Die Trapp Familie - Ein Leben für die Musik

Eine Filmkritik von Gregor Ries

Mit Volksliedern gegen die Nazis

Nach den beiden deutschen Heimatfilmen der 1950er Jahre und dem erfolgreichen Hollywood-Musical Meine Lieder, meine Träume (The Sound of Music) von 1968 stellt Ben Verbongs Familiendrama „Die Trapp Familie — Ein Leben für die Musik“ die vierte filmische Biografie der singenden Trapp-Familie dar. Im Mittelpunkt steht dieses Mal die älteste Tochter Agathe (Eliza Bennett), auf deren Autobiografie die deutsch-österreichische Ko-Produktion beruht. Im Gegensatz zu den früheren Versionen spielen die gemeinsamen Gesangsauftritte und Lieder eine eher untergeordnete Rolle. Vielmehr konzentriert sich Verbong auf den lange unterdrückten Generationskonflikt mit dem Vater Georg (Matthew Macfayden) und Agathas Abneigung zu seiner zweiten Frau Maria (Yvonne Catterfeld), aus deren Perspektive die älteren Filme erzählt wurden.
Mit dem frühen Tod der geliebten Mutter erfährt das Leben der kleinen Agathe eine entscheidende Zäsur. Selbst als junge Frau hat sie es nicht überwunden, dass ihre Mutter vor ihrem Tod nicht mehr dazu kam, ihr zuvor überreichtes Weihnachtspräsent auszupacken. Damals hat die junge Frau mit der goldenen Stimme entschieden, niemals wieder zu singen. Gemeinsam mit ihrem Vater Baron Georg von Trapp, einem gefeierten U-Boot-Offizier, und ihren sechs Geschwistern muss sie Anfang der 1930er Jahre den Familiensitz in Zell am See verlassen. Als Ersatzmutter kümmert sich Agathe aufopfernd um den neuen Haushalt in Salzburg, was ihren Geschwistern nicht immer gefällt. Ihre Dominanz vertreibt zudem sämtliche Kindermädchen, bis Maria Gustl auftaucht. Auf deren Romanze mit dem Vater reagiert Agathe mit Eifersucht und Ablehnung. Daran kann zunächst auch das Wiedersehen mit Jugendfreund Sigi (Johannes Nussbaum) nichts ändern, der sich bald im Widerstand gegen den aufkommenden Faschismus engagiert. Lange verkennt der einstige Kriegsheld Georg von Trapp die Gefahr des österreichischen Anschlusses an Hitler-Deutschland für die eigene Existenz. Als er während der Wirtschaftskrise sein Vermögen verliert und daher seinen Chauffeur Konrad (Cornelius Obonya) entlassen muss, macht er sich den engstirnigen Hitler-Getreuen zum persönlichen Feind.

Erst in der zweiten Hälfte wird zunehmend deutlich, was Ben Verbong an dem Stoff interessiert haben mag. Sein Regiedebüt Das Mädchen mit dem roten Haar (1981) über das tragische Schicksal einer mutigen Résistance-Kämpferin bedeutete seinen internationalen Durchbruch und arbeitete mit ähnlichen Motiven. Leider ist die Ära seiner bemerkenswerten Werke, zu denen man noch den ersten Sams-Film zählen kann, längst vorüber. Inzwischen dreht er fast ausschließlich für das deutsche Fernsehen, was man der konventionellen Inszenierung der Trapp-Biografie mit ihren überdeutlichen Metaphern anmerkt. Immerhin verkommt der Gegenspieler der Familie am Ende nicht zur Karikatur.

Der Strang um die sich ausbreitende Nazi-Bewegung samt Hervorhebung der Klassengegensätze zählt zu den interessanten Aspekten der Geschichte. Einige Kameraeinstellungen zu Beginn, die Agathe gebrochen in Spiegeln einfangen, sind Ansätze eines kritischen Blicks, mit dem die anfangs egoistisch-eigensinnige Ich-Erzählerin porträtiert wird. Wo sich Christopher Plummer als Baron von Trapp in Robert Wises Musical als entschiedener Nazi-Gegner entpuppte, verhält sich Matthew Macfadyen in der aktuellen Version allzu unschlüssig und abwägend. Ohnehin bleibt Macfadyen, zum dritten Mal in Folge in einer deutschen Ko-Produktion besetzt, blass, was allerdings gleichsam an seinem unterentwickelten Part liegt. Noch viel weniger Konturen erhalten Agathes sechs Geschwister, da sich Verbong auf den Coming-of-Age-Plot und Agathas Weg in eine selbstbestimmtes Existenz konzentriert.

Überflüssig wirkt die Rahmenhandlung mit Rosemary Harris (Spiderman-Serie) als alternde Agathe, mit der die Autoren den Generationskonflikt im Geschehen im Montana der Gegenwart zu spiegeln versuchen. Aber zu abrupt fällt das dramaturgisch zugespitzte Finale mit dem Anrücken der Nazis und der der historischen Realität nicht entsprechenden Flucht in letzter Minute aus. Auch über die anfänglichen Schwierigkeiten der Familie in Amerika erfährt man nichts. Lediglich während des Nachspanns wird die internationale Karriere der am Ende wieder auf der Bühne vereinten Trapp Family Singers durch ihre goldenen Schallplatten angedeutet. Aber für diese Entwicklung benötigte man schon in den 1950er Jahren einen zweiten Teil.

Die Trapp Familie - Ein Leben für die Musik

Nach den beiden deutschen Heimatfilmen der 1950er Jahre und dem erfolgreichen Hollywood-Musical „Meine Lieder, meine Träume“ („The Sound of Music“) von 1968 stellt Ben Verbongs Familiendrama „Die Trapp Familie — Ein Leben für die Musik“ die vierte filmische Biografie der singenden Trapp-Familie dar.
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Meinungen

Hanna · 14.11.2015

Der Film ist genau so unkritisch und verkitscht wie der aus den 50er Jahren. Damals passte er in die Heimatfilm-Welle, die Deutschland nach dem verlorenen Krieg und den zerbombten Städten überschwemmte und konnte sogar zu der Zeit noch als halbwegs kritisch bezeichnet werden, da man sich bis dahin ja kaum mit dem Nationalsozialismus auseinandergesetzt hatte. Schade, ich hätte mir da - vor allem unter diesem Aspekt - mehr erwartet. Gegen die damalige Darstellerin der Novizin und späteren Baronin v. Trapp, Ruth Leuwerik, erscheint Yvonne Catterfeld doch eher schwach in dieser Rolle. Wenn man etwas für Schmonzetten und Alpenpanorama übrig hat, dann ist man in dem Film richtig.