El Club

Eine Filmkritik von Verena Schmöller

Das Haus am Ende der Welt

Nach seiner Trilogie über die chilenische Diktatur und zuletzt dem Erfolg ¡No! (2012) widmet sich der chilenische Regisseur Pablo Larraín mit El Club nun einem anderen, aber nicht weniger kontroversen Thema: der Kirche und den Verfehlungen so mancher ihrer Vertreter. Larraín kehrt dem Handlungsort Santiago de Chile den Rücken und betrachtet, was sich fernab von der Hauptstadt, in einem abgelegenen Küstenort ereignet. Er erzählt von der Läuterung seiner Figuren am Rande der Zivilisation; der Suche nach und die Aufarbeitung der Vergangenheit werden im chilenischen Film gerne in die Provinz verlegt.
Und es ist ein Ort am Ende der Welt, an dem die vier ehemaligen Priester (Larraíns Dauer-Darsteller Alfredo Castro, Alejandro Goic, Alejandro Sieveking und Jaime Vadell) und eine Ordensschwester (Antonia Zegers) in einem Haus untergebracht wurden, um ihren Lebensabend jenseits der Zivilisation zu verbringen. Sie haben sich ihren Alltag zurechtgelegt und in Hunderennen eine Freizeitbeschäftigung gefunden. Durch die Ankunft eines weiteren Priesters gerät ihr beschauliches Leben aus den Fugen und entwickelt eine gewaltvolle Dramatik.

Unmittelbar nachdem Priester Matías in das Haus eingezogen ist, steht ein Mann vor der Tür, Sandokan (Roberto Farías), der lautstark den sexuellen Missbrauch durch den Kirchenmann beklagt. Seine Mitbewohner sind schockiert und halten ihn an, den Fremden mit einer Pistole zu verscheuchen. Dann fällt ein Schuss und Padre Matías ist tot. Die Kirche schickt einen Ermittler, den Jesuiten García (Marcelo Alonso), doch der untersucht nicht nur die jüngsten Ereignisse, sondern will tiefer graben.

Und alle Hausinsassen haben ihr Päckchen Schuld zu tragen, halten sich jedoch weitestgehend für unschuldig. Sie bereuen nicht, das wird in den Gesprächen deutlich, die García mit ihnen führt (und die Larraín in sorgfältig gefilmten Einzelporträts präsentiert). García, der sich die Erneuerung der Kirche zur Aufgabe gemacht hat, will aber genau das. Dass das Haus nicht ein Altenheim für herausgeworfene Kirchenmänner wird, sondern dass die Verbrecher Buße tun. Er verbietet ihnen den Alkohol und droht damit, ihnen den Hund wegzunehmen.

Was er jedoch nicht ahnt, ist, dass das Fünfergespann ihm einen Selbstmord vorenthält. Als García davon erfährt, überschlagen sich die Ereignisse, und auch García wird zum Schuldigen — denn, was er nicht will, ist, dass die Kirche von den Medien durch den Schmutz gezogen wird. Schmutz und Sünde auf der einen, Reinheit und Unschuld auf der anderen Seite, sie bilden die Dichotomie des Films. Zwischen diesen beiden Polen schwanken die Figuren in ihrer Beziehung untereinander, und ein solches Verhältnis hat auch der missbrauchte Sandokan zum ehemaligen Ziehvater Matías: Er verehrt ihn und er verteufelt ihn dafür, was er ihm angetan hat.

Der Film beginnt mit einem Zitat aus dem Buch Genesis: „Und Gott sah, dass das Licht gut war. Da schied Gott das Licht von der Finsternis.“ Im Film allerdings geht es gerade nicht um das Licht, das Gute, sondern um all das Schlechte, das dem Menschen inne wohnt. Wohl auch deshalb ist die Lichtgestaltung des Films fast durchgehend dunkel und düster gehalten. In La Boca, wo sich die Priester aufhalten, scheint offensichtlich nie die Sonne, die dunklen Wolken vermitteln etwas von der Gefahr, die auf die sündig gewordenen Kirchenmänner lauert. Auch die Filmmusik lässt einen die fortwährende Bedrohung spüren. Sie ist sakral, aber in einer unkonventionellen Weise, die eine einzigartige Stimmung erzeugt.

Mit El Club präsentiert Larraín ein kraftvolles Kammerspiel. Die Kamera konzentriert sich auf die (wunderbar gespielten) Regungen seiner armen Figuren, die einmal die Welt verändern wollten und dann irgendwie schuldig wurden. Sie sind gefangen in diesem Haus an der Küste, mehr aber noch in sich selbst. Darüber hinaus erzählt der Film eindrücklich von einer viel größeren Schuld, derjenigen der Institution der Kirche. Die Widersprüchlichkeiten, mit denen der Katholizismus in El Club gezeichnet wird, ereignen sich im Kleinen, manifestieren sich jedoch im Großen, im System — durch das Verschleiern, Verhüllen, Verschweigen. El Club ist ein Film, der fesselt und bedrückt und eben nicht schweigt.

El Club

Nach seiner Trilogie über die chilenische Diktatur und zuletzt dem Erfolg „¡No!“ (2012) widmet sich der chilenische Regisseur Pablo Larraín mit „El Club“ nun einem anderen, aber nicht weniger kontroversen Thema: der Kirche und den Verfehlungen so mancher ihrer Vertreter. Larraín kehrt dem Handlungsort Santiago de Chile den Rücken und betrachtet, was sich fernab von der Hauptstadt, in einem abgelegenen Küstenort ereignet.
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