Ein Leben für ein Leben

Eine Filmkritik von Silvy Pommerenke

Was ist der Mensch?

In einer israelischen Psychiatrie in den sechziger Jahren, einem „Ort der Überlebenden“, soll Adam Stein von seinem Holocaust-Trauma geheilt werden. Der ehemalige Komiker sieht auf den ersten Blick wie ein erfolgreicher Businessman aus, und man ahnt noch nicht einmal ansatzweise, welch tiefe psychische Verwundungen er erlitten hat.
Adam Stein (Jeff Goldblum) ist im Berlin der goldenen Zwanziger ein gefragter Kabarettist. Die Säle sind ausverkauft, das Publikum hängt gebannt an seinen Lippen und applaudiert frenetisch nach seinen Aufführungen. Allerdings schleichen sich immer mehr braune Uniformen unter die Zuschauer, und bald schon wird der jüdische Künstler Opfer eines ersten Pogroms: Sein Bär wird von SS-Schergen erschossen, die damit nicht nur ihre Macht demonstrieren, sondern auch das maßgebliche Motiv für den Film einführen. Denn als Adam einige Zeit später ins Konzentrationslager deportiert wird, muss er für den Lagerkommandanten Klein (Willem Dafoe) die Identität eines Hundes annehmen. Der Deal zwischen den beiden lautet: „Ein Leben für ein Leben“.

Adams Gefährte ist ein realer Schäferhund, mit dem er erniedrigend auf allen Vieren um Knochen rangeln oder gemeinsam bellen muss, und die Grenze zwischen Tier und Mensch verwischt immer mehr. Als Adam die Möglichkeit und die Aufforderung zur Erschießung von Klein bekommt, entscheidet er sich dagegen und tötet stattdessen den Schäferhund.

Zwanzig Jahre nach der Befreiung aus dem KZ quälen Adam immer noch die erlittenen Traumata von damals, und der Arzt Dr. Gross (Sir Derek Jacobi) versucht ihm und anderen Patienten in einer Klinik mitten in der israelischen Wüste zu helfen. Ein kaum lösbares Unterfangen, denn aus Adam, dem Opfer, wird zwischendurch Adam, der Täter. Eine Liaison zur Oberschwester Gina Grey (Ayelet Zurer) verdeutlicht, dass Adam immer noch nicht die Grenze zwischen Hund und Mensch ziehen kann, denn nun erniedrigt er seinerseits die Frau, indem er nur Sex mit ihr haben kann, wenn sie in die Rolle einer winselnden und unterwürfigen Hündin schlüpft. Als Adam einen versteckten Patienten findet, wird er knallhart mit seiner Vergangenheit konfrontiert, denn es handelt sich um einen Jungen, der ebenfalls als Hund abgerichtet wurde. Adam sieht sich durch den Jungen gespiegelt, und er zerbricht fast daran. Nur langsam gelingt es – Kind und Mann — zu Menschen zu werden.

Zögerlich deckt die Literaturverfilmung Ein Leben für ein Leben / Adam Resurrected die Seelenlandschaft von Adam Stein auf und arbeitet dafür immer wieder mit Rückblenden in Schwarz-Weiß. Dabei geht es um mehr, als um eine Holocaust-Verfilmung: Denn nicht nur die Grenze zwischen Mensch und Tier verschwindet im Laufe der Geschichte immer mehr, auch die zwischen Opfer und Täter ist oftmals nicht eindeutig. Darüber hinaus ist der Film eine Parabel auf die uralte philosophische Frage „Was ist der Mensch?“ und zeigt, dass er sowohl ein Ebenbild Gottes als auch ein höher entwickeltes Tier sein kann.

Yoram Kaniuk gilt als einer der bedeutendsten israelischen Schriftsteller, auch wenn die Romanvorlage Adam Hundesohn zu Ein Leben für ein Leben / Adam Resurrected beim Erscheinen 1969 in Israel zu starken Kontroversen führte. Die feine Ironie und der schwarze Humor des Buches sind im Film stark zu spüren und machen dieses schwierige Thema überhaupt erst erträglich. Aber anders, als es vielleicht der Autor umgesetzt hätte, so hat der Regisseur Paul Schrader, der mit seinem Drehbuch für Taxi Driver Filmgeschichte schrieb, durch die Auswahl der Schauspieler einen Film geschaffen, „der für einen deutsch-jüdischen Schulterschluss steht und für die Idee der Völkerverständigung.“ Durch das konfessionell gemischte Team, das neben den internationalen Größen Jeff Goldblum und Willem Dafoe auch nationale wie Moritz Bleibtreu, Joachim Krôl oder Juliane Köhler aufweist, kann diese Idee durchaus umgesetzt werden.

„Möge alles, was war, nicht mehr geschehen, und alles, was geschieht, nie gewesen sein.“

Ein Leben für ein Leben

In einer israelischen Psychiatrie in den sechziger Jahren, einem „Ort der Überlebenden“, soll Adam Stein von seinem Holocaust-Trauma geheilt werden.
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