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Was wäre, wenn man Menschen mit Drogen dazu bringen könnte, bestimmte Gefühle zu fühlen? Dieser Frage geht der neue Netflix-Thriller nach, gibt aber kaum befriedigende Antworten.

Der Spinnenkopf (2022)

Eine Filmkritik von Markus Fiedler

Ein Kratzen an der Oberfläche

Regisseur Joseph Kosinski ist momentan in aller Munde, könnte er doch mit Top Gun: Maverick“ den erfolgreichsten Film des Jahres gedreht haben. Da der Film fast zwei Jahre später in die Kinos kam als geplant, konnte er noch nicht wissen, wie bekannt er sein würde, als er für Netflix den Thriller „Der Spinnenkopf“ drehte. Der Film nach der Kurzgeschichte des US-Autors George Saunders, dessen Buch in einer Szene sogar zu sehen ist, handelt von den Möglichkeiten, die Gefühle von Menschen durch Drogen zu manipulieren. Und gleich zu Beginn zeigt Kosinski das eindrucksvoll am Beispiel eines Gefangenen, der die Spaßdroge bekommt und danach selbst Opferlisten aus dem Ruanda-Konflikt für verdammt gelungene Comedy hält, begleitet von den Klängen von „Logical Song“ der 70er-Jahre-Band Supertramp. Der passt zwar textlich zum Geschehen, ist allerdings auch alles andere als subtil. Und zeigt damit schon in den ersten Minuten das Problem des Films auf.

Die Drehbuchautoren Rhett Reese und Paul Wernick arbeiten als Autoren-Duo bereits seit 2009 zusammen, als sie das gelungene Script für Zombieland schrieben. Seitdem gelangen ihnen einige Hits, unter anderem die beiden Deadpool-Drehbücher. Allerdings wurden die Filme stets nur dann erfolgreich, wenn es sich um Komödien handelte. Der Versuch eines Horrorfilms in der Tradition von Alien gelang mit Life nur mäßig, auch der Netflix-Actionfilm 6 Underground überzeugte nicht durch die Handlung. Der Spinnenkopf hat mit einer Komödie wenig zu tun – und dementsprechend kratzt das Script von Rheese/Wernick hier nur an der Oberfläche dessen, was das Thema eigentlich hergegeben hätte.

Was wäre, wenn jemand von außen unser Gefühlsleben bestimmen könnte? Was für ein andauernder Albtraum muss es sein, nicht zu wissen, ob die eigenen Gefühle echt sind oder nur durch eine Chemikalie hervorgerufen werden? Zu Beginn der Story gelingen Kosinski und seinen Autoren dazu noch eindrucksvolle Szenen, wenn Hauptfigur Jeff (Miles Teller) und Heather (Tess Haubrich) drogenbedingt übereinander herfallen, weil sie die Lust nicht länger zügeln können. Und Steve (Chris Hemsworth), der charismatische Chef des Projekts, Jeff kurze Zeit später mit der deutlich weniger attraktiven und weitaus älteren Sarah in die gleiche Situation bringt. Jeff hat gerade noch Zeit zu protestieren und seine Abneigung dagegen auszudrücken, bevor ihm erneut keine Wahl bleibt. In diesen Szenen blitzen die Möglichkeiten der Grundidee auf und zeigen Wirkung. Denn Jeffs Dilemma lässt das Publikum nicht kalt.

Leider biegt das Drehbuch bald darauf ab und beschäftigt sich lieber mit seinem gutaussehenden und narzisstischen Antagonisten, den Chris Hemsworth mit großer Begeisterung verkörpert. Der verhält sich aber nicht nur unglaubwürdig fahrlässig, sondern auch noch ziemlich dumm, sodass seine Experimente aus dem Ruder laufen können. Dabei überzeugt aber das ganze Szenario des Komplexes, der durch die spezielle Optik dem Film seinen Namen gibt, an keiner Stelle. Das Script gibt vieles als gegeben vor, das reichlich unglaubwürdig ausfällt, ob es das friedliche Zusammenleben ohne Gitter und Wachen trotz schwer krimineller Insassen ist oder Experimente mit minimaler Sicherheitsvorkehrung und wenig verwertbarem Ergebnis.

Und so lässt die Story, die durch ihr Thema eigentlich eine gute Chance hat, das Publikum emotional zu packen, weitgehend eher kalt. Das liegt neben Kosinskis Entscheidung, den Film komplett in einen möglichst kühlen Look zu kleiden, und dem flachen Drehbuch auch an den Darstellern. Während Hemsworth in seiner Rolle durchaus überzeugt, glaubt man dem hier wie in seinen meisten Filmen eher zurückgenommen agierenden Miles Teller sein Gefühlschaos selten. Und Jurnee Smollett, in Lovecraft Country noch absolut mitreißend, bekommt hier kaum Platz, um ihre Wirkung zu entfalten. Kosinski entfacht in seinen Zuschauern zwar schnell ein gewisses Grundinteresse an der Story und lässt den Film nie wirklich langweilig werden. So richtig spannend wird es aber leider auch nicht, denn Der Spinnenkopf erreicht nie die Tiefe der Vorlage und jagt die Originalstory auch durch den Weichspüler. Dabei hat Kosinski mit No Way Out durchaus bewiesen, dass er sich auf emotional harte Schläge versteht. Hier fehlt einfach der nötige Punch.

Der Spinnenkopf (2022)

Die nahe Zukunft. Ein charismatischer Wissenschaftler bietet Häftlingen an, ihre Strafen zu verkürzen, wenn sie sich freiwillig für Experimente mit gefühlsverändernden Drogen zur Verfügung stellen. Doch das hat seine Tücken …

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