Eine neue Chance

Eine Filmkritik von Monika Sandmann

Die Schöne und das Biest

Die dänische Regisseurin Susanne Bier hat mit Filmen wie Open Hearts (2002) und Brothers (2004) bereits einige cineastische Meisterstücke abgeliefert. Nach der Hochzeit (2006) war für den Oscar als bester fremdsprachiger Film des letzten Jahres nominiert. Kein Wunder also, dass Hollywood rief. Und Bier erhörte den Ruf. Das Ergebnis heißt Eine neue Chance / Things We Lost in the Fire.
Ein Film, der vordergründig das Thema Trauerbewältigung behandelt. Brian Burke (David Duchovny, bekannt durch die TV-Serie Akte X / The X Files) ist tot. Plötzlich aus dem Leben gerissen. Zurück bleiben seine Frau Audrey (Halle Berry) und seine zwei Kinder, die 10-jährige Harper (Alexis Llewellyn) und der sechsjährige Dory (Micah Berry) und müssen mit dem Verlust ihres heiß geliebten Ehemanns und Vaters klarkommen. Auffallend angenehm präsentiert der Film, dass Multikulti in der Gesellschaft angekommen ist. Die Herkunft der Charaktere spielt überhaupt keine Rolle.

Eigentlich aber erzählt das Drehbuch von Allan Loeb von einer Frau und einem Mann, die permanent umeinander kreisen. Die Frau ist Audrey, der Mann ist Jerry (Benicio del Toro), der beste Freund ihres verstorbenen Ehemannes. Ein Anwalt, der vor langer Zeit in die Drogenabhängigkeit abstürzte. Audrey kann ihn nicht leiden, weil sich Brian zu viel um ihn kümmerte. Dennoch hielt Brian zu ihm.
Wie Brian war, das zeigt Susanne Bier in Rückblicken: ein intelligenter, lebenstüchtiger Mann, der seiner Gutherzigkeit zum Opfer fiel. Audrey kommt über den Verlust nicht hinweg. Tagsüber mimt sie die gute Mutter, die ihren Kindern den Verlust des Vaters erleichtern will, aber scheitert an ihrer eigenen Tragödie.

Audrey beschließt, Jerry aus seiner elenden Absteige bei sich in der ausgebauten Garage unterzubringen. Warum sie das tut, ist nicht ersichtlich. Vielleicht, weil sie in Jerry ein Stück ihres Mannes wieder finden will. So verlangt sie von ihm fast schon intime Dinge, gleichzeitig aber stößt sie ihn verbittert ab, als er ein liebevoller Kumpan ihrer Kinder zu werden droht. Denn das wäre die Rolle ihres toten Ehemannes gewesen, nicht die von Jerry, wirft sie ihm mehr oder weniger aus dem Nichts vor.

In der Art geschehen weitere Dinge, deren Sinn nur daraus zu bestehen scheint, etwas Handlung in die auf Dauer zu rührselige Weinerlichkeit zu bringen. Als Geschichte über den Umgang mit Trauer scheitert Biers Film. Viel zu ausgestellt ist Halle Berrys Spiel, viel zu unglaubwürdig ihr Handeln. Nur die beiden Kids meistern ihre Sache bravourös. Intuitiv scheinen sie zu wissen, welche Gefühlsnuance wann passt.

Die Geschichte der Annäherung zwischen einem Junkies und einer reichen Schönheit verliert sich in ihren Klischees. Zu oft hat man gesehen, wie ein Ex-Junkie wieder abstürzt, zu oft, wie er durch kalten Entzug gesund wird. Nicht nachvollziehbar ist das Verhalten der schönen Lady, die ihn unbedingt aus der Gosse holen will. Als logische Fortsetzung der Gutherzigkeit ihres Mannes? Oder weil sie Nähe sucht? Ist es Liebe? Bis zum Ende wird es nicht deutlich, was Audrey antreibt.

Wäre nicht Benicio del Toro, der Film wäre eine Qual. Seine Präsenz, sein formidables Spiel macht den Film erst zu dem, was er wohl mal sein wollte – ein berührendes Drama über den Umgang mit Verlusten und den Kampf gegen die eigene Unzulänglichkeit. Natürlich hat del Toro seine Physis auf seiner Seite. Der kraftvolle Körper, der ihm zur schweren Last geworden ist. Sein zerfurchtes Gesicht, die dunklen, müde-verhangen Augen und dann dieses kleine, leise Lächeln und sein Gesicht beginnt zu leuchten. Jede noch so kleine innere Regung gelingt ihm, fast möchte man sagen, durch Nichtstun.

Halle Berry dagegen ist nur dann gut, wenn sie überagiert, wenn sie aus sich heraus kommt, schreit, weint und wütend ist. Ihr Gesicht selbst ist ohne große Ausdruckskraft. Susanne Biers Stilmittel, den Figuren ganz nah auf die Pelle zu rücken, bis nur noch ein Auge die Leinwand erfüllt, kommt der Schauspielerin zu Gute. Für den Zuschauer verbraucht es sich aber. Bei Benicio del Toro ist diese Einstellung nicht nötig. Seine Tiefe der Gefühlswelt vermittelt sich unmittelbar. Und so stellt er Halle Berrys makellose Schönheit weit in den Schatten. Mehr noch, del Toro ist beides gleichzeitig: „der Schöne und das Biest“.

Eine neue Chance

Die dänische Regisseurin Susanne Bier hat mit Filmen wie Open Hearts (2002) und Brothers (2004) bereits einige cineastische Meisterstücke abgeliefert. Nach der Hochzeit (2006) war für den Oscar als bester fremdsprachiger Film des letzten Jahres nominiert.
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Meinungen

heike erdmann · 27.06.2008

wahnsinns Film - super !!!!