Die Entdeckung der Unendlichkeit (2014)

Eine Filmkritik von Sonja Hartl

Die Liebe und die Zeit

Am Anfang von Die Entdeckung der Unendlichkeit steht ein verschwommenes Bild, das mehrere Personen von hinten zeigt. Es folgt eine Überblende und eine Titeleinblendung informiert über Ort und Zeit der nun folgenden Handlung: In Cambridge im Jahre 1963 will der Kosmologie-Student Stephen Hawking (Eddie Redmayne) eine Erklärung für das Universum entdecken. Auf einer Party begegnet er der jungen Kunststudentin Jane (Felicity Jones). Sie verbringen den Abend miteinander, treffen sich wenig später wieder und verlieben sich. Dann erhält der 21-jährige Hawking jedoch die Diagnose, dass er unter der Motoneuron-Krankheit leidet, eine Erkrankung ähnlich ALS, und nach Einschätzung seines Arztes noch zwei Jahre zu leben hat. Stephen zieht sich zurück, Jane will ihre Liebe aber nicht aufgeben und überzeugt ihn, dass sie die Zeit, die ihm bleibt, miteinander verbringen sollten.

Basierend auf Jane Hawkings Memoiren Travelling to Infinity: My Life with Stephen erzählt Regisseur James Marsh (Man on Wire) nach einem Drehbuch von Anthony McCarten (Am Ende eines viel zu kurzen Tages) weniger von der Arbeit Stephen Hawkings als von einer Liebe, die an einer unheilbaren Krankheit zu scheitern droht. Schon die ersten Bilder der Begegnung zwischen Jane und Stephen sollen die große Zuneigung zeigen, die sie füreinander empfinden, obwohl sie gegensätzlicher nicht sein könnten: Stephen ist Atheist und überzeugt, dass jeder Glaube im Widerspruch zur Wissenschaft steht; Jane geht jeden Sonntag in die Kirche. Auf einem Sommerfest bezaubert Stephen Jane mit einem Gespräch über die fluoreszierende Eigenschaft von Waschmittel – und sie küssen sich unter einem Sternenhimmel. Dabei bleibt der Film inszenatorisch überaus konventionell. Die Farben sind warm, die Sterne stehen für Romantik und die vergehende Zeit drücken Sequenzen im Stil von selbstgedrehten Familienvideos aus, die zudem wichtige Ereignisse wie die Hochzeit und die Geburten der Kinder raffen. Denn im Gegensatz zur Prognose des Arztes lebt Stephen Hawking länger als zwei Jahre.

Bemerkenswert sind in diesem Film vor allem die Schauspieler. Eddie Redmayne vollzieht eindrucksvoll die zunehmende körperliche Einschränkung nach, seine Bewegungen, seine Mimik wirken täuschend echt. Bis zuletzt überzeugt diese Ähnlichkeit mit Stephen Hawking, zugleich aber nutzt Redmayne winzige Veränderungen in der Mimik, um seine Gefühle auszudrücken. So versucht Stephen in einer schmerzhaften Szene, eine Treppe heraufzukommen, und muss sich mühsam hochziehen, während er auf den Stufen liegt. Von oben schaut sein ungefähr zweijähriger Sohn Robert auf ihn hinunter – und sieht seinen Vater, der über eine geringere Motorik verfügt als er selbst. Hier reicht Redmayne ein Blick, um die Bedeutung dieses Moments spürbar werden zu lassen.

Durch Redmaynes darstellerische Leistung lässt sich Stephens Hadern mit der Erkrankung zumindest erahnen, das Drehbuch schwenkt indes mit Zunahme der Symptome weitaus stärker auf Janes Erzählperspektive. Nachdem sie erfahren hat, dass Stephen krank ist, bleibt sie an seiner Seite und verausgabt sich völlig als Ehefrau, Mutter und Pflegerin. Dabei gelingt es Felicity Jones nicht nur, eine Zeitspanne von über 25 Jahren überzeugend zu spielen, sondern auch Janes Veränderung deutlich werden zu lassen: Ihre Ehe und ihr Zusammenleben überfordern sie zunehmend, sie hat keine Zeit mehr für sich, sondern opfert sich auf – bis sie erkennt, dass sie nicht mehr weitermachen kann.

Im Kirchenchor begegnet sie schließlich Jonathan (Charlie Cox), der erst ein Freund der Familie wird und sich später in Jane verliebt. Indem seine Nähe zu Stephen und den Kindern sowie die Rolle, die er übernimmt, gezeigt werden, haben Anthony McCarten und James Marsh einen erwachsenen Weg gefunden, von dieser zweiten Liebe und Janes Zweifeln zu erzählen. Ihre Gefühle und das Verständnis auf allen Seiten werden nahezu sichtbar. Allerdings bleibt auch hier ein wenig Skepsis, ob mögliche negative Empfindungen im Film nicht ausgespart werden. Das Anliegen des Films ist, von der Liebe zwischen Stephen und Jane Hawking zu erzählen, von einer Ehe, die durch eine Krankheit bestimmt wird. Schattenseiten werden dennoch höchstens angedeutet. Auch Hawkings physikalische Arbeiten werden nur am Rande thematisiert. Sie dienen vor allem als Beweis, dass sein Verstand trotz seiner körperlichen Nachteile brillant arbeitet, und verdeutlichen die Rolle, die Zeit für Stephen Hawking spielt. Die Entdeckung der Unendlichkeit ist ein etwas zu langer Film über die Liebe zweier Menschen, in dem die Hauptdarsteller herausragen. Angesichts ihrer Leistungen verwundert es wenig, dass nach der Weltpremiere in Toronto sofort vermutet wurde, dass Redmayne ins Oscar-Rennen gehen wird. Denn bekanntermaßen liebt die Academy solche Geschichten.
 

Die Entdeckung der Unendlichkeit (2014)

Am Anfang von „Die Entdeckung der Unendlichkeit“ steht ein verschwommenes Bild, das mehrere Personen von hinten zeigt. Es folgt eine Überblende und eine Titeleinblendung informiert über Ort und Zeit der nun folgenden Handlung: In Cambridge im Jahre 1963 will der Kosmologie-Student Stephen Hawking (Eddie Redmayne) eine Erklärung für das Universum entdecken. Auf einer Party begegnet er der jungen Kunststudentin Jane (Felicity Jones). Sie verbringen den Abend miteinander, treffen sich wenig später wieder und verlieben sich.

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