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Von der Buchhandlung ins Kino: Lutz Heineking jr. hat Isabel Bogdans Bestseller verfilmt. Zu sehen: Lavinia Wilson, Serkan Kaya, Tom Schilling, Jürgen Vogel und David Kross, die sich unter den Augen von Annette Frier und Svenja Jung einen Kleinkrieg in Schottland liefern.

Der Pfau (2023)

Eine Filmkritik von Falk Straub

Geflügelkrimi ohne Biss

Mit „Der Pfau“ gab die Übersetzerin Isabel Bogdan 2016 ihr Romandebüt. Die Gesellschaftssatire um eine Gruppe Londoner Investmentbanker, die in den schottischen Highlands an einem Teambuilding teilnehmen, entwickelte sich zu einem „leichtfüßigen Überraschungsbestseller“ (taz). Andere Pressevertreter lobten Bogdans „stimmige Atmosphäre“ (Spiegel). Dass die Atmosphäre in der Filmadaption hingegen nie richtig stimmt, liegt am Drehort, am Drehbuch und an dessen größter Änderung gegenüber dem Original. Statt englischer halten im Film nun deutsche Finanzjongleure zu viele Bälle in der Luft. Und statt feiner britischer Ironie serviert uns Regisseur Lutz Heineking jr. braves deutsches Biedermeier.

Die Stimmung ist bereits im Keller, als die Reisegruppe unter Aufsicht ihrer Chefin Linda Bachmann (Lavinia Wilson) auf dem weitläufigen Anwesen von Lord Hamish (Philip Jackson) und Lady Fiona Macintosh (Victoria Carling) eintrifft. Einzig Strahlemann Jim Wellmann (Jürgen Vogel mit falschen Zähnen) hat den adäquaten Aufzug für das nasskalte schottische Wetter im Gepäck. Seine Kollegen Bernhard Toschner (Serkan Kaya), Andreas Voigt (Tom Schilling) und David Wächter (David Kross) wirken in ihrem feinen Zwirn reichlich deplatziert. Lust auf das „Offsite“, wie eine Tagung außerhalb der Geschäftsräume auf Businesssprech heißt, hat keiner von ihnen. Die Übernahme durch eine andere Bank steht vor der Tür, Arbeitsplätze stehen auf dem Spiel, und am Ende des Wochenendes könnte einer ohne Job dastehen.

Für eine gelungene Komödie ist diese Ausgangslage prächtig: Missmutige Monetenscheffler in ungewohnter Umgebung und in direkter Konkurrenz zueinander versprechen jede Menge Fish-out-of-water-Momente und hinterrücks gewetzte Messer. Als Störfaktoren kommen die eigens aus Deutschland mitgebrachte Köchin Helen (Annette Frier) und die Seminarleiterin Rebecca (Svenja Jung) hinzu. Während die eine die abgehobenen Sorgen der Großkapitalisten mit der ihr eigenen Bodenständigkeit der Lächerlichkeit preisgibt, bringt die andere die Anzugträger mit infantilen Gruppenspielen gehörig aus dem Konzept. Nicht zu vergessen wäre das Tier, das Roman und Film seinen Namen gibt und für Krimispannung sorgen soll: ein verrücktgewordener Pfau, der alsbald tot auf dem Rasen liegt und einen kompletten Nebenstrang der Handlung am Laufen hält.

So weit die vielversprechende Ausgangslage, nun zu deren wenig überzeugender Umsetzung. Was als Erstes auffällt, ist, wie wenig Regisseur Lutz Heineking jr., der auch am Drehbuch mitschrieb, und seine zwei Co-Autoren Christoph Mathieu und Sönke Andresen daraus machen. Allein aus der Tatsache, dass die Luxushotels gewöhnten Banker sich in einem schlecht beheizten Herrenhaus nicht nur ein Stockbett mit einem Kollegen, sondern auch das Badezimmer auf dem Gang teilen müssen und dass sie für Gruppenübungen im Wald die völlig falsche Kleidung tragen, hätten andere Autoren Kaskaden der Situationskomik sprudeln lassen. Im fertigen Film dient beides lediglich dazu, einmal kurz die Nase zu rümpfen. Komödiantisches Kapital wird nicht daraus geschlagen.

Gedreht wurde übrigens nicht in Schottland (von dort stammen nur ein paar Aufnahmen von der Anreise), sondern in Belgien, was sich als weiteres Problem herausstellt: Die filmische Illusion ist von vornherein nicht gegeben. Sowohl die Architektur des Adelssitzes als auch die Landschaft drumherum sind deutlich als nicht-schottisch zu verorten. Die schottischen Hügel, die sich ums adelige Anwesen erheben, sind wiederum problemlos als nachträglich am Computer eingefügt identifizierbar. Zu einer stimmigen Atmosphäre trägt das leider nicht bei. 

