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Schönheit und Schrecken liegen oft nah beieinander. Das zeigen Jennifer Baichwal, Edward Burtynsky und Nicholas de Pencier in ihrem neuen Dokumentarfilm, der sich der Zerstörungskraft des Menschen annimmt.

Die Epoche des Menschen (2018)

Eine Filmkritik von Falk Straub

Erschreckend schönes Erdzeitalter

Offiziell befinden wir uns immer noch im Holozän, jener Epoche nach der Eiszeit, die nun schon knapp 12.000 Jahre anhält. Doch die Eingriffe des Menschen in unseren Planeten, allein die schieren Massen Erde, die er tagtäglich umwälzt, sind so enorm, dass nicht wenige in der Wissenschaft für eine neue Zeitrechnung plädieren. Jennifer Baichwal, Edward Burtynsky und Nicholas de Pencier sind rund um den Globus gereist und haben Bilder eingefangen, die dafür sprechen, dass wir uns längst im Anthropozän, in der Epoche des Menschen, befinden.

Das Regietrio fackelt nicht lang. Ein gewaltiges Flammenmeer schlägt uns zum Auftakt von der Leinwand entgegen. Dessen Ursprung erschließt sich erst ganz am Schluss. Dazwischen macht der Film in 20 Ländern Station, zeigt abgeholzte Wälder, sterbende Korallenriffe und gigantische Mülldeponien, Bergwerke, Industrieanlagen und Tunnel, monströse Maschinen und die Menschen, die sie bedienen. Ab und an hält der Film inne für einen kurzen Plausch. Meist ist er aber schon wieder auf dem Sprung zur nächsten atemberaubenden Location.

Die Epoche des Menschen ist ein Endpunkt. Nach Manufactured Landscapes (2006), in dem der Fotograf Edward Burtynsky im Mittelpunkt stand, und Watermark (2013), bei dem Burtynsky bereits Co-Regie und Nicholas de Pencier die Kamera führte, beschließt Jennifer Baichwals jüngster Film eine Trilogie über das Anthropozän. Seine Premiere feierte er im September 2018 in Toronto. In Deutschland war er erstmals bei der 69. Berlinale im Februar 2019 zu sehen. Wenn er nun regulär in die deutschen Kinos kommt, wirkt er ein wenig überholt.

Inhaltlich wie formal erinnert Die Epoche des Menschen stark an Nikolaus Geyrhalters im vergangenen Jahr veröffentlichten Erdenicht zuletzt deshalb, weil er zum Teil an denselben Orten gedreht wurde. Die große Stärke von Geyrhalters Dokumentarfilm ist dessen formale Strenge und Beschränkung. Der österreichische Regisseur besucht lediglich sieben Länder der Erde. Vor Ort bleibt mehr Zeit. Die Gespräche sind länger, intensiver, vor allem aber reflektierter. Auf einen einordnenden Kommentar verzichtet er hingegen ganz.

Im englischsprachigen Original der Epoche des Menschen hat die Schauspielerin Alicia Vikander den Kommentar übernommen. In der deutschen Synchronisation tut es ihr ihr Kollege, der für sein Umwelt-Engagement bekannte Hannes Jaenicke, gleich. Dessen sonore Stimme verleiht dem Film eine gewisse Schwere und Wertung des Gezeigten. Rose Boltons und Norah Lorways zunehmend sphärischer werdende Musik unterstreicht den Ernst der Lage. Diese Ergänzungen aus dem Off sind jedoch sehr dosiert gesetzt. Baichwal, Burtynsky und de Pencier lassen hauptsächlich die von Letztgenanntem wunderschön fotografierten Bilder für sich sprechen.

Die Luftaufnahmen, Kameraflüge und gleitenden Bewegungen fangen all die Widersprüchlichkeit dieser massiven, von Menschenhand gemachten Umwälzungen ein. Denn aus der Distanz sieht der Raubbau an der Natur durch Muster, Symmetrie und Farbenspiel ein ums andere Mal wie ein (abstraktes) Kunstwerk aus. Eine verstörende, durch Zerstörung erzeugte Schönheit.

Auswege aus dieser Gefräßigkeit, die unseren Planeten kontinuierlich sich einverleibt, zeigt dieser Film nicht auf. Seine zu Beginn ins Bild gerückte und am Ende wieder aufgegriffene Botschaft ist eindeutig: Die Welt steht in Flammen. Das Anthropozän könnte die letzte Epoche des Menschen sein.

Die Epoche des Menschen (2018)

Gemeinsam mit drei Kollegen reist die Regisseurin Jennifer Baichwal in 20 Ländern auf der ganzen Erde, um die Eingriffe des Menschen in die Natur festzuhalten. 

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