Die Tochter meines besten Freundes

Eine Filmkritik von Silvia Bahl

Zerplatzte Vorstadtträume

Eine kleine selbstgerechte Lolita verführt Hugh Laurie in diesem charmant-bissigen Vorweihnachtsfilm und führt dabei all die bürgerlichen Lebensentwürfe ihrer Verwandtschaft ad absurdum. Die Tochter meines besten Freundes pflegt das heimelige Familiengefühl des American-Independent-Films und dekonstruiert es gleichzeitig auf wunderbar amüsante Weise. Dank treffender Besetzung und originellem Drehbuch gibt die sympathische Satire kurz vor dem Fest einige Anstöße, die eigene Bequemlichkeit zu hinterfragen.
Vanessa Walling (Alia Shawkat) lebt mit ihrer Familie in Orange, New Jersey ein beschauliches Reihenhausleben, das eng mit dem der Nachbarn verbunden ist. Die Ostroffs von der anderen Straßenseite sind bei allen Feiertagen zugegen, beim Barbecue wie beim gemeinsamen Joggen. Mit einem resignierten Sarkasmus beobachtet die Grafik-Design-Studentin den Alltag in Suburbia und rettet sich in Gedanken in eine glorreiche Zukunft bei einer Agentur in der Metropole New York. Doch dafür müsste man ja das elterliche Nest verlassen und gewisse Vorzüge aufgeben, was dazu führt, dass die etwas pummelige Erzählerin jedes Wohnungsangebot unter irgendeinem Vorwand ablehnt. Auch ihre Eltern brüten lieber im selbstgewählten, lauwarmen Unglück ihrer gescheiterten Ehe, anstatt den Mut zu haben etwas Neues anzufangen. Paige Walling (Catherine Keener) sublimiert ihre Frustration lieber durch die exzessive Vorbereitung ihrer Sternsinger-Gruppe auf das Weihnachtsfest und ihr Mann David (Hugh Laurie) hat sich schon lange in sein Gartenhaus zurückgezogen, wo er sich mit Pay-TV und Wodka tröstet.

Doch dann bringt die Rückkehr der schönen Nachbarstochter Nina (Leighton Meester) alles durcheinander und weckt schlafende Hunde. Nicht nur dass sie Vanessa einst ihren heimlichen Schwarm ausgespannt hat – die selbstbewusste Göre hat umgesetzt, wovon das schüchterne Mädchen nur zu träumen wagte: nach dem Abschluss einfach um die Welt zu reisen und sich aus der Vorstadthölle zu verabschieden. Doch auch das unverbindliche Piratenleben hat so seine Nachteile und so führt ein gebrochenes Herz die lang vermisste Tochter zurück ins Heim der Ostroffs.

Übermutter Carol (Allison Janney) schöpft neue Hoffnung, das Kind endlich mit einem vernünftigen Kerl unter die Haube zu bringen, am liebsten Vanessas wirtschaftswissenschaftlich versierten Bruder Toby (Adam Brody), doch die kleine Querulantin fühlt sich zu jemand ganz anderem hingezogen: Beim gemeinsamen Fernsehen in der Gartenlaube mit Vater David funkt es. Zunächst erschrocken von der Unangemessenheit der Situation stellen die beiden jedoch schnell fest, dass sie wirklich etwas für einander empfinden. Und bald stellen nicht nur sie sich die Frage, was eigentlich echtes Glück bedeutet – die Affirmation von falschen Sicherheiten oder der Sprung ins Unbekannte.

Julian Farino, der bis dato vor allem an TV-Serien wie Entourage oder Big Love gearbeitet hat, versammelt auf schauspielerischer Seite alle empfohlenen Zutaten für einen klassischen Indie-Film: Oliver Platt spielt Ninas tapsigen Vater so herzerwärmend, wie man ihn aus Pieces of April kennt oder auch schon an der Seite von der hier ebenfalls besetzten Catherine Keener in Please Give. Adam Brody war schon in der namensverwandten Serie O.C. California ein so liebenswerter Streber wie Leighton Meester in Gossip Girl ein rücksichtsloses Biest. Dazwischen macht sich Dr. House Hugh Laurie auch ganz gut in der Fortsetzung seines Images als zerknirschter und attraktiver Zyniker. Eine echte Neuentdeckung dagegen ist die sommersprossige Alia Shawkat, die als sympathische Erzählerin das interfamiliäre Chaos erdulden und schließlich überwinden muss.

Die Schlammschlacht, im Zuge derer die bürgerlichen Eigenheimträume den Bach runtergehen, sind für den Zuschauer allerdings mehr als unterhaltsam. Nur die Romanze zwischen der kulleräugigen Verführerin und dem Vater in der Midlife-Crisis wirkt psychologisch nicht wirklich gut ausgearbeitet. Jedenfalls lässt sie den Zuschauer kalt und provoziert mehr Ärger, da man mit ihrem nicht sehr sympathischen Charakter irgendwie nicht mitfühlen möchte, was allerdings den satirischen Charakter des Films unterstreicht. Es scheint naheliegend, dass es sich hier eher um Projektionen handelt, als um echte Gefühle, doch der Film entzaubert seine kleine femme fatale nicht und lässt sie auch noch unbeschadet von dannen ziehen. Aber ihren Charakter am Ende moralisch abzuurteilen wäre ja schließlich auch nur was für Spießer.

Die Tochter meines besten Freundes

Eine kleine selbstgerechte Lolita verführt Hugh Laurie in diesem charmant-bissigen Vorweihnachtsfilm und führt dabei all die bürgerlichen Lebensentwürfe ihrer Verwandtschaft ad absurdum.“Die Tochter meines besten Freundes “ pflegt das heimelige Familiengefühl des American-Independent-Films und dekonstruiert es gleichzeitig auf wunderbar amüsante Weise. Dank treffender Besetzung und originellem Drehbuch gibt die sympathische Satire kurz vor dem Fest einige Anstöße, die eigene Bequemlichkeit zu hinterfragen.
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