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In ihrer neuen Regiearbeit „Einfach mal was Schönes“ entwirft Karoline Herfurth einen stimmig gezeichneten Familienkosmos mit wunderbar komplexen Figuren.

Einfach mal was Schönes (2022)

Eine Filmkritik von Andreas Köhnemann

Darauf warten, dass das Leben anfängt

Die 1984 geborene Karoline Herfurth hat in zahlreichen Filmen bewiesen, dass sie eine großartige Schauspielerin ist – etwa in Caroline Links „Im Winter ein Jahr“ (2008) oder in Ralf Huettners „Vincent will Meer“ (2010). Mit der romantischen Tragikomödie „SMS für dich“ gab sie 2016 ihr Regiedebüt; drei Jahre später folgte das Roadmovie „Sweethearts“ und 2022 schließlich der Ensemblefilm „Wunderschön“. Bei all diesen Werken, an deren Drehbüchern sie auch immer beteiligt war, fand Herfurth jeweils einen ganz eigenen, originellen Zugang.

So ließ SMS für dich die Leidenschaft für US-RomComs wie Schlaflos in Seattle (1993) oder e-m@il für Dich (1998) erkennen, war dabei jedoch mehr als eine Kopie dieser Vorbilder: Der Handlungsort Berlin wurde zu einer märchenhaften, aber nicht austauschbaren Kulisse, in der die lokalen Besonderheiten der deutschen Hauptstadt stimmig in die kitschfrei geschilderte Liebesgeschichte eingearbeitet wurden. Sweethearts stand wiederum in seinem Tempo und in seiner Ästhetik in der Tradition des humorvollen Action-, Abenteuer- und Heist-Films – und demonstrierte, dass Figuren auch in einem recht überdrehten Szenario dreidimensionale Charaktere sein können. Und in Wunderschön gelang es Herfurth als Co-Autorin und Regisseurin, die episodische Erzählform zu nutzen, um sich breit gefächert, mit diversen dramaturgischen und audiovisuellen Verknüpfungen dem Thema Body Positivity und der Infragestellung alter Geschlechterrollen und Beziehungsmodelle zu widmen.

Herfurths neues Werk Einfach mal was Schönes setzt diese Linie im bestmöglichen Sinne fort. Das Skript, das Herfurth gemeinsam mit Monika Fäßler verfasst hat, erschafft Figuren voller Widersprüche, Schwächen und Wunden, die in den pointiert und doch glaubhaft geschriebenen Dialogen und in der durchdachten Inszenierung sowohl durch Eigen- als auch durch Fremdkommentare treffend eingefangen werden: Die (Körper-)Sprache dieser Menschen, an deren Leben wir hier für knapp zwei Stunden teilhaben, erzählt uns so viel über deren Alltag und Befinden, über die Beziehungen zwischen ihnen und die unzähligen kleinen und großen Verletzungen, die sie einander schon zugefügt haben.

Wieder einmal findet Herfurth für ihren Film zudem ein individuelles optisches Konzept, das unter anderem in der Kleidung der Figuren und in der Einrichtung der Wohnungen und Häuser sichtbar wird. Eine türkisfarbene Couch ist nicht einfach nur eine türkisfarbene Couch, ein Jogginganzug in Pastelltönen nicht einfach nur ein Jogginganzug in Pastelltönen. Alles ist Teil einer charmant und zugleich tiefgründig ausgemalten Welt, die irgendwo zwischen modernen filmischen und seriellen Familienporträts wie Leben und lieben in L.A. (1998) oder This Is Us (2016-2022) ihren Platz einnimmt und bei aller nötigen Zuspitzung absolut organisch anmutet.

