Einer wie Bruno

Eine Filmkritik von Paul Collmar

Mein schrecklich peinlicher Vater

Familienbeziehungen können ganz schön peinlich und anstrengend sein. Das gilt vor allem dann, wenn man in die Pubertät kommt. Und als ob das allein nicht schon reichen würde, kommt es für die 13 Jahre alte Radost (Lola Dockhorn), die mit ihrem allein erziehenden Vater Bruno (Christian Ulmen) zusammenlebt, noch einmal um einiges dicker. Der Mann nämlich, den seine Arbeitskollegen im Supermarkt nur „Forrest“ (nach Forrest Gump) nennen, leidet unter einer angeborenen Intelligenzschwäche (einer so genannten Oligophrenie) und ist geistig auf dem Stand eines ungefähr Zehnjährigen stehen geblieben. Das erklärt auch seine Vorliebe für Zoobesuche, alberne Scherze und ein Jungsfahrrad mit allerlei kindischem Zierrat. Was wiederum bedeutet, dass seine Tochter ihren Vater mittlerweile längst überholt hat und er für das Mädchen zunehmend zu einer Belastung wird. Weil die Mutter Radosts schon seit langem tot ist, ist der Teenager weitgehend auf sich allein gestellt mit all den Problemen, die man in der Pubertät eben so hat.
Zunächst aber gilt es die Herausforderungen des Alltags zu meistern, was im speziellen Fall der Markowitschs bedeutet, Frau Corazon (Teresa Harder) von der Organisation Lebenshilfe davon zu überzeugen, dass Bruno mit seiner Tochter im pädagogischen Sinne auch fertig wird. Dank einiger List und Tücke ist diese Hürde auch bald genommen. Dann fangen die wahren Probleme aber erst richtig an: Weil Radost neben ihrer fürsorglichen Rolle auch ein ganz normaler Teenager ist, wünscht sie sich mehr Freiheiten und hat keine Lust, sich ständig um ihren Vater zu kümmern. In der Schule weiß niemand um ihre schwierige Lage und das soll auch so bleiben. Erst recht, als mit dem neuen Mitschüler Benny (Lucas Reiber) ein neuer Junge in die Klasse kommt, für den Radost nach anfänglicher Abwehr bald schon schwärmt – es sind ausgerechnet Nachhilfestunden in Mathematik, die die beiden einander näher bringen. Dass ausgerechnet dieser Junge Radosts streng gehütetes Geheimnis entdeckt, macht die Sache genauso kompliziert wie das Verhalten ihres Vaters, der natürlich keine Ahnung davon hat, welche Verwandlung seine Tochter und bisherige Spielkameradin gerade durchmacht.

Das Thema, von dem Einer wie Brunomit leichter Hand und manchmal etwas flapsig erzählt, hat einen ernsten Hintergrund. Lange Zeit galt es als unmöglich, dass Eltern mit einer geminderten Intelligenz Kinder großziehen dürfen bzw. dass den Kindern solche Eltern „zuzumuten“ seien – bis im Jahr 2002 der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte ein Urteil fällte, das beispielhaft wurde. Nach jahrelanger Trennung erhielt ein deutsches Ehepaar mit Lernbehinderung seine beiden Töchter zurück. Doch es gibt auch filmische Vorläufer zu dem Thema – das Gerichtsurteil mündete in dem TV-Drama In Sachen Kaminski aus dem Jahre 2005.

Im Falle von Einer wie Bruno kann man über den Realitätsgehalt der Geschichte wohl streiten: Dass ein Mann wie Bruno, der offensichtlich so wenig fähig dazu ist, seine Vaterrolle auszufüllen, mit einfachen Tricks den Anschein eines einigermaßen geregelten Familienlebens aufrecht erhalten kann, glaubt man nicht so recht. Vielleicht geht es aber – und dafür spricht auch Christian Ulmens überdrehte Darstellungsweise – gar nicht um einen Realismus, der die Wirklichkeit nachzeichnet, sondern um eine (kindliche) Utopie, die hier von der Realität bedroht wird.

Dass Einer wie Bruno dennoch trotz einiger deutlicher Schwächen und der nicht immer gelungenen Balance zwischen Komik und Ernst über weite Strecken funktioniert, liegt vor allem an der jungen Lola Dockhorn, die man sofort ins Herz schließt. Sie trägt den Film als eigentliche Hauptfigur und gibt ihm den nötigen Ernst und die Tiefe, die man an einigen Stellen dann doch vermisst. Insgesamt aber gelingt es dem Film, sich dem Thema geistige Behinderung auf neue und erfrischende Weise anzunähern, der jede Rührseligkeit vermeidet und stattdessen auf die Kraft des Lachens setzt.

Einer wie Bruno

Familienbeziehungen können ganz schön peinlich und anstrengend sein. Das gilt vor allem dann, wenn man in die Pubertät kommt. Und als ob das allein nicht schon reichen würde, kommt es für die 13 Jahre alte Radost (Lola Dockhorn), die mit ihrem allein erziehenden Vater Bruno (Christian Ulmen) zusammenlebt, noch einmal um einiges dicker.
  • Trailer
  • Bilder

Meinungen

Kritiker 1. · 12.04.2012

Naja das arme Mädchen wird ja total hilflos dargestellt. Sonst eine gelungene Leistung

I LOVE IT SOOO MUCH

Griesser,Ute · 12.04.2012

Ein ganz toller Film,der einem zum Lachen, fast weinen und zum Nachdenken bringt. Lohnt sich zu sehen!