Dass im deutschen Nachbarland und nicht auf der britischen Insel gedreht wurde, hat finanzielle und logistische Gründe. „Belgien hat eine sehr attraktive Filmförderung, und die Wallonie liegt gleich um die Ecke von Köln“ (wo die Studioaufnahmen stattfanden), verrät der Regisseur im Presseheft zum Film. Warum man die Filmhandlung dann nicht gleich nach Belgien verlegt hat, bleibt schleierhaft. Die Nationalität der Hauptfiguren wurde schließlich auch ans deutsche Kinopublikum angepasst. Eine zusätzliche Anpassung des Handlungsorts hätte nicht nur die filmische Illusion gewahrt, sondern weitere Unwahrscheinlichkeiten vermieden, etwa die, dass sowohl Linda Bachmann als auch die Köchin den weiten Weg aus Frankfurt am Main beziehungsweise Köln komplett mit dem eigenen Auto anreisen.

Das größte Versäumnis des Drehbuch-Trios ist jedoch, die vermeintlich kriminalistische Geflügellage nicht ausreichend zuzuspitzen. Die Frage, wer das Lieblingstier des Lords auf dem Gewissen hat, erübrigt sich nach wenigen Minuten, als es Köchin Helen, die dem Film als Erzählerin dient, aus dem Off verrät. Dadurch geht nicht nur die Spannung flöten, die Tatsache, dass der Lord und die Lady mit dem Ableben des Pfaus überhaupt kein Problem haben, nimmt dem Eiertanz, den drei der übrigen Figuren um die Vertuschung des Pfauenmords veranstalten, jegliche Dramatik und einen Großteil der Komik. 

Das Drehbuch ist voll von solchen Ungereimtheiten und dürftig konstruierten Motivationen, die einzig und allein deshalb im Drehbuch stehen, um weitere Handlungen in Gang zu setzen. Dass Linda Bachmann mit dem eigenen Auto anreist, ist notwendig, um die Verrücktheit des Pfaus zu illustrieren und dessen Ableben zu initiieren. Dabei hätte es auch ein am Flughafen gemieteter Wagen (oder wahlweise die bereits erwähnte Verlegung des Geschehens nach Belgien) getan. Dass der Lord sein Jagdgewehr im Wald zurücklässt, wo es Banker Voigt später findet und falsche Schlüsse daraus zieht, ist ein weiteres Beispiel denkfaulen Drehbuchschreibens. Ausgerechnet aus Angst, von seinen zwei Angestellten entdeckt zu werden, versteckt der Lord sein Gewehr. Wer’s glaubt, wird selig – und hat wenig Fantasie. 

Mit ein wenig mehr Einfallsreichtum hätte man indessen Großartiges mit dem toten Tier anstellen können. Man stelle sich einmal vor, der Pfau wäre nicht das Lieblingstier des Lords, sondern das der Lady und vom Lord dafür abgrundtief gehasst; und dass der Lord den Pfau nicht auf Geheiß seiner Frau, sondern aus Versehen erschossen hätte, was ihm die Lady selbstredend nie abkaufen würde. Dann würde schlagartig nicht nur die Motivation des Lords stimmen, sein Gewehr vor seinen Angestellten zu verstecken und den Mord am Pfau jemand anderem in die Schuhe zu schieben, die komplette Handlung würde dadurch auch eine ganz andere, überzeugende Dynamik gewinnen.

So, wie sie ist, überzeugt sie aber nicht. Und auch das Schauspiel lässt zu wünschen übrig. Allen voran Tom Schilling und David Kross, dem man das angespannte Nervenkostüm keine Sekunde lang abnimmt, enttäuschen. Was letztlich bleibt, sind eine Menge Unglaubwürdigkeiten, vertane Chancen und bemühter Humor, der oftmals mehr aus dem Mund der Erzählerin behauptet wird, als tatsächlich auf der Leinwand zu sehen zu sein. Ein Geflügelkrimi ohne Biss, zäh und trocken wie ein deutsches Brathähnchen, das zu lange auf dem Grill gelegen hat.

Der Pfau (2023)

Bereits beim Eintreffen von Investmentbankerin Linda Bachmann und ihrem Team auf
dem Landsitz von Lord und Lady Macintosh stehen die Zeichen für ein entspanntes Wochenende in Schottland nicht gut: Die Jahresbilanz ist mies, die Kollegen beobachten sich und ihre Chefin argwöhnisch, und es geht das Gerücht um, dass bald ein Compliance-Mitarbeiter das Team neu strukturieren soll. Zu allem Überfluss ist das Anwesen wenig behaglich, darüber können auch die Künste von Köchin Helen nicht hinwegtäuschen, und die Methoden der jungen Seminarleiterin Rebecca scheinen auch eher fragwürdig. Als dann erst der Lieblingspfau des Lords und dann die Lieblingsgans der Lady verschwinden, sind weiterer Streit und Chaos vorprogrammiert. Und schließlich beginnt es auch noch zu schneien…  (Quelle Magic Media Company)

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