Die PARTEI

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

Die Spartei hat immer recht...

Dass am 27. September 2009 ein neuer Bundestag gewählt wird, merkt man derzeit weniger auf den Straßen als vielmehr in den Kinos. Im Abstand von einer Woche treten gleich zwei Filme an, die auf ihre Weise in den Wahlkampf eingreifen und ihm neue Nuancen verleihen, ihn bunter, schillernder und (noch) absurder machen wollen. Neben dem allseits bekannten Horst Schlämmer alias Hape Kerkeling, der in seinem Beitrag Isch kandidiere! androht, tritt auch der Ex-Chefredakteur der Satirezeitschrift Titanic und jetzige Leiter der SPIEGEL ONLINE Satire-Rubrik SPAM zur Wahl an den Kinokassen an. Den politischen Ambitionen hingegen hat der Bundeswahlleiter Roderich Egeler vor kurzem eine harsche Absage erteilt: Sonneborns bereits 2004 gegründete Partei Die PARTEI (offiziell „Partei für Arbeit, Rechtsstaat, Tierschutz, Elitenförderung und basisdemokratische Initiative, kurz: Die PARTEI“) wird aufgrund „mangelnder Ernsthaftigkeit und fehlender Organisationsstrukturen“ nicht zur Bundestagswahl 2009 zugelassen. Betrachtet man den bisherigen Wahlkampf, greift die „mangelnde Ernsthaftigkeit“ gerade wie ein Virus um sich.
Die Absage kommt nicht ganz überraschend. Doch der Spaßvogel Sonneborn will sich in seinem politischen bzw. satirischen Eifer nicht bremsen lassen; der Justiziar der PARTEI Tim C. Werner lies bereits verlauten: „Ich werde jedes verdammte Rechtsmittel einlegen, das Wahlgesetz, Grundgesetz und europäische Menschenrechtskonvention hergeben!“ Bis die Mühlen der Justiz allerdings eine Entscheidung getroffen haben, bleibt für Sonneborn und seine PARTEIgenossen vorerst nur der Weg über die Kinosäle, um das Wahlvolk mit den ausgesucht populistischen Parolen wie „Niemand hat die Absicht, eine Mauer errichten. Außer uns!“ zu beglücken.

Aufgemacht wie ein Propagandafilm, der vom Jahr 2013 aus die schwierigen Anfänge der „schmierigen, kleinen Oppositionspartei“ (so Sonneborn selbst) Revue passieren lässt, eilen Martin Sonneborn und Andreas Coerper, die gemeinsam unter dem Namen SMAC Regie führten, durch die bewegte Geschichte seiner Organisation, von der PARTEI-Gründung im westfälischen Münster bis hin zur schlussendlichen Machtübernahme in gar nicht allzu ferner Zeit.

Nicht jede der zahlreichen Aktionen von Die PARTEI ist dabei ein Treffer. Und über die Länge von 90 Minuten hat der Film ebenso viele Längen wie manche Regierungserklärung oder Parlamentssitzung. Wenn Sonneborn und seine Parteikollegen aber mit unglaublicher Dreistigkeit das Büro des FDP-Abgeordneten Dr. Siegfried Gelbhaar in Beschlag nehmen, die Räumlichkeiten schon mal ausmessen und dem Verdutzten 200 Euro dafür bieten, wenn er ihnen nach seinem (unfreiwilligen) Auszug den Schreibtisch überlässt, dann erinnert dies durchaus an den ollen Hauptmann von Köpenick und wirft ein bezeichnendes Licht auf unsere Wahrnehmung von Politikern. Manchmal reichen eben schon nassforsches Auftreten und ein grauer Polyester-Anzug für 49,99, um ernst genommen zu werden. Ähnlich komisch und entlarvend ist auch der Besuch einer Delegation der PARTEI bei der georgischen Labour Party, der größten Oppositionspartei des Landes , bei der von wohlfeilem Blabla über die Unterzeichnung von überflüssigen Verträgen bis hin zum Trinkgelage mit Showeinlage wirklich kein Klischee des reise- und vergnügungssüchtigen Parlamentariers ausgelassen wird – inklusive der Kameraführung, die politisch herrlich inkorrekt immer wieder auf den Busen der georgischen Sängerin schielt und damit die lüsternen Blicke der Jungpolitiker nachahmt.

Weniger komisch, sondern viel eher schon ziemlich bitter hingegen sind die Aktionen der PARTEI, bei denen an der Grenze zwischen Hessen und Thüringen die Mauer symbolisch wiederaufgebaut wurde. Immerhin weiß aber auch hier Sonneborn die öffentliche Meinung auf seiner Seite: Laut einer FORSA-Umfrage, auf die sich die PARTEI beruft, wünscht sich jeder neunte Deutsche die Mauer zurück. Dass der smarte Querkopf von einigen der Schaulustigen keine Prügel bezog, ist das eigentlich Erstaunliche.

