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Asli trifft Saeed. Saaed trifft Entscheidungen, die Aslis Leben und das vieler anderer alsbald für immer ändern werden. Anne Zohra Berracheds „Die Welt wird eine andere sein“ porträtiert eine Frau, die zwischen allen Stühlen sitzt und deren Unentschlossenheit ihr zum Verhängnis wird.

Die Welt wird eine andere sein (2021)

Eine Filmkritik von Beatrice Behn

Copilotin des Unglücks

Es beginnt mit langen Blicken und viel Schweigen. Asli (Canan Kir) sieht Saeed (Roger Azar), und manchmal sieht Saeed auch Asli. Die beiden studieren zusammen und Asli, die stille, zurückhaltende Frau ist schnell fasziniert von dem jungen Mann, der nur so strotzt vor Überzeugungen und Selbstbehauptung. Auch wenn sich bald zeigt, dass genau das ein Problem ist, dass nicht nur die beiden, sondern die ganze Welt beeinflussen wird. Nicht umsonst heißt dieser Film „Die Welt wird eine andere sein“.

Schon von Anfang an etabliert Anne Zohra Berrached die Dynamik zwischen ihren Hauptfiguren. Saeed macht und bestimmt und regelt die Dinge stets so, wie er sie haben will. Asli beobachtet und lässt meist geschehen. Nur manchmal greift sie ein, wird aktiv und versucht, sich durchzusetzen. Die Ansätze könnten unterschiedlicher nicht sein, und genau das fasziniert, müssen doch beide ihre jungen Leben in einer Welt verbringen, die sich extrem komplex und gleichsam diametral zueinander gestaltet. Während Saaed aus dem Libanon nach Deutschland geschickt wurde, um seine gut betuchte Familie stolz zu machen und Arzt zu werden, musst Asli sich ihren Studienplatz hart erkämpfen. Im Labor ist sie die Streberin, die erste Frau der konservativen, türkischen Familie, die so weit gekommen ist. In ihrer Familie muss sie sich für dieses Streben aber immer wieder erklären, denn gut findet ihre verwitwete Mutter das gar nicht. Sie soll lieber heiraten.

Das tut Asli bald auch, aber heimlich. Denn Saeed, der Araber ist ein absolutes No-Go. Die Beziehung der beiden ist schwierig, es knirscht an allen Ecken und Enden, und vor allem Asli muss ständig die Ansprüche verschiedenster Welten unter einen Hut bringen. Auf der Strecke bleibt dabei meistens sie, die passiv wartet und zuschaut, wie die Menschen um sie herum, allen voran Saeed, schon fast brachial egozentriert ihr Leben leben. Selbst als Saeed beginnt, Dinge vor ihr zu verheimlichen und dann plötzlich erst in den Jemen, später nach Florida zur Pilotenausbildung verschwindet, wartet Asli und sagt nichts, ganz so wie sie es bei ihrer Heirat schwor: Du sollst die Geheimnisse deines Mannes mittragen und für dich behalten.

Dass genau daraus eine Katastrophe globalen Ausmaßes wird, lässt sich alsbald erahnen, doch Berrached ist nicht wirklich interessiert an der politischen Dimension an sich. Wie schon in 24 Wochen erörtert und dekonstruiert sie das Politische im privaten Innenleben einer Frau. Während Saeed verschwindet und doch immer wie ein Schatten über Aslis Leben schwebt, konzentriert sich der Film fast gänzlich auf die Frau, die in den Intersektionen ihrer verschiedenen Lebens- und Gesellschaftsebenen immer wieder droht unterzugehen und doch beharrlich ihre Position hält. Mitunter bewirkt das großen Frust. Aslis Passivität ist ihre Stärke und ihr Untergang zugleich. Es stellt sich die Frage, wo Liebe und Loyalität aufhören und Ko-Abhängigkeit beginnt.

Eine einfache Antwort gibt der Film darauf nicht, ja wahrscheinlich gibt es überhaupt keine Antwort auf diese Frage. Doch das Mit- und Nachfühlen von Aslis Situation ist Berracheds Methode der Wahl. Immer wieder zwingt der Film, den Blick lang auf Aslis ebenfalls starrendes Gesicht zu richten auf der Suche nach Antworten, nach Reaktionen, nach einem Ausweg, der Lösung und Klarheit verspricht.

Die Welt wird eine andere sein knüpft an, wo 24 Wochen fulminant das Territorium markierte: ein Film über Frauen, deren privater Kampf um das eigene Leben nicht nur individuelle Emanzipation bedeutet, sondern gleichsam im Kern die Problematik einer ganzen Gesellschaft in sich trägt. Um Klarheit oder Antworten geht es also nicht. Vielmehr steht die Prozesshaftigkeit der Machtdynamiken im Vordergrund, mit denen umgegangen werden muss. Nach der schon fast mikroskopischen Dekonstruktion in 24 Wochen spielt Die Welt wird eine andere sein vor allem mit der Unergründlichkeit. Canan Kirs Gesicht ist gleichsam Ort der Auseinandersetzung und Endpunkt jeglicher Aktion, ihr Schauen, Starren, Warten ist wehrhaft und disassoziierend zugleich. Sie verdammt sich zur Zeugin, und Berracheds Kamera positioniert das Publikum ebenfalls dort.

Und so ist Die Welt wird eine andere sein vor allem eins: eine fast unerträgliche und genau deswegen faszinierende Übung im Hinschauen.

Die Welt wird eine andere sein (2021)

Auf einem Rummel, Mitte der 1990er-Jahre, fällt Aslis Blick zum ersten Mal auf Saeed, als der bange aus einem Karussell aussteigt, kurz bevor die Fahrt beginnt. Beim Flaschendrehen auf einer Wohnheimparty kommen sie sich näher. Asli ist fasziniert von Saeeds Charisma und seinem Selbstbewusstsein. Obwohl ihre Mutter gegen die Beziehung ist, heiraten die beiden Studierenden heimlich. In einer Hamburger Moschee versprechen sie einander, zusammenzubleiben und die Geheimnisse des anderen zu wahren. Asli versucht zwischen Selbstbestimmung, ihrem traditionellen Elternhaus und ihrer aufopfernden Liebe ihren Weg zu finden. Dann verschwindet Saeed. Seine Entscheidung verändert Aslis Leben, bevor er die ganze Welt erschüttert.

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Meinungen

Onur Alp Korkmaz · 14.08.2021

Wenn ich ein Film über einen Terroristen mache dann darf ich meiner Meinung nach, das Leben dieser, nicht als völlig normal DARSTELLEN.
Die Message für mich war: JEDER der Moslem ist, JEDER der schwarze Haare trägt kann ein Terrorist sein.
Thema : Katastrophal
Schauspieler: Sehr gut