Krimireihe um das Sonderdezernat Q. Im ersten Teil Erbarmen haben der arg gebeutelte Kommissar Carl Mørck (Nikolaj Lie Kaas) und sein Kollege Hafez el-Assad (Fares Fares) die Entführung einer Politikerin aufgeklärt, die für tot gehalten, aber jahrelang in einem Tank festgehalten wurde, im zweiten Teil Schändung spürten sie dem menschenverachtenden Treiben ehemaliger Eliteschüler nach. Erzählt wurden diese Geschichten in einem Stil, der zumeist als Nordic Noir bezeichnet wird: düstere, kalte Farben, ein Ermittler, der sich mit eigenen Dämonen, Versäumnissen und bestialischen Fällen auseinandersetzen muss, die meistens auf abgelegenen Gehöften ihren brutalen Höhepunkt finden.

Auch die ersten Bilder und die Handlung von Erlösung scheinen nahtlos an die Vorgänger anzuschließen: Dröhnende Musik noch vor dem ersten Bild lässt erkennen, dass nun etwas Spannendes geschehen wird. Ein frierender Junge sitzt an einem verlassen Ort und schreibt mit kalten, blutverkrusteten Händen auf einem feuchten Papier eine kurze Nachricht, die er hektisch in eine alte Plastikflasche steckt, als er hört, wie eine Metalltür geöffnet wird, und dann die Flasche unter Wasser in einem Zaun verhakt. Die Kamera bleibt nun bei dieser Flasche, die sich von dem Maschendrahtzaun löst und ihren Weg in dem kalten blauen Meer antritt. Auf dem Meeresgrund liegen Leichenteile, dann schwappt die Flasche hoch – und die Kamera verharrt auf der Wasserlinie. Nach einem Schnitt ist ein Schwimmer im Neoprenanzug im Meer zu sehen, er geht an Land, hebt sein Handtuch hoch und entdeckt die Flaschenpost. Es folgt die Titeleinblendung, dann verstummt die Musik mit einem Schlag. Zwei Schreibtische im Sonderdezernat Q sind zu sehen – und an die Stelle der dramatischen Musik tritt Stille sowie ein Dialog zwischen Assad und Rose (Johanne Louise Schmidt). Danach folgen Bilder einer Familie auf dem Land, die eine Kirche besucht und einer Taufe beiwohnt. Um sie wird es gehen in diesem Kriminalfall: Durch die Flaschenpost kommen Mørck und Assad einem Mann auf die Spur, der in den letzten Jahren Geschwisterpaare entführt hat.

Je weiter der Film nun voranschreitet, desto deutlicher wird, dass sich Erlösung zwar in die Reihe einfügt, aber weitaus mehr Raum für Nuancen lässt. Im Gegensatz zu dem schlichten dänischen Titel, übersetzt „Flaschenpost von P“, deuten der deutsche Buch- und nun auch Filmtitel sowie der internationale Titel A Conspiracy of Faith bereits die zentrale Rolle an, die Religion in diesem Fall spielen wird. Das entführte Geschwisterpaar entstammt einer zutiefst religiösen Familie, die einer streng gläubigen Sekte angehört. Jedoch entfaltet sich nun nicht das zu erwartende Muster eines bösen Sektenführers mit leicht verführbaren Opfern, sondern die gläubigen Eltern vertrauen bei der Suche nach ihren Kindern nicht nur auf Gott, sondern auch auf die Polizei. Dadurch spiegelt sich schon in dem Kriminalfall der verschiedene Umgang mit Religion und Glaube wider, zumal der dem Zuschauer früh bekannte Täter ebenfalls einen religiösen Hintergrund hat. Hinzu treten Assads Gläubigkeit und Mørcks Verneinung jeglichen Glaubens, die immer wieder aufeinanderstoßen.

Darüber hinaus setzt Erlösung bei den Schockmomenten weniger auf Folter und bekannten Ekel, sondern auf eine inhärente Grausamkeit: Kein Blut kann mehr Entsetzen verursachen als eine Mordszene, in der eine Schere in einen Körper gestochen und dann langsam auseinandergezogen wird. Hier scheint sich dieser Schnitt fast körperlich auf den Zuschauer zu übertragen.

Insgesamt zeichnet Erlösung ein konzentriertes Vorgehen aus, durch das schon die Handlung des Buches wohltuend zusammengeführt und verdichtet wurde. Hinzu kommt, dass auch Mørck und Assad nicht mehr eingeführt werden, vielmehr vertraut Regisseur Hans Petter Moland darauf, dass entweder die Reihe oder aber das Stereotyp des grüblerischen Kommissars und seines Kollegen ausreichend bekannt ist. Deshalb sorgen ihre Gespräche zwar durchaus für kurze kräftige Lacher, insgesamt ist ihr Verhältnis indes deutlich ernsthafter. Zudem lassen Handkamera und distanzierte, oftmals leicht in den Linien schiefe Einstellungen eine unterkühlte Wahrnehmung entstehen.

Hans Petter Moland führt in Erlösung innerhalb der Reihe erstmals Regie, nachdem die vorigen Teile unter Mikkel Nørgaard entstanden sind. Seine Handschrift ist insbesondere durch die mitunter schroffe Direktheit in der Brutalität und in der Besetzung von Pål Sverre Hagen zu bemerken. Schon in Einer nach dem anderen (Kraftidioten) war Sverre Hagen als exaltiert-überdrehter Gangsterkönig zu sehen, nun ist er abermals als Psychopath besetzt, den er mit ausgesuchter Liebeswürdigkeit stets am Rand zur Karikatur spielt. Aber in dem entscheidenden Moment des Geständnisses ist dann zu erkennen, warum Moland ihn besetzt hat.

Dank des konzentrierten Vorgehens, der guten Besetzung und insbesondere dem im Gegensatz zu dem schwachen zweiten Teil wohltuend entschlackten und konzentrierten Drehbuch (Nikolaj Arcel) ist Erlösung ein stimmiger, düsterer Kriminalfilm – und mit Abstand der bisher beste Teil der Verfilmungsreihe. Daher bleibt zu wünschen, dass Arcel und Moland auch bei dem nächsten Teil wieder mit an Bord sind.
 

Erlösung (2016)

Subtilität war nicht das hervorstechendste Merkmal der vorigen Verfilmungen von Jussi Adler-Olsens Krimireihe um das Sonderdezernat Q. Im ersten Teil „Erbarmen“ haben der arg gebeutelte Kommissar Carl Mørck (Nikolaj Lie Kaas) und sein Kollege Hafez el-Assad (Fares Fares) die Entführung einer Politikerin aufgeklärt, die für tot gehalten, aber jahrelang in einem Tank festgehalten wurde, im zweiten Teil „Schändung“ spürten sie dem menschenverachtenden Treiben ehemaliger Eliteschüler nach.

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Meinungen

Sascha · 20.06.2016

Hart, düster und skandinavisch gut. Keine Sekunde langweilig.
Fand die Verfilmung des dritten Teils - im Gegensatz zu den Vorgängern - sogar spannender und besser als die Buchvorlage.