Die Räuberin

Eine Filmkritik von Stefan Otto

Entfernungen

Von München aus ist Tania (Birge Schade) in ein Dorf im hohen Norden gezogen. Es war vielleicht einfach eine Suche nach Distanz, die sie dazu veranlasste. Tania ist Künstlerin, fertigt Skulpturen aus Industriegummi, und bleibt den Einwohnern hier oben so fremd und unergründlich, dass sie von ihnen misstrauisch beäugt wird und von der Dorfjugend begrapscht.
Die Männer zeigen ein möglicherweise natürliches Interesse an der nicht mehr ganz jungen Fremden. Tania lässt alle Übergriffe über sich ergehen. Sie spüre nichts, erklärt sie später, sie habe keinerlei Gefühle.

Der junge Thore (Daniel Michel, Dorfpunks) langt ihr zur Begrüßung an die Brust und tischt ihr erst mal eine Schauergeschichte auf, aus der hervorgeht, dass Frauen hier durchaus noch als Hexen gelten können, besonders wenn sie alleine leben und damit männlicher Gesellschaft offenbar nicht bedürfen.

Tania lässt Thore erstaunlich nah an sich heran. Irgendetwas stimmt nicht mit der Distanz. Einerseits herrscht Distanzlosigkeit, andererseits bleibt eine gewisse Entfernung immer unüberwunden, egal wie nah die beiden sich räumlich sind und wie distanzlos sie sich verhalten.

Thore hilft Tania im Garten und erklärt einmal, dass er gern „was extra“ hätte, nicht nur Geld. Sie sei nicht zum Ficken hier, sagt Tania, und gibt ihm Geld. „Meinst du, du kannst mich rumkriegen?“ fragt sie ihn dann doch und folgt ihm, wie er ihr folgt. Sie späht durchs Fenster in sein Elternhaus, wie er zuerst in ihr Haus schaute, das sie am Ort gemietet hat. Sie suchen beide Nähe, sie suchen beide die Distanz zu überwinden.

„Ich will dich haben“, begründet Tania dies Verlangen. „Ich will was für dich tun.“ Sie hat, wie sich herausstellt, vor vielen Jahren eine Tochter zur Welt gebracht, die nur wenige Tage nach der Geburt zur Adoption freigegeben wurde.

Den Jungen sieht sie nun als eine Chance, ihrem Leben eine bestimmte Wendung zu geben und damit die Schatten zu vertreiben, die es über Jahrzehnte verdunkelten. Doch Thores Mutter meint, Tania könne ihrem heranwachsenden Sohn doch gar nicht bieten, was er brauche: „Du hast ihn doch bloß verrückt gemacht.“

„Ich hab das nie gelernt, wie man gut zu jemandem ist. Hilf mir, dass ich das lerne“, bittet Tania ihren Schützling in diesem stillen Nordfriesland-Film von Markus Busch, der nach mehreren Drehbüchern (Dreileben — Komm mir nicht nach, Das Gelübde) für Dominik Graf und Fingerübungen im Kurz- und Episodenfilm ein gelungenes Langfilmdebüt vorlegt.

Die Räuberin konzentriert sich über weite Strecken ganz auf Tania und Thore und ist, obwohl nicht andauernd geredet wird, im Ergebnis ein literarischer Film, der gut vom gesprochenen Wort lebt.

Die Räuberin

Von München aus ist Tania (Birge Schade) in ein Dorf im hohen Norden gezogen. Es war vielleicht einfach eine Suche nach Distanz, die sie dazu veranlasste. Tania ist Künstlerin, fertigt Skulpturen aus Industriegummi, und bleibt den Einwohnern hier oben so fremd und unergründlich, dass sie von ihnen misstrauisch beäugt wird und von der Dorfjugend begrapscht.
  • Trailer
  • Bilder

Meinungen