Endlich

Eine Filmkritik von Lida Bach

Die letzten Dinge

„Das hier ist Endstation.“ Das Leben ist zu seinem Schlusspunkt gelangt und der Mensch an das Ende seines Weges. Nun kommt nichts mehr. Die letzte Reise, welche die Sterbenden aus dem Hospiz führt, werden sie nicht mehr selbst antreten. Andere werden sie machen, mit dem, was von ihnen zurückbleibt. Stimmen aus dem Grab wenden sich an den Zuschauer in den ersten Momenten von Endlich, von einer Gruppe Darsteller intoniert, gleich dem Chor im griechischen Theater. Katja Dringenbergs und Christiane Voss´ Reportage ist ein dokumentarisches Nachsinnen über die Vergänglichkeit von Körper und Geist, das mit ruhigem Blick jene Stätten aufsucht, an denen sich die menschliche Existenz zeigt, wie es der Titel anklingen lässt: als flüchtig, als vergänglich. Endlich eben.
Der filmische Besuch im Garten des Todes macht nicht Halt vor dem gesellschaftlichen Tabu, das sich in der weitgehend enttabuisierten westlichen Gesellschaft immer noch um das Sterben rankt. Ohne falsche Scheu und dennoch stets pietätvoll und unaufdringlich beobachtet die Kamera Bestatter, eine Trauerrednerin und die unterschiedlichen Arbeiter der Beisetzung bei einem Berufsalltag, der niemals ganz dem eines gewöhnlichen Jobs entspricht. Was ihn hervorhebt, ist ein noch immer spürbarer Skeptizismus gegenüber der Tätigkeit in der Sterbeindustrie, deren karitative Aspekte und Bedeutung für die Trauerbewältigung ebenso Eingang in die Handlung finden wie ihr organisatorischer und psychologischer Anspruch.

Die Kunden von Volkan Coskun haben alle Zeit der Welt. Er selbst hat nur einen einzigen Versuch, bei dem alles klappen muss. Denn wiederholen lässt sich der besondere Anlass, wegen dem seine Klienten zu ihm kommen, nicht. „Heiraten können sie fünfmal“, sagt einer seiner Berufskollegen. „Aber es gibt nur eine Beerdigung.“ Der würdige Ablauf einer solchen muss sorgsam eingeübt werden, wie es der einzige Lernfriedhof Europas in Münnerstadt angehenden Bestattern ermöglicht.

Den Umgang mit der emotionalen Belastung der Aufgabe muss jeder von ihnen für sich selbst erlernen. Das Miterleben von Verlust, Schmerz und Vergessen, wie es der Toten widerfahren scheint, deren Beerdigung nur Grabrednerin und eine Betreuerin der Verstorbenen beiwohnen, während die filmische Dokumentation des Ereignisses ihm durch die cineastische Dimension eine weite Besucherzahl schenkt, lässt sich nicht verhindern. „Man hat die Bilder, muss verarbeiten.“ Für die professionell Einbezogenen gilt dies ebenso wie für die Hinterbliebenen, deren Trauerarbeit Endlich im Rahmen von Familienaufstellungen zeigt. Der Unfall. Der Todesfall. Der Normalfall. Der Abfall. Der Testfall. Der Zweifelsfall. Der Sonderfall. Der Trauerfall. Jedes der Filmkapitel verweist auf einen anderen Aspekt des Sterbens und der Vorgänge, die der Gesellschaft den Umgang mit ihm ermöglichen.

Und danach? Alle Seelen würden bei der Auferstehung geweckt, sagt die evangelische Pfarrerin, die das Konzept einer Hölle als kaum noch präsent sieht. Anders der Vorsitzende deutschsprachiger Muslime, der die infernalischen Feuer dennoch nicht fürchtet: Immer nur schön warm und die ewige Glückseligkeit – das würde irgendwann langweilig. Der Rabbi beschreibt einen stufenweisen Aufstieg in den höchsten Himmel, der Buddhist einen Übergang der Energie in die Natur. Die Worte der vier Geistlichen bleiben machtlose irdische Glaubenslichter gegen die gähnende Dunkelheit am Ende des Daseins.

Und davor? Der Chor zitiert die Furcht, die Verbitterung und den Zorn von Sterbenden: „Es fühlt sich an als wenn ein böses Tier meinen Körper auffrisst“, „Einem Hund gibt man die Spritze, wenn er nicht zu heilen ist. Aber einen Menschen lässt man zappeln“, „Kein Mensch kann so leben, immer den Tod vor Augen“. Dennoch tun es alle, ob sie nun regelmäßig mit dem Tod in Berührung kommen wie die Protagonisten dieses Films, selten wie die meisten Menschen oder nur einmal, wenn er sie holt. Die Erkenntnis der Dokumentation ist ebenso schlicht wie bedeutsam. Der Sterbevorgang verliert an Schrecken, je offener man ihm begegnet. Auf anrührende, doch niemals trübsinnige Weise trägt Endlich dazu bei.

Endlich

„Das hier ist Endstation.“ Das Leben ist zu seinem Schlusspunkt gelangt und der Mensch an das Ende seines Weges. Nun kommt nichts mehr. Die letzte Reise, welche die Sterbenden aus dem Hospiz führt, werden sie nicht mehr selbst antreten. Andere werden sie machen, mit dem, was von ihnen zurückbleibt. Stimmen aus dem Grab wenden sich an den Zuschauer in den ersten Momenten von „Endlich“, von einer Gruppe Darsteller intoniert, gleich dem Chor im griechischen Theater.
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