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Im Jahre 1997 wurde der Landwirt Franz Jägerstätter seliggesprochen. Der fromme Katholik hatte aus Gewissensgründen im Dritten Reich den Kriegsdienst verweigert, er wurde deshalb zum Tode verurteilt und hingerichtet. Terrence Malick setzt diesem Märtyrer nun ein bildgewaltiges Denkmal.

Ein verborgenes Leben (2019)

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

Ästhetik des Widerstands

Seit langem schon war Terrence Malicks neuer Film angekündigt worden – mindestens seit 2016 war bekannt, dass der US-amerikanische Regisseur an einem Film namens „Radegund“ arbeitete. Und doch verschob sich die Fertigstellung des Films immer weiter, bis er schließlich 2019 im Wettbewerb des Filmfestivals in Cannes auftaucht.

Der mit deutschem Geld und der Mithilfe von Studio Babelsberg realisierte Film erzählt die Geschichte des österreichischen Kriegsdienstverweigerers Franz Jägerstätter, der 1997 wegen seiner tiefen Frömmigkeit und seiner beharrlichen Weigerung, für Führer, Volk und Vaterland in den Krieg zu ziehen, seliggesprochen wurde. Statt amerikanische Hollywood-Stars sind es dieses Mal aber deutsche und österreichische Darsteller*innen wie August Diehl, Valerie Pachner, Karl Markovics, Franz Rogowski und viele andere mehr in Klein- und Kleinstrollen, die Malicks legendärem Ruf als Leinwandmagier und Schöpfer bildgewaltiger Epen und kinematografischer Gesamtkunstwerke gefolgt sind.

Fast drei Stunden Zeit nimmt sich Terrence Malick für seine Märtyrergeschichte. Er nutzt sie vor allem für all die stilistischen Eigenheiten, die seit vielen Jahren seine Filme prägen. Raunende Stimmen aus dem Off, oft geflüstert, ersetzen vielfach die Dialoge im eigentlichen Sinne und lassen so etwas wie einen inneren Bewusstseins- und Gedankenstrom entstehen. Schwelgerische Naturaufnahmen entwerfen das Bild eines ländlichen Österreich, das fast schon einem Paradies auf Erden gleicht. Die Bäche rauschen, die Getreidefelder und Wiesen wiegen sich sanft im Wind, majestätisch hängen die Wolken über dem Ort St. Radegund in Oberösterreich, wo Jägerstätter (August Diehl) gemeinsam mit seiner Frau Franziska, genannt Fani (Valerie Pachner, Der Boden unter den Füssen), und seinen drei kleinen Töchtern lebt. Ein Paradies der einfachen Leute, ein Leben im Einklang mit der Natur, mit Flora und Fauna, das durch eine Gefahr von außen bedroht ist. Dieses Gespenst, das sich wie ein Gift in den Organismus einschleicht, ist der Nationalsozialismus, den Malick gleich zu Beginn des Filmes mit historischen Aufnahmen vom triumphalen Einzug Hitlers in Wien untermalt.

Der zutiefst fromme Jägerstätter kann mit dem nationalistischen Gebrüll seiner Landsleute und seiner Nachbarn im Dorf nichts anfangen. Doch er ist kein Mann der lauten Gegenworte und der aktiven Gegenwehr, dazu ist er zu leise, zu bescheiden. Er leistet vielmehr beinahe unbemerkt Widerstand, indem er etwa als einziger im Dorf gegen den Anschluss Österreichs an das Deutsche Reich stimmt, das ihm angetragene Amt als Bürgermeister ablehnt und nichts für die Partei spendet. Doch all diese kleinen Akte des Widerstands bleiben vorerst ohne Folgen, erst als er 1940 den Schutzraum seiner dörflichen Heimat verlässt, um in Braunau am Inn bei der Wehrmacht einzurücken, wird seine Ablehnung des Nationalsozialismus offensichtlich. Zwar wird er auf Gesuch seiner Heimatgemeinde zunächst als unabkömmlich vom Wehrdienst freigestellt, doch 1943 muss er abermals einrücken, erklärt dort seinen Status als Kriegsdienstverweigerer und wird direkt wegen „Wehrkraftzersetzung“ inhaftiert, verurteilt und schließlich am 9. August 1943 mit dem Fallbeil in Brandenburg an der Havel hingerichtet.

