Der Seidenfächer

Eine Filmkritik von Lida Bach

Leb wohl, meine Konkubine

Der Seidenfächer ist eine augenschmeichelnde Nichtigkeit wie die Titelverformung von Lisa Sees Roman Snow Flower and the Secret Fan. Das namensgebende Accessoire, gleich dem Wayne Wang seinen üppigen Bilderbogen auffächert, kennt die Handlung nicht; nur den Fächer, der im China des 19. Jahrhunderts den Freundschaftsbund zwischen Schneerose (Gianna Jun) und Lilie (Bingbing Li) besiegelt und trennt, um ihn im heutigen Shanghai neu zu schließen. Diesmal zwischen Sophie und Nina, in deren wechselhafter Freundschaft sich jene der beiden Frauen der Vergangenheit spiegelt.
Oder ist die Vergangenheit gar keine? Ist die Zeit, deren Wandel im Gegensatz von hektischer Metropole und ländlichem Historismus eklatant hervorsticht, an der Gesellschaft spurlos vorübergegangen? „Ein kluges Mädchen wie du mit einer glänzenden Zukunft sollte nicht ihre Zeit mit ihr vergeuden“, sagt Sophies koreanische Mutter, die ihre Tochter von Nina Mandarin beibringen lässt, „Und sie sollte keine Freundin wie dich haben.“ Die Klassengrenzen, ungeachtet der sich das Mädchen aus gutem Hause und die ambitionierte Altersgenossin aus einfachen Verhältnissen anfreunden, scheinen in der Moderne noch rigider als in der darin verschachtelten Parallelhandlung. Die klassische Schallplatte, die Sophies Mutter anstelle der Popmusik der Mädchen auflegt, untermalt die Ermahnungen ostentativ. Die Assoziation deutet an, dass der familiäre Konflikt in sozialer Diskriminierung und Traditionalismus wurzelt, die noch lange nicht überwunden sind.

Vor der sich aufdrängenden Frage, ob hinter Chinas postmodernen Fassaden gesellschaftlicher Reaktionsmus verweilt, versteckt sich Wangs widersprüchliches Melodrama in feudalen Kulissen. Das Wechselspiel zwischen pittoreskem Historizismus und neumodischem Chic trägt nur dazu bei, die Plakativität der Inszenierung deutlicher vor Augen zu führen. Sie fasst den Inhalt der Romanvorlage in jene Rahmenhandlung, die mit einem Anruf an die in New York lebende Nina beginnt. Das erste Mal kommt er von Sophie, die ihre entfremdete Freundin vergeblich zu erreichen versucht. Das zweite Mal aus dem Krankenhaus, wo Sophie nach einem Unfall im Koma liegt. Ninas Wiedersehen mit Shanghai, das die Freundinnen zeitgleich in Richtung USA und Australien verlassen, weckt ähnlich viele Erinnerungen wie das mit Sophie. Als Überleitungsmotiv wählt Wang die gebundenen Füße, die entgegen des verfälschenden Untertitels „Goldener Lotus“ heißen.

Sie sieht Nina auf den Ausstellungsobjekten einer Vernissage und liest darüber in dem Manuskript, dass in Sophies spärlichen Besitztümern nur darauf zu warten scheint, gelesen zu werden. „Es handelt von Laotong im alten China, aber eigentlich geht es um uns.“ Sophies Erklärung ist überflüssig, denn die Korrelation ist so überzeichnet, dass Wang die Rahmenhandlung zugunsten der Binnenerzählung vernachlässigt. Deren Fächer ist aus Papier wie die Charaktere des auf seinen Falten geschriebenen Liebesdramas. Ein solches schlummert in Snow Flowers und Lilies mit einem Laotong-Vertrag geschlossenen Schwesternbund. Er soll freiwilliges Gegenstück zur arrangierten Ehe sein, obwohl die einander unbekannten Freundinnen ebenfalls von der Heiratsvermittlerin füreinander bestimmt werden. Die elterliche Spekulation auf einen reichen Ehemann geht dank Lilies Lotus-Füßen auf. Anders die Börsenspekulationen, mit denen sich Sophies Vater ruiniert. Den gesellschaftlichen Abstieg erlebt auch Snow Flower, die als Frau eines Landarbeiters endet, der „seine Trauer in seine Faust steckt“.

Dieses Los zieht sie Lilies Angebot, für sie und die Kinder zu sorgen, vor. „Ich wusste, dass meine Liebe zu dir zu groß war“, bekennt sie in einem der zahlreichen Momente, die mit doppeldeutigen Dialogen und beredten Gesten auf eine unterdrückte erotische Anziehung zwischen den Hauptfiguren verweisen. Die spürbare dramaturgische Scham vor dem, was im heutigen China immer noch ein Tabuthema ist, sagt mehr über sittliche Rückständigkeit und soziale Zwänge aus, als es die weitschweifige Idealisierung einer ritualisierten Freundschaft als Liebessubstitut vermag. „Dies ist eine Geschichte über wahre Liebe, die nie endet.“ — Weil sie nie beginnen darf.

Der Seidenfächer

„Der Seidenfächer“ ist eine augenschmeichelnde Nichtigkeit wie die Titelverformung von Lisa Sees Roman „Snow Flower and the Secret Fan“. Das namensgebende Accessoire, gleich dem Wayne Wang seinen üppigen Bilderbogen auffächert, kennt die Handlung nicht; nur den Fächer, der im China des 19. Jahrhunderts den Freundschaftsbund zwischen Schneerose (Gianna Jun) und Lilie (Bingbing Li) besiegelt und trennt, um ihn im heutigen Shanghai neu zu schließen.
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