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In der unkonventionellen Kriminalkomödie „Echo“ schickt Mareike Wegener ihre Hauptdarstellerin Valery Tscheplanowa als traumatisierte Kriminalhauptkommissarin in die Provinz, hinein in zahlreiche Verstrickungen.

Echo (2022)

Eine Filmkritik von Andreas Köhnemann

Gefährliches Zelluloid

Schon der Anfang von „Echo“ ist im besten Sinne irritierend. Wir sehen Saskia Harder (Valery Tscheplanowa) bei einem Einsatz als Polizeiausbilderin in Afghanistan. Plötzlich kommt es mitten in einer Übung zu einem Bombenanschlag. Pinker Nebel breitet sich aus und verleiht dem Geschehen etwas höchst Surreales. Die Kamera bleibt dabei überraschend statisch. Wenig später, nach einer kunstvoll-eigensinnigen Vorspann-Sequenz, sind wir in der Ambulanz für Folter- und Kriegsgeschädigte. Via Voice-over wird das Gutachten über Harders physischen und psychischen Zustand verlesen. Die Kriminalhauptkommissarin musste ihren Auslandseinsatz sofort beenden und kann nun in ihrer Heimat wieder arbeiten, jedoch nur bei möglichst leichter Belastung.

Die Backstorywound der Protagonistin wird uns somit ganz nüchtern und klar präsentiert. Es sind keine bedeutungsschwangeren Andeutungen vonnöten. Was darauf folgt, könnte der Stoff eines jener verschrobenen Provinzkrimis sein, die zwischen einem Mord und vielen kauzigen Verdächtigen eine nette Gemütlichkeit finden. Denn Kommissarin Harder wird ins dörfliche Friedland geschickt, um dort im Fall einer Moorleiche zu ermitteln.

Echo kommt indes trotz aller vorhandenen Zutaten um eine Spur zu schwarzhumorig und sperrig daher, um in die Schmunzelecke gedrängt zu werden. Stattdessen ist das Spielfilmdebüt der Regisseurin und Drehbuchautorin Mareike Wegener ein Werk, das sich auf ungewöhnliche Weise mit deutscher Vergangenheitsbewältigung auseinandersetzt und sich zu hiesiger Krimi-Unterhaltung in etwa so verhält wie David Lynchs Twin Peaks (1990-2017) zur klassischen Prime-Time-Soap.

Sie wolle „Fragen an die Geschichte“ stellen, erläutert Wegener in einer Regienotiz. Das geschieht einerseits durch den Fund der Leiche im Moor und durch die Vorfälle in Friedland, die damit womöglich in Verbindung stehen. Immer wieder sollen Mädchen aus der Gemeinde spurlos verschwunden sein, heißt es. Ist dieser verschlafen wirkende Ort vielleicht abgründiger, als es den Anschein hat?

Andererseits geraten die Ermittlungen, die Harder gemeinsam mit dem etwas ungeschickten, aber stets bemühten Polizisten Alfons Tenhagen (Andreas Döhler) vornimmt und die von der abweisend reagierenden Moormeisterin Edith Telaar (Ursula Werner) eher behindert als unterstützt werden, bald durch eine weitere Entdeckung in den Hintergrund: Im Wassergraben vor dem Herrenhaus des sammelwütigen Adligen Lorenz von Hüning (Felix Römer) wird eine scharfe Fliegerbombe aus dem Zweiten Weltkrieg gefunden, die dringlichst gesprengt werden muss, was wiederum die Evakuierung des gesamten Dorfes bedeutet.

Der Titel des Films bezieht sich auf die Bergnymphe Echo aus der griechischen Mythologie, die infolge einer Bestrafung lediglich die von ihr zuletzt vernommenen Worte wiedergeben kann. Mangelnde Kommunikationsfähigkeit innerhalb der Dorfgemeinschaft ist auch einer der Gründe, weshalb das Vergangene nicht aufgearbeitet wird und ein Fortschritt kaum denkbar ist. Da Traumata, Schuld und Trauer verdrängt, versenkt und verschwiegen werden, ist der Frieden in Friedland stets ein äußerst fragiler.

Wegeners Inszenierung sowie die Bildgestaltung von Sabine Panossian und das Spiel des Ensembles erzeugen eine dichte Atmosphäre, die irgendwo zwischen dem Mythischen und dem Realen, dem Historischen und dem Hochaktuellen liegt, mit einer erfrischenden Lust am leicht Grotesken. An einer Stelle erklärt der Sprengmeister Nowak (Bernd Rademacher), wie gefährlich Zelluloid (in Langzeitzündern von Bomben) sein kann. Das Medium Film – egal, in welcher Form – kann dazu dienen, zum Verborgenen vorzudringen und es freizulegen. In Echo gelingt das auf verblüffend lakonische Art und Weise.

Echo (2022)

Kaum hat die durch ein Bombenattentat in Afghanistan traumatisierte Polizistin Saskia Harder die Ermittlungen um die Identität einer Moorleiche in der friedländischen Provinz aufgenommen, muss im Ort ein Blindgänger aus dem Zweiten Weltkrieg entschärft werden.

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Meinungen

Nadja · 04.03.2024

Die Voice over Stimme am Filmanfang löste zunächst schlagartiges Interesse aus, da es stark an die Art der Filme aus der DDR erinnerte, wo oft eine Stimme russische Lieder simultan sprechend (nicht singend) übersetzte. Solche russisch/tschechisch/DEFA Produktionen haben wir uns immer mal angetan, obwohl uns in Berlin lebend schon immer ARD,ZDF und NDR zur Verfügung stand.
Mein Mann und ich fanden aber dann, dass an der Art des Filmes nur noch fehlte, dass sich die Protagonisten mit „Genosse“ ansprechen, so dermaßen ostig war der Film. Alle Gegenstände, Kleidung, Stimmen, Art zu sprechen usw usw. wirkten wie ein schlechter oder durchschnittlicher Polizeiruf 110 von 1976. Mangels Selbstironie und humoristischer Elemente fanden wir es zu bierernst und entschieden Westfernsehen anzuschalten.