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Melissa McCarthy als trauernde Mutter, die sich einen Kleinkrieg mit einem Vogel liefert – das verspricht ein Slapstick-Fest. Regisseur Theodore Melfi, der McCarthy schon in „St. Vincent“ inszenierte, zeigt hingegen erneut eine andere Seite der Komödiantin.

Der Vogel (2021)

Eine Filmkritik von Falk Straub

Schräge Vögel

Seit 2005 gibt es in Hollywood eine Black List, auf der die besten unverfilmten Drehbücher stehen. Bereits im ersten Jahr der von Franklin Leonard unter Branchenkennern durchgeführten Umfrage landete das Skript zur hier besprochenen Tragikomödie darauf. Bis zu dessen Adaption sollten weitere 14 Jahre vergehen. Das Ergebnis ist jetzt bei Netflix zu sehen und offenbart sowohl, was die Story so begehrt machte, als auch, wo es Nachbesserungen bedurft hätte.

Drehbuchautor Matt Harris verdient seine Brötchen inzwischen mit der Produktion von Fernsehformaten. Seine Geschichte über einen langen Abschied und einen Neuanfang hat er mit Metaphern vollgepackt. In Hollywood kommt das bekanntlich immer gut an. Dementsprechend wimmelt es in diesem Film von schrägen Vögeln, lebensrettenden Kindheitserinnerungen und den Hausrat entrümpelnden und den Garten umgrabenden Veränderungen. Am Ende geht all das zwar überraschend ordentlich zusammen, lässt die Figuren aber auch zu einfach davonkommen.

Nach dem Tod ihrer Tochter gehen Lilly (Melissa McCarthy) und Jack Maynard (Chris O’Dowd) vorübergehend getrennte Wege. Jack sortiert sich in einer pittoresken psychiatrischen Klinik neu. (Die gibt zwar bilderbuchschöne Kinobilder her, wirft aber unweigerlich die Frage auf, wie sich das Paar eine solch noble Einrichtung mit ihren überschaubaren Gehältern leisten kann.) Lilly sortiert Supermarktregale. Er kommt mit dem Leben nicht mehr klar, sie lebt einfach weiter und merkt nicht, dass auch sie Hilfe braucht.

Den Weg aus der Krise zeigen ihr zwei schräge Vögel auf, im übertragenen wie im wörtlichen Sinn. Auf Empfehlung von Jacks Psychiaterin schaut Lilly bei Dr. Larry Fine (Kevin Kline) vorbei. Doch der ehemalige Therapeut ist inzwischen Veterinär. Statt Menschen behandelt er Tiere und therapiert deren Frauchen und Herrchen von diesen unbemerkt gleich mit. Zu Hause vor Lillys Veranda lauert indessen echtes Federvieh. Beim Versuch, einen Gemüsegarten anzulegen, wird Lilly von einem Star attackiert, der sein Nest samt frischgeschlüpftem Nachwuchs verteidigt. Letzten Endes macht’s die Mischung. Die Kombination aus Gesprächen mit dem kauzigen Doktor und der „Bewegungstherapie“ im Grünen führen Lilly zurück ins Leben, in dem schließlich auch ihr Mann Jack irgendwann wieder ankommt.

Auf dem Regiestuhl hat Theodore Melfi Platz genommen. Der war für Hidden Figures (2016) nicht nur für zwei Oscars nominiert, sondern hat mit dem Biopic über drei Schwarze Mathematikerinnen, die maßgeblich am Erfolg des Appollo-Programms beteiligt waren, auch bewiesen, dass er Drama und Komödie ebenso ausgewogen wie unterhaltsam auf die große Leinwand bringen kann. Seine Vorliebe für schräge Vögel hat er bereits zwei Jahre zuvor in St. Vincent (2014) gezeigt.

Dessen Hauptdarsteller Bill Murray hätte nun auch perfekt für die Rolle des Dr. Larry Fine gepasst. Dass es am Ende Kevin Kline geworden ist, dürfte viele Filmfans freuen. Denn im Gegensatz zu Murray ist es um den drei Jahre älteren Kline in letzter Zeit still geworden. Dass der einstige Komödien-Gigant immer noch eine Größe ist, mit der man rechnen muss, führt er in Melfis Tragikomödie eindrucksvoll vor. Fine ist ein Mann der feinen Zwischentöne. Hauptdarstellerin Melissa McCarthy steht dem prominenten Kollegen in nichts nach. Die zwei ergänzen sich vor der Kamera ebenso wunderbar wie McCarthy und Chris O’Dowd, der wie seine Partnerin sein viel zu selten genutztes Talent für dramatische Rollen ausgiebig an den Tag legen darf.

Davon hätte man sich mehr gewünscht, denn die dramatischen Anteile sind den komischen haushoch überlegen. Am stärksten ist Der Vogel immer dann, wenn der grottenschlecht animierte Vogel keine Rolle spielt und McCarthy & Co. in kleinen, aber feinen zwischenmenschlichen Momenten groß aufspielen. Der CGI-Star steht den Stars aus Fleisch und Blut aber auch bei der Figurenentwicklung im Weg. Weil sich Harris in seinem Drehbuch allzu sehr auf seine Metaphern verlässt, braucht er sich um die wahre Tragweite eines plötzlichen Kindstods nicht zu kümmern. Ein lustiger Kleinkrieg mit einem Piepmatz, das Leerräumen des Kinderzimmers und ein wenig Gartenarbeit reichen aus, um tiefe emotionale Wunden zu heilen.

Bei der internationalen Filmkritik kam so viel zum Kitsch neigende Verkürzung gar nicht gut an. Nach der Weltpremiere bei den Filmfestspielen in Toronto, wo Melfis Film kurz vor seinem Netflix-Start zu sehen war, hagelte es Verrisse. Ein Oscar-Kandidat ist dieser Film mit Sicherheit nicht. In die heile Netflix-Welt mit ihren vielen Wohlfühl-Dramödien passt Der Vogel aber ausgesprochen gut.

Der Vogel (2021)

Nach einem Schicksalsschlag leben Lilly und Jack Maynard völlig unterschiedliche Leben. Er macht sich aus dem Staub, sie bekommt Gesellschaft von einem impertinenten Vogel, den zu töten eine Art Obsession für sie wird.

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