Der Titel A Hidden Life ist ein Zitat aus dem Roman Middlemarch von George Eliot, in dem es heißt: „(…) for the growing good of the world is partly dependent on unhistoric acts; and that things are not so ill with you and me as they might have been is half owing to the number who lived faithfully a hidden life, and rest in unvisited tombs.” Mit den historischen Fakten nimmt es der Film indes nicht allzu genau. Vergleicht man den realen Lebensweg Jägerstätters mit den Ereignissen, von denen der Film erzählt, muss man feststellen, dass Malick derart drastisch verkürzt und strafft, zuspitzt und weglässt, dass der Film an der historischen Person nur insofern Interesse hat, wie weit sie sich seinem ästhetischen Wollen und seinem Weltbild unterwirft. Insofern verwundert es nicht, dass Jägerstätters ureigenste Beweggründe für sein Handeln eher angedeutet als plausibel dargelegt und so eher fühl- als begreifbar erscheinen. 

Bereits bei Malicks vorherigen Filmen Tree of Life, Knight of Cups und To the Wonder fiel auf, dass er seine Charaktere und Figuren stets so sehr reduziert, dass sie in sein ästhetisches Rezept passen. Hier wird es umso deutlicher, da es sich bei Franz Jägerstätter nicht um eine fiktionale Gestalt, sondern eine historische Person handelt. Natürlich beherrscht Malick sein Metier nach wie vor auf meisterliche Weise, sein Spiel mit der stets sanft bewegten Kamera, mit überwiegend natürlichem Licht, sein Sinn für die Erhabenheit von Musik, sein Blick für Texturen und Landschaften machen ihn zu einem der großen Ästheten des Gegenwartskinos. Leider allerdings erweist sich auch dieses Mal der schöne Schein und dessen Verführungskraft als übermächtig gegenüber der Dringlichkeit und Wahrhaftigkeit des Seins. 

Ein verborgenes Leben (2019)

In seinem neuen Film erzählt Terrence Malick die wahre Geschichte des österreichischen Kriegsdienstverweigerers Franz Jägerstätter, der aus Gewissensgründen den Dienst in der Wehrmacht verweigert und der deshalb 1943 durch das Fallbeil hingerichtet wurde. Im Jahre 2007 wurde Jägerstätter durch Papst Benedikt XVI. seliggesprochen.

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Meinungen

Sepp · 12.02.2020

Beim weggehen fiel mir noch ein, woran mich dieser Film so eklatant erinnert hatte - an die Wachturm - Ästhetik der Zeugen Jehovas!

Sepp · 12.02.2020

Das tut gut, eine kritische Stimme zu diesen, für mich nur noch kitschigen Film, der sonst so gehypt wird, zu lesen. Da steckt mehr Fremdenverkehrswerbung als Filmkunst drin. Trotz des ernsten Themas versinkt alles in Kitsch und Klischee. Die Guten blicken schicksalhaft vor sich hin und die bösen sind so richtig böse.
Probleme des bäuerlichen Ehepaares werden vorwiegend im Vordergrund von wogenden Getreidefelder mit immer anderer Bergkulisse als Hintergrund besprochen - sie haben ja auch keine gute Stube. Der Bauernhof springt ja auch gnadenlos durch die Landschaft - vom Hochgebirge ins Voralpenland und wieder auf eine sanfte Alm. Filmfehler en masse (die Egge wird im Spätsommer übers Feld gezogen, gepflügt wird neben einem jungen Weizenfeld und vieles, vieles mehr). Die Kinder hüpfen immer dekorativ durchs Bild, haben aber sonst kein Leben.
Dazwischen wird wieder schicksalhaft geblickt zu einer Stimme aus dem off und eintönig werdender Violinmusik. nein - dazwischen heult ein Sopran.
Ich weiß nicht, was die Preisjuroren sich denken - an mich haben sie nicht gedacht - sie hätten mich warnen können.

Bernie · 26.02.2020

Ich bin ähnlich enttäuscht und fand die häufigen Rückblenden in die mühselige bäuerliche Welt der alleingelassenen Fani bzw Schwester wenig hilfreich für ein ggf zusätzliches Verständnis zum Schicksal des Franz Jägetstätter. Und wie schon angemerkt, aich ich war irritiert über die wechselnden Landschaftsszenarien - mal Hochgebirge, mal weite Ebenen, mal üppige Obst- und Gemüsegärten. Hätte mehr erwartet