Überhaupt lässt Sonneborn, der manchmal in seinen Provokationen beinahe ein wenig an seinen kasachischen Kollegen Borat erinnert, nur höchst ungern ein Fettnäpfchen aus. So zum Beispiel bei der Casting-Show mit dem Motto „Frau ja – aber schöner“, mit der sich die PARTEI auf die Suche nach einer geeigneten Kanzlerkandidatin machte. Auf die Gewinnerin Samira El Ouassil angesprochen, bekannte der große Vorsitzende, die Wahl sei natürlich schon vorher eine abgemachte Sache gewesen. Denn a) sei die Kanzlerkandidatin „das größte Luder“ und b) habe sie „ein Verhältnis mit ihm“.

Wer – wie mancher der empörten Vorgeführten im Film – Sonneborn allzu ernst nimmt, bekommt nicht mit, mit welcher Frechheit und Treffsicherheit er all die wunden Punkten der Parteienlandschaft und der Gesellschaft aufgreift: Machtmissbrauch, Korruption, die undurchsichtigen Verbindungen von Wirtschaft und Politik, Dummheit, Wichtigtuerei, Oberflächlichkeit, das inhaltsleere Schwadronieren vieler Volksvertreter und deren Abgehobenheit, die unerträglich platten Wahlkampfparolen und Anbiedereien ans liebe Stimmvieh, der alltägliche Sexismus in der Werbung und Etliches andere mehr – wie ein Schwamm saugt der gewiefte Satiriker Sonneborn all dies auf und formt es geschickt zu griffigen populistischen Parolen um.

Man muss den Humor dieses Films und auch den stets unbewegt dreinblickenden PARTEIvorsitzenden nicht mögen. Doch wer sich für Politik und vor allem für das öffentliche Bild der Politik interessiert, dem bietet dieser Film neben einigen wirklich witzigen Szenen beinahe schon erschreckende Erkenntnisse darüber, wie es um die Politikerverdrossenheit in Deutschland wirklich bestellt ist. Allein das ist ein hinreichend ernstes Thema, das eigentlich eine Zulassung zur Bundestagswahl mehr als gerechtfertigt hätte.

Passend zum Filmstart erscheint in diesen Tagen auch Martin Sonneborns Buch Das PARTEI Buch – Wie man in Deutschland eine Partei gründet und die Macht übernimmt. Auch wenn es bei der diesjährigen Bundestagswahl sicherlich nicht mit der Wahlübernahme klappen wird: Sonneborn ist ohne Zweifel ein Mann, der dahin geht, wo es weh tut. Und der genau weiß, was das Volk will. Immerhin weiß er dabei ein gutes Argument auf seiner Seite: „In der Politik wird heutzutage geäußert, was Stimmen bringt, und das werden wir auch tun. Ich finde es schließlich besser, wenn wir die Stimmen bekommen als irgendwelche Rechtsradikale.“ Wohl wahr…

Und die PARTEI hat noch ein gutes Argument auf ihrer Seite: Sonneborns gecastete Kanzlerkandidatin Samira El Ouassil sticht – zumindest in punkto Attraktivität – die Konkurrenz um Angela Merkel, „Zensursula“ von der Leyen, Gabriele Pauli und Kader Loth (von der ebenfalls nicht zugelassenen Freien Union) und all die anderen tapferen, aber entsetzlich spröden Parteisoldatinnen, um Längen aus. Nur schade, dass man sie nicht wählen kann. Das macht die Qual der Bundestagswahl auch nicht gerade einfacher. Dass im bisherigen Wahlkampf neben öffentlichen Erregungen über „Busenplakate“ und der Verunsicherung über die Piratenpartei der Film einer Partei, die überhaupt nicht zur Wahl antritt, für ein erstes Ausrufezeichen sorgt, wirft jedenfalls ein bezeichnendes Licht auf das, was uns in den kommenden Wochen erwartet.

Die PARTEI

Dass am 27. September 2009 ein neuer Bundestag gewählt wird, merkt man derzeit weniger auf den Straßen als vielmehr in den Kinos. Im Abstand von einer Woche treten gleich zwei Filme an, die auf ihre Weise in den Wahlkampf eingreifen und ihm neue Nuancen verleihen, ihn bunter, schillernder und (noch) absurder machen wollen.
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Meinungen

Keno Schulte · 12.08.2009

Hallo!

Der Artikel ist sehr gelungen! Ein paar Dinge sind mir allerdings aufgefallen.

1.) "Mangelnde Ernsthaftigkeit" bezieht sich nicht auf die Inhalte einer Partei, sondern auf Mängel in der Organisationsstruktur und Ähnliches. Es kann aber natürlich sein, dass der Bundeswahlleiter das auch nicht richtig verstanden hat. Er beruft sich anscheinend auf ein Pflicht-Fax aus NRW über Veränderungen im Landesverband NRW, aus dem er schließt, dass wir nur noch einen Landesverband hätten. Statt immerhin neun. Von dieser grotesk falschen Annahme will er sich nicht abbringen lassen. Das Fax will er natürlich auch nicht zeigen. Nicht mal seinen Wahlleiterkollegen. Wir können da nur Vermutungen anstellen.
2.) Martin Sonneborn und Andreas Coerper machen zwar zusammen Filme (z.B. auch "Heimatkunde"), aber SMAC Film gehört Andreas Coerper und seiner Partnerin Susanne Müller.
3.) Das "Das PARTEI Buch" ist bereits im Januar erschienen und sehr gut.

Nix für ungut. Sonst sehr schön!

Mit freundlichen Grüßen

Keno Schulte