Die Klasse

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

Das süße Leben der Lehrer?

„Tja“, posaunt so mancher Stammtischbruder in die Welt hinaus, „Lehrer müsste man sein: halbtags arbeiten und zwölf Wochen Urlaub pro Jahr, und das alles mit Beamtenstatus – so gut müsste man es haben.“ Wer allerdings sehenden Auges durch die Welt geht und unter Umständen noch selbst Kinder im schulfähigen Alter hat, der ahnt vielleicht, dass dieser vermeintliche Traumjob sich bei genauerer Betrachtung eher als Last denn als Lust entpuppt. Immer mehr pädagogische Aufgaben bekommen die Lehrer aufgedrückt, sollen den Kindern Kummerkasten und Antreiber, Elternersatz und Integrationsbeauftragter in einer Person sein – und müssen selbstverständlich die Zöglinge allesamt zu einem guten, nein zum bestmöglichen Abschluss bringen. Dies sind die Wünsche und Hoffnungen, die Realitäten aber sehen anders aus.
Im 20. Arrondissement von Paris, das den Namen Ménilmontant trägt und am rechten Seineufer liegt, ist die Mittelschule angesiedelt, in der der junge Französischlehrer François (François Bégaudeau) unterrichtet. Das Quartier ist vor allem geprägt durch die vielen Migranten aus aller Herren Länder, die hier leben und arbeiten – und zur Schule gehen, sofern sie noch dazu verpflichtet sind. Als der Lehrer zum Schuljahresbeginn eine siebte Klasse neu übernimmt, ahnt er schnell, dass ihn die 14-bis 15-jährigen Schüler auf eine harte Probe stellen werden. Immer wieder stören einzelne Kids den Unterricht, geben sich demonstrativ gelangweilt oder faul oder rebellieren auf ihre Art gegen ihre Perspektivlosigkeit. Was sie damit erreichen wollen, wissen sie wohl selbst nicht, doch es ist ihre Art, mit dem Druck und den Ängsten umzugehen, die sie begleiten. François aber lässt sich nicht entmutigen und beginnt mit Engagement und unkonventionellen Methoden den Kampf gegen Frust und Unlust. Es folgen viele kleine Niederlagen und mindestens ebenso viele unverhoffte Erfolgserlebnisse – für ihn und für seine Schüler.

Entre les murs – „Zwischen den Mauern“, so lautet der französische Originaltitel dieses Films von Laurent Cantet, der im Mai 2008 recht überraschend die Goldene Palme in Cannes gewann. Und in der Tat spielt der Film fast ausschließlich innerhalb des geschlossenen Systems Schule. Doch es sind nicht nur die realen Mauern des Klassenzimmers und des Konferenzraumes, die diesen Film beherrschen, sondern vor allem die Mauern und fest gefügten, starren Strukturen in den Köpfen, gegen die François immer wieder anrennt, die er versucht zu umgehen oder niederzureißen.

Der Hauptdarsteller, der den charismatischen Lehrer nicht als Übermenschen, sondern als Kämpfer gegen die Tücken des Alltäglichen interpretiert, ist übrigens kein Geringerer als der Autor der Buchvorlage François Bégaudeau. Der war früher selbst Lehrer (und Sänger bei der Punkband Zabriskie Point) und schrieb seine Erfahrungen und Erlebnisse eines Schuljahres unter dem Titel Entre les murs nieder. Dafür erhielt er 2006 den renommierten Prix France Culture/Télérama. Das Buch ist nun pünktlich zum Filmstart ebenfalls auf Deutsch erhältlich und zeigt mit reichlich Sarkasmus und treffsicher-ätzenden Dialogen, dass Schule eben nicht nur fürs Leben bildet, sondern dieses auch punktgenau reflektiert. Denn dass François und seine Schüler (übrigens allesamt dargestellt von Laienschauspielern einer real existierenden Schule in Paris) trotz ihres Hyperrealismus nicht nur die Klassenkämpfe in den Schulen zeigen, sondern auch ein perfektes Abbild der Gesellschaft sind, das wird dem Zuschauer schon früh klar.

