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Ein Tierfotograf und ein Schriftsteller machen sich auf den Weg ins Tibetische Hochland, um Bilder des seltenen Schneeleoparden einzufangen. Ihre Opfer und ihre Geduld werden belohnt, als sie vor dem eindrücklichen Tier stehen.

Der Schneeleopard (2021)

Eine Filmkritik von Teresa Vena

Die Suche nach dem inneren Schneeleoparden

In Frankreich legt der Dokumentarfilm von Marie Amiguet bereits eine steile Karriere hin. Nach der Präsentation in Cannes im letzten Jahr wurde er in diesem bei den Césars als bester Dokumentarfilm ausgezeichnet. Nominierungen gab es auch in den Kategorien Erstlingsfilm und beste Originalmusik. Diese Anerkennung aus den eigenen Reihen erstaunt nicht sonderlich, steht der Film doch sehr einer französischen Art des Sinnierens und einer entsprechenden poetischen Ästhetik nahe. Um vielleicht noch etwas konkreter zu sein: Er ergibt sich einer gewissen Sentimentalität, die den Kitsch berührt.

Geprägt ist die Geschichte von einer bei Forschungsreisen eher typischen Arroganz, die für sich reklamiert, Dinge in einem Land zu entdecken, die den Einheimischen dort nie aufgefallen sind oder die sie aus Mangel an Interesse oder aus (technischem) Unvermögen gar nicht erfassen können. Die beiden Franzosen im Mittelpunkt des Films, der Tierfotograf Vincent Munier und der Schriftsteller Sylvain Tesson, vermeiden fast gänzlich den Kontakt zu den Menschen vor Ort. Einmal übernachten sie bei einer Familie im Hochland Tibets, spielen mit den Kindern, sonst fungieren diese Personen statt als Gesprächspartner auf Augenhöhe mehr als exotisches Dekorum für den Film. Doch besonders auffällig ist eine der allerersten Szenen des Films, in der zwei oder drei einheimische Männer beieinander sitzen, irgendeiner manuellen Arbeit nachgehen und wie beiläufig das Vorhaben der beiden Franzosen, die grußlos an ihnen vorbeigehen, eher kritisch kommentieren.

Für die restliche Dauer des Films sind Munier und Tesson allein unterwegs. Sie suchen im tibetischen Hochland nach dem titelgebenden Schneeleoparden. Ihren Angaben nach ist es ein fast hoffnungsloses Unterfangen, da nur noch sehr wenige Exemplare dieses Tieres hier leben und an sich äußerst selten in die Nähe des Menschen kommen. Auf eine Zeit der körperlichen Anstrengung und Entbehrung vorbereitet, marschieren die Männer im Gebirge herum. Der Weg ist schon fast das Ziel, denn sie begegnen vielen anderen Tierarten, Hasen, Vögeln, den sehr intelligenten Yaks, der niedlich aussehenden, aber gnadenlosen räuberischen Pallaskatze oder sogar einer Bärenmutter mit ihren Jungen.

Dabei entstehen wahrlich atemberaubende Landschafts- und Tieraufnahmen. Sie zeigen die karge Umgebung, die man auf den ersten Blick als unbewohnbar erachten würde. Doch birgt sie ein vielfältiges Leben. Über die Schönheit des Gesehenen unterhalten sich die Männer. Munier erzählt, dass er bewusst kein Fotojournalist sein möchte, weil ihn das Schöne interessiere. Er wolle sich nicht in die Verzweiflung stürzen müssen, sondern eben die Schönheit feiern.

Auf dieser doch eher oberflächlichen Ebene bewegen sich die gemeinsamen Gespräche der beiden, aber auch die Gedanken Tessons, der während der Reise ein Tagebuch schreibt, aus dem er aus dem Off immer wieder vorliest. Er philosophiert über das Verhältnis des Menschen zur Natur und bedauert, dass es zu einer Entfremdung gekommen sei. Dass der Mensch seine Sinne weitgehend verkümmern habe lassen, ganz anderes als beispielsweise ein Yak, der über so einen außerordentlichen Geruchssinn verfüge, dass er damit den Menschen über Hunderte von Metern aufspüren könne.

Weitere Gedanken machen sie sich über das hektische Leben, das man meist in einem Industrieland führt. Ihre Reise ist die ersehnte Entschleunigung, aus der die beiden Männer — so vermuten sie — nur schwer zu den Menschen zurückzukehren können.

Diese Empfindungen, so echt sie in diesem Moment auch sein mögen, kommen nicht besonders überraschend. Man kennt sie von sich selbst oder von Berichten anderer Aussteiger oder gar nur Reisender. Letztlich handelt es sich um Banalitäten, durch die sich einige ärgerliche Längen in den Film einschleichen. Eine strengere Konzentration auf die Naturaufnahmen und gleichzeitig weniger  egozentrische Reflexion hätten das Werks eindrücklicher gemacht.

Mehr Zurückhaltung hätte auch bei der Musik des Films nicht geschadet. Nick Cave und Warren Ellis haben sie spezifisch für den Film komponiert. Zwischen Musik und gesprochenem Text fehlt es an ruhigen Momenten, in denen der eigentliche Protagonist nämlich die Natur, sich auf der Leinwand hätte entfalten können. Das gilt umso mehr, als die beiden Männer dem Schneeleoparden dann auch tatsächlich begegnen. Eine eigentlich ergreifende Szene. Doch die suggestive Musik zerstört diesen Moment durch ihren allzu forcierenden Charakter: Sie will das Publikum zum Gefühl zwingen, damit es ähnlich den Protagonisten das Tier zum Symbolbild für Freiheit und Selbstständigkeit stilisiert.

Es hätte eine radikalere Form gebraucht, um den Film von einem durchschnittlichen Bilderbogen im Stil einer Fremdenverkehrswerbung einerseits und der klassischen Abenteuergeschichte andererseits abzuheben. Tesson machte im Anschluss aus seinen Aufzeichnungen einen Roman und Munier fertigte ein Fotobuch an. Diese Auswertungen des Stoffes hätte vielleicht gereicht.

Der Schneeleopard (2021)

Hoch oben auf der tibetischen Hochebene. Unter den unerforschten und unzugänglichen Tälern liegt eines der letzten Heiligtümer der wilden Welt, wo seltene und unentdeckte Fauna lebt. Vincent Munier, einer der weltweit bekanntesten Tierfotografen, nimmt den Abenteurer und Romanautor Sylvain Tesson (Im Wald von Sibirien) mit auf seine neueste Mission. Für mehrere Wochen erkunden sie diese Täler auf der Suche nach einzigartigen Tieren und versuchen, den Schneeleopard zu entdecken, einer der seltensten und schwierigsten großen Katzen zu nähern.

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Meinungen

Simona · 24.05.2022

Der Film "Der Schneeleopard" ist wunderschön und sehr beeindruckend.Faszinierende Bilder ,bezaubernde Welten.