Im Zentrum dieses Kosmos steht die 39-jährige Karla (mit Hingabe verkörpert von Herfurth selbst), die eine nächtliche Radiosendung moderiert und bisher einfach kein Glück mit Beziehungen hatte. Ihr letzter fester Freund ist vor einigen Jahren ausgezogen, seither war jedes Date eine mittelschwere Katastrophe, wie es eine Zusammenfassung ihrer besten Freundin und Produzentin Senay (Jasmin Shakeri) veranschaulicht. Da sich Karla ein Kind wünscht, setzt sie sich mit den Möglichkeiten von Co-Elternschaft und künstlicher Befruchtung auseinander. Während ihr Vater (Herbert Knaup) gerade eine neue, jüngere Frau (Kathrin Angerer) geheiratet und ihre Mutter (Ulrike Kriener) stark alkoholisiert die Feier gecrasht hat, sind ihre Schwestern Jule (Nora Tschirner) und Johanna (Milena Tscharntke) mit völlig anderen Sorgen beschäftigt. Als Karla den nicht einmal 30-jährigen Ole (Aaron Altaras) kennenlernt, scheint der sympathische Krankenpfleger so gar nicht in ihren Zukunftsplan zu passen.

Sämtliche Figuren in Einfach mal was Schönes hätten eigentlich ihren eigenen Film verdient – mit so viel Sorgfalt auf Drehbuch-, Regie- und Schauspielebene werden sie uns präsentiert, dass wir gerne noch mehr von ihnen sehen würden. Dennoch schafft es Herfurth, ihnen allen auch auf diesem Wege gerecht zu werden. Die Schwestern Karla, Jule und Johanna stehen sich nicht so nahe, wie sie es sich selbst vermutlich wünschen würden und wie es uns in Kuschelunterhaltung in Wort und Bild oft unrealistisch vorgelebt wird. Und doch zeigt sich die Bindung des Trios in entscheidenden Momenten. Auch die unterschiedlichen Eltern-Kind-Verhältnisse werden komplex interpretiert, zwischen Entfremdung, Co-Abhängigkeit und Enttäuschung. Nichts ist hier einfach, niemand ist der oder die Gute beziehungsweise Böse.

Und dann sind da noch die aufkeimenden Gefühle zwischen Karla und Ole. Kino- und Konzert-Dates, gemeinsame Nächte, die mal mit Snacks und mal mit Sex enden. Reicht das denn schon für ein Happy End? Nein, so simpel ist es nicht. Das will uns dieser Film überhaupt nicht vorlügen. „Seit einem Jahrzehnt warte ich darauf, dass das Leben anfängt“, klagt Karla an einer Stelle. Am Ende von Einfach mal was Schönes ist nicht alles happy, schon gar nicht ever after. Aber das Leben hat einen (neuen) Anfang genommen – ohne rasche Ausflüchte, ohne falsche Kompromisse. Und es ist für uns als Publikum unfassbar toll, dabei zu sein.

Einfach mal was Schönes (2022)

Als sich Karla entscheidet, alleine ein Kind zu bekommen, gerät ihre eh schon chaotische Beziehung zu ihrer Familie weiter ins Wanken. Ausgerechnet jetzt verliebt sie sich auch noch in den viel zu jungen Ole und ganz plötzlich ist da eine neue, ziemlich große Baustelle in Karlas Leben… Was tun? Weiter warten auf das ersehnte Familienidyll oder neue Träume wagen?

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Meinungen

Henka · 12.01.2023

Ich finde den
Film interessant

Ralph · 06.01.2023

Unbedingt sehenswert- und zwar für jede Generation. Ich fand die Metapher mit den beiden Kutschen am Schluss ganz treffend. Der Film zeigt auf großartige Weise: Es ist Zeit für ein völlig neues ehrliches Miteinander-wohl jenseits der klassischen Familie aber dennoch ohne zwingenden Verlust von Geborgenheit.

Sebastian · 20.12.2022

Ich fand den Film super lustig und gelungen und kann ihn nur empfehlen. Besonders toll die 3 Schwestern und die Mutter die trotz Komödie die Klischees auch immer wieder brechen.
Macht euch nen schönen lustigen und manchmal auch humorvoll nachdenklichen Aberd!

Anett Hornickel · 27.11.2022

Der Film von Caroline Herford, einfach mal was schönes, ist ein super deutscher Film, dieser Film hat alles, Humor, Nachdenken wie leben wir, wie können wir Leben, was macht uns glücklich. Einfach super. FÜR mich hat dieser Film einen Filmpreis verdient. Ein super deutscher Film. Einfach nur Klasse. Von 5 Punkten, alle 5Punkte.LgAnett,liebe Karoline Herford mache weiter solche Filme. Ich bin dein Fan.