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In einem Wohnhaus in Rom mit drei Stockwerken lässt Nanni Moretti Schicksale aufeinanderprallen und verpasst dabei die Chance, seinen Figuren auf die Schliche zu kommen und etwas über die Mitte der Gesellschaft zu erzählen.

Drei Etagen (2021)

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

Eine Seifenoper der schiefen Töne

Nanni Moretti zählt zu den regelmäßig an die Croisette Eingeladenen und normalerweise liefert der Filmemacher auch gute Filme ab. Bei seinem neuen Beitrag „Drei Etagen“ jedoch stellt sich schon die Frage, warum dieser Film in den Wettbewerb des immerhin wichtigsten Filmfestivals der Welt eingeladen wurde. Doch der Reihe nach.

Der Film, der eine Zeitspanne von zehn Jahren umfasst, beginnt mit einem Paukenschlag, als Andrea (Alessandro Sperduti) der Sohn eines Paares (Nanni Moretti und Marghareta Buy) volltrunken eine Frau über den Haufen fährt, eine Glasbausteinmauer im Erdgeschoss des Wohnhauses, das den Hauptschauplatz des Films bildet, durchbricht und dann in der Wohnung einer Familie steht. Überwiegend ausgehend von diesem Ereignis entspinnen sich nun die verschiedenen Handlungsstränge, an denen sich Tre piani entlanghangelt. Obwohl die Eltern des Unfallfahrers – beide von Beruf Richter/in – zu ihm halten, vollzieht sich mit dessen Verurteilung ein Bruch, der erst ganz zum Schluss und nach dem Tod des Vaters wieder geheilt werden kann. Denn als Richter weigert sich vor allem der Vater, seinem Sohn juristische Hilfe zukommen zu lassen.

Zudem ist da noch die Familie, in deren Wohnung das Auto Andreas landet. Deren kleine Tochter Francesca wird von den Eltern Lucio (Riccardo Scamaracio) und Sara (Elena Lietti) öfter bei einem älteren Ehepaar im Haus abgegeben, doch eines Tages keimt in Lucio ein Verdacht, seine Tochter könnte von dem älteren Mann, der für sie wie ein Großvater ist, missbraucht werden. Ein Verdacht, der sich immer mehr in eine Obsession steigert und Lucios Blick auf die Welt so sehr prägt, dass er gar nicht mehr merkt, wie übergriffig er selbst ist, als er die Verliebtheit einer minderjährigen Nachbarin schamlos ausnutzt.

Und schließlich Monica (Alba Rohrwacher), die gerade Mutter geworden ist und die unter der Abwesenheit ihres Mannes Giorgio leidet, der beruflich viel unterwegs ist. Weil ihre Mutter psychisch krank ist, befürchtet Monica, dass auch ihr Lebensweg in einer ähnlichen Richtung verlaufen könnte – und genau das erweist sich mit der Zeit als selbsterfüllende Prophezeiung.

Tre piani ist ein erstaunlich betulicher Film. Stilistisch wie erzählerisch erinnert er an italienisches Arthouse-Kino der 1980er und 1990er Jahre, ist vor allem seinen Frauenfiguren gegenüber altbacken und sieht den Männern in seinem Ensemble viel zu viel nach.

Dass man diese narrative Anordnung auch anders und mit mehr Gehalt erzählen kann, davon legt deren literarische Vorlage Three Floors Up des Autors Eshkol Nevo Zeugnis ab. Angesiedelt in Tel Aviv legt das Buch auch die geheimen Triebkräfte innerhalb der israelischen Gesellschaft frei – und genau diese Neugier, mittels einer Hausgemeinschaft auch etwas über die Verfasstheit eines Staates und seiner Communitys zu erzählen, geht Nanni Moretti leider völlig ab. Stattdessen konzentriert sich der Film auf das Individuum und die privaten Geschicke, die sich hier quer durch die Stockwerke miteinander verschränken. Moretti inszeniert dies alles ungeheuer gefühlig und überschreitet die schmale Grenze zwischen Melodram und Kitsch an mehr als nur einer Stelle.

Drei Etagen (2021)

Eine Adaption des gleichnamigen Romans von dem israelischen Schriftsteller Eshkol Nevo. In drei Akten wird darin das Leben von drei Haushalten aus der Mittelschicht geschildert, die sich alle in einem Apartment-Block befinden: ein junges Paar mit Kind, eine Mutter mit zwei Kindern und einem ständig abwesenden Gatten sowie eine inzwischen verwitwete Richterin

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