Entre les bras - 3 Sterne. 2 Generationen. 1 Küche.

Eine Filmkritik von Bianka Piringer

Behutsamer Führungswechsel im Dreisterne-Restaurant

„Es schmeckt besser als erwartet“, sagt der Vater, als er das neue Gericht seines Sohnes probiert. Sébastien Bras hat allen Grund, stolz auf dieses Lob zu sein, denn sein Vater Michel ist Dreisternekoch. Der 64-Jährige übergibt die Führung seines berühmten Restaurants in Laguiole in der südwestfranzösischen Region Aubrac an seinen Sohn, den er schon 15 Jahre lang als Koch beschäftigte. Der französische Dokumentarfilm begleitet Vater und Sohn in der Zeit dieses Übergangs, der allmählich stattfindet, für sein Porträt einer Familie, in der die Tradition hochgehalten wird.
Das Anrichten hat eine besondere Bedeutung in dieser Küche: Für sein berühmtes „Gargouillou“ verteilt Michel Bras auf einem Teller unterschiedlichste Kostproben aus dem Gemüse-, Kräuter- und Blumengarten, von der Bohne bis zum Veilchen. Der Teller sieht nicht nur bildhübsch aus, sondern macht auch neugierig darauf, wie all diese Blüten, Blätter und Früchte in ihrer ungewöhnlichen Zusammenstellung wohl schmecken. Regisseur Paul Lacoste, der Michel Bras schon vor zehn Jahren in seiner TV-Serie L’invention de la cuisine porträtierte, stellt jedoch die Arbeit im Restaurant nicht ins Zentrum seines Films, der dem Kreislauf eines Jahres folgt. Immer wieder sucht die Kamera die weite Landschaft mit den sanften Hügeln, tastet sich versuchsweise ins Privatleben der Porträtierten vor, scheinbar ohne einem festen Plan zu folgen. Lacoste begleitet die Großfamilie auf einem Ausflug an einen Bach, filmt Vater und Sohn beim Joggen und Betrachten des Himmels.

Wie sein Vater wuchs auch Sébastien mit der Landwirtschaft des Großvaters und dem Gasthof der Familie auf. Lacoste lässt die Großeltern über die frühe Leidenschaft des Enkels für die Gastronomie reflektieren und holt auch von Sébastiens Mutter und Ehefrau Statements über die Familienwerte ein. Erben müssen hier offenbar männlich sein: Niemand stellt infrage, dass von Sébastiens zwei Kindern stets nur der kleine Sohn als möglicher Restaurantchef der nächsten Generation betrachtet wird.

Wenn Michel und der 1971 geborene Sébastien zusammen auf den Markt gehen oder sich in der Küche über die Schulter schauen, sind sie oft anderer Meinung. Der Sohn will mit der Tradition des Vaters in der Küche zwar nicht brechen, ihn aber auch nicht bloß kopieren. In mehreren Etappen entwickelt er ein neues Rezept, zu dem ihn die belegten Brote der Kindheit inspirieren. Der kreative Prozess, der mit seinem Aufwand sogar ein wenig an die im Film El Bulli: Cooking in Progress vorgestellte Laborküche Ferran Adriàs erinnert, greift auf, was Sébastiens Mutter und Großmutter dann auch zu Hause vor der Kamera auf althergebrachte Art zubereiten. Mit solchen Gegenüberstellungen demonstriert Lacoste eindrucksvoll die starke regionale Verwurzelung dieser Haute Cuisine.

Im Winter besuchen Vater und Sohn ihr Restaurant in Japan, wo sie sich ebenfalls an der örtlichen Esskultur orientieren. Hier verwendet Sébastien statt selbstgemachter Dickmilch für sein neues Rezept Sojamilch, statt frittiertem Brot Reisteig. Wenn der Vater mal ein Arrangement mit den Worten „ich verstehe es nicht“ kommentiert, klingt das wie die Erwartung, das Esserlebnis müsse eine Botschaft enthalten, als wäre es eine Geschichte. Auch das moderne Restaurantgebäude in Laguiole, das sich kantig wie ein architektonisch ehrgeiziger Kongresssaal über der lieblichen Landschaft erhebt, steht für die Verknüpfung von Tradition und Neuinterpretation bei Michel Bras und Sohn. Denn es wirkt mit seiner Glasfront wie ein auf die Wiesen der Heimat ausgerichteter Zuschauerraum.

Entre les bras - 3 Sterne. 2 Generationen. 1 Küche.

„Es schmeckt besser als erwartet“, sagt der Vater, als er das neue Gericht seines Sohnes probiert. Sébastien Bras hat allen Grund, stolz auf dieses Lob zu sein, denn sein Vater Michel ist Dreisternekoch. Der 64-Jährige übergibt die Führung seines berühmten Restaurants in Laguiole in der südwestfranzösischen Region Aubrac an seinen Sohn, den er schon 15 Jahre lang als Koch beschäftigte.
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