Auch wenn die Beschränkung auf die Schule, die beinahe dokumentarisch anmutenden, forschenden Großaufnahmen der Gesichter und die Dialoglastigkeit dieses Films ihn nicht zu leicht verdaulicher Kinokost machen: Wer wissen will, wie es in vielen Schulen heutzutage wirklich aussieht – und dabei ist es einerlei, ob der Film nun in Frankreich oder in Deutschland angesiedelt ist – , der kommt an Laurent Cantets Die Klasse / Entre les murs nicht vorbei. Und am Ende bekommt man eine Ahnung davon, dass Lehrer zu sein wohl eher als Berufung denn als Beruf verstanden werden muss. Der Mär vom süßen Leben der Pädagogen macht dieser Film wohl endgültig den Garaus. Und das ist auch gut so: Denn nur wenn wir bereit sind, wie Laurent Cantet und François Bégaudeau einen realistischen und nahezu unverstellten Blick auf die Verhältnisse an den Schulen zu werfen, können wir begreifen und etwas verändern. Dieser mutige Film kann dazu zweifelsohne einen Anstoß geben. Und das ist schon eine ganze Menge.

Die Klasse

„Tja“, posaunt so mancher Stammtischbruder in die Welt hinaus, „Lehrer müsste man sein: halbtags arbeiten und zwölf Wochen Urlaub pro Jahr, und das alles mit Beamtenstatus – so gut müsste man es haben.“
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Meinungen

Gast · 17.02.2009

Interessant und spannend von der ersten bis zur letzten Minute! Ein eindringlicher Lehrer ... und Schüler, von denen man manchmal so sehr spürt, dass sie auf einem Boden stehen, der nicht ihrer ist.

myrna · 07.02.2009

0815 film, der mal wieder alle klischees bedient, die eine konservative gesellschaft heute für modern hält. französische schulen haben einen fast ebenso miesen ruf, wie deutsche, da auch dort die meinung vorherrscht, schule und bildung seien keine widersprüche.

· 24.01.2009

Für mich zeigt dieser Film die Absurdität in die ein Schulsystem gerät, das nicht mehr auf seine SchülerInnen abgestimmt ist. System, Lehrer und Schüler scheinen hier aneinander vorbei zu leben, wobei die Schüler die größten Verlierer hierbei zu sein scheinen. Auch die Lehrer scheinen überfordert und bräuchten eigentlich eine andre Ausbildung, um mit solchen Schülern zu arbeiten. Da bekommt man doch Lust, das Schulsystem zu revolutionieren.

· 21.01.2009

sehr intensiv. toll!

simmerl · 21.01.2009

was für rechtschreibfehler, sorry :)

simmerl · 20.01.2009

find ihn nicht schlecht und net gemacht, dass das ja alles laien waren mehr oder weniger. finds auch von demher gut, weil ich glaub, so ähnlich kann des schon aussehen an ner schule.
aba im großen und ganzen zu lang und nix besonderes.
weiß nicht warum der aks SOO toll dargestellt wird

Escobar · 19.01.2009

Schade das die Abhandlung eines eigentlich realen Themas so langweilig umgesetzt worden ist.
Aber die Personen im Film sind absolut authentisch und die gezeigten Probleme in Bezug Schulaltag entsprechen denen die auch an deutschen Schulen präsent sind.

Singer Francine · 19.01.2009

fabelhafter Film. Schade, dass der Schluss etwas abrupt geraten ist, als hätte es wegen Überlänge einen technischen Schnitt gegeben.

henry · 10.01.2009

Wenn man das Festival von Cannes 2008 retrospektiv betrachtet, scheint der Sieg von Entre les murs gar nicht mehr so überraschend. Als zur Eröffnung Jury-Mitglied Jeanne Balibar von ihren Erwartungen an die kommenden Festival-Tage spricht, sagt sie: „Während wir hier 2 Wochen sitzen und uns Filme anschauen, werde ich an meine beiden Kinder denken, die in Paris zur Schule gehen. Alle zwei Wochen werden die Eltern eines ihrer Mitschüler aus Frankreich ausgewiesen. Ich werde vielleicht nicht beim Anschauen der Filme daran denken, aber vergessen werde ich es auch nicht.”

max mustermann · 08.01.2009

Schlechtster Film aller Zeiten. Pornos haben mehr Handlung und tiefsinn wie dieser Film.