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Mann und Frau, seit ewigen Zeiten: Franz Müller erzählt Die Tagebücher von Adam und Eva, mit einer Kinderfaschingsversion des Garten Eden und mit Blicken in heutige Beziehungen.

Die Tagebücher von Adam und Eva (2023)

Eine Filmkritik von Harald Mühlbeyer

Mann und Frau und Garten Eden

Alex Brendemühl und Anca Androne spielen Adam und Eva. Sie spielen – ja. Das ist im wörtlichen Sinne zu verstehen. Ein großes, lustiges Spiel ist das! In wirren Wollperücken, er mit hautfarbener Badehose, sie in hautfarbenem Body. Eine Montur, die mit absurd überbetonten und zugleich kindlich verbrämten Geschlechtsmerkmalen an Kinderpädagogiksexpuppen erinner. Oder, die einfach von Kinderhand entworfen wurden – denn wie ein Kinderspiel wirkt das, was die beiden da veranstalten, ganz neu auf der Welt. Sie entdecken den Garten, in dem sie sich befinden, und sie entdecken einander: Er hält sie für ein lästiges Wesen, das ihn verfolgt, sie hält ihn für ein interessantes Reptil, das sie beobachten kann.

Wir sehen die beiden, wie sie durch die Welt und übereinander stolpern, und wir sehen die Welt und einander mit ihren Augen: Die Tagebücher von Adam und Eva ist eine Komödie, eine Satire auf Mann und Frau, und Franz Müller hat sich entschieden, dies nicht als straighten Spaß zu inszenieren, sondern als geradezu albernes Kinderspiel. Inklusive: Als Tiere verkleidete Menschen, die Dodo, Brontosaurus oder Giraffe im Garten Eden darstellen – sprich: ein paar Leute mit Tüchern obendrüber.

Die Episoden aus dem Paradies führen immer wieder in Episoden in der heutigen Zeit, mit Paaren, die sich finden, die sich verlieren, die sich betrügen, die sich lieben – und das Beste: Das Ganze ist hinterlegt mit einem sehr trockenhumorigen Voice Over, in dem Eva und Adam ihre Tagebucheinträge vorlesen. Immer aus dem Moment heraus – also ein paar Tage oder ein paar Wochen nach der eigenen Erschaffung –, immer mit einem neugierigen, naiven, und immer auch meinungsstarken Blick auf die Verhältnisse, die falsch gedeutet werden, die auf falsche Weise betrachtet werden … und die sich in den Heute-Szenen fortsetzen.

Mann und Frau sind schon seit Urzeiten Ziel und Zweck von Komik. Immer wieder geht es um die (angeblichen) Unterschiede, sprich um die Klischees von Männliche und Weiblich. Das ist meistens recht reaktionär nach dem Mars-Venus-Schema, siehe Mario Barth. Diese Art der Komik ist vor allem dann zu entschuldigen, wenn die Gags und Pointen und Situationen historisch sind, aus einer Zeit der festen Rollenbilder stammen, aus einer Zeit, in der Männer männlich und Frauen weiblich agierten und agieren mussten, in der also die Komik zur Erleichterung der gesellschaftlichen Zwänge diente.

Franz Müller bedient diese Art der Komik, in der der Mann hauptsächlich das Faulenzen sucht und ansonsten für die praktischen Dinge zuständig ist, die Frau aber sich den schönen Seiten des Lebens zuwendet und Blumen und Schmetterlinge liebt, und gerne das eigene Antlitz im Wasserspiegel betrachtet. Der Mann ist maulfaul und die Frau plappert ständig.

Diese komplett altmodische und nicht in die Zeit passende Form der Komik erschließt sich im Abspann: Dort nämlich wird Mark Twain als Autor der Vorlage genannt. Und tatsächlich hat Müller den kompletten Voice Over-Kommentar aus dessen 1905 erschienenen Humoreske „The Diaries of Adam and Eve“ übernommen: wortwörtlich. Und damit wird auch klar, warum der Film, trotz deutscher Produktion, in englischer Sprache gedreht ist, weil die Komik von Twain eben vor allem in der Eloquenz des Originals auflebt. Als besonderes Gimmick lässt Müller seine Eva in britischem, seinen Adam in amerikanischem Englisch sprechen.

Die spielerische Form, die sich in der Karnevalsversion der Schöpfungsgeschichte zeigt, auch in der luftigen Montage von Heute- und Damals-Szenen mit den sanft und kommentarlos gezeigten, stummen kleinen modernen Beziehungsdramen, die mit den Problemen von Adam und Eva kontrastiert werden, oder sie kommentieren – diese spielerische Form findet ihre Fortsetzung im spielerischen Umgang mit dem Originaltext.

Müller setzt die Vorlage – ja, sie ist witzig, noch heute, wenn man die Historizität mitbedenkt! – mit den modernen Erwartungen an Komik in Kontrast. Es ist witzig, wenn Adam sich wundert, was dieses kleine Wesen sein könnte, das Eva da gefunden hat. Ein Fisch, ein Bär, ein Känguru? Wenn es irgendwann „Mama“ und „Papa“ sagt, sind das zufällig wortähnliche Laute? Und gibt es mehr davon? Dazu zeigt Müller Bilder von heutigen jungen Familien, in denen das Beziehungsgefüge neu gefunden werden muss, in denen die Babys, Kleinkinder, Jugendlichen eingefügt werden müssen ins eigene Leben.

Eva wiederum denkt, auch dies gemäß dem Originaltext, ganz angestrengt nach über die Gegebenheiten der Welt, und sie sinniert ganz logisch, dass ja auch mal Wasser aufwärts fließen muss und das mit Federn und der Schwerkraft irgendwie Betrug sein muss – Mark Twain macht sich ironisch lustig über „weibliche Logik“. Müller setzt dies in einen spielerisch-unernsten Kontext, der dann übergeht in eine Eloge, in der Eva über die Liebe nachdenkt, auf begreiflich-naive Weise – sie entdeckt sie ja gerade erst ganz neu. Und wenn Müller dann in seinen Heute-Szenen ein lesbisches Paar – Laura Tonke und Eva Löbau – zeigt, dann wechselt das „I love him“ ganz nonchalant zum „I love her“. So weit entfernt sich Müller denn doch gerne vom Wortlaut des Originals.

Die Tagebücher von Adam und Eva (2023)

Eva und Adam begegnen sich im Paradies. Es wird schnell klar, dass sie sich gegenseitig nicht sonderlich attraktiv finden. Aber haben sie die Wahl? Schreiben hilft. Beide fangen an, über diese erste Begegnung zweier Menschen Tagebuch zu führen – wie man sich vorstellen kann aus sehr unterschiedlichen Perspektiven. Und während sie sich auf den Geist gehen und schlimme Dinge übereinander berichten, werden sie von einem unerwarteten neuen Gefühl überrascht: Liebe. (Quelle: Filmfest München)

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