Der Mondmann (1999)

Eine Filmkritik von Sophie Charlotte Rieger

Ein Kinderfilm (auch) für Erwachsene

Der Mann im Mond ist nicht nur ein beliebtes Einschlafmotiv für Kinder („La-le-lu, nur der Mann im Mond schaut zu…“), sondern auch die Hauptfigur in einem Kinderbuch von Tomi Ungerer. Und wie schon dessen Geschichte Die drei Räuber schafft nun auch Der Mondmann den Sprung vom Papier auf die Kinoleinwand.

Der Mondmann (Katharina Thalbach) langweilt sich. Es ist doch recht einsam auf dem Mond, während auf der Erde viel los zu sein scheint. Als ein Komet an ihm vorbei fliegt, nutzt er die Gelegenheit, mit ihm zum blauen Planeten zu reisen. Zunächst scheint es, als würden alle Träume wahr werden: Der Mondmann entdeckt Blumen und Tiere und ist begeistert von der Farben- und Formenpracht dieser für ihn ganz neuen Welt. Doch der Präsident der Erde (Ulrich Tukur) sieht in dem Fremdling eine Bedrohung und bald befindet sich der Mondmann auf der Flucht vor dem Militär. Der Erfinder Bunsen van der Dunkel (Thomas Kästner) ist seine einzige Chance, nach Hause zurückzukehren. Doch ist ihm wirklich zu trauen?

Der Mondmann wirkt auf den ersten Blick so gar nicht wie ein Kinderfilm. Die Farben sind eher düster, die Figuren wirken teilweise abstrakt. In einer Szene zu Beginn des Films, in der eine Abendgesellschaft der Rede des Präsidenten lauscht, gestalten sich die Gäste mit ihren verzerrten Fratzen partiell geradezu gruselig. So interessant sich die außergewöhnliche Ästhetik für das erwachsene Publikum auch gestaltet, so wenig scheint sie den Jüngsten auf den ersten Blick bieten zu können. Es fehlt an niedlichen Figuren, an attraktiven Settings, unbeschwertem Humor und Dynamik. Der Mondmann ist im Grunde eine sehr ernste Geschichte, die sich mit gesellschaftspolitischen Themen wie Imperialismus und Paranoia beschäftigt, die – dafür spricht auch die Landschaft, in der sich die Figuren bewegen – ganz klar auf die USA hinweisen. Dies sind freilich Anspielungen, die dem Kinderpublikum verborgen bleiben. Auch die erotischen Andeutungen, die sich zwischen dem Präsidenten und seiner Herzensdame Conquista (Corinna Harfouch) abspielen, dürften bei den Kleinen auf taube Ohren stoßen.

Dann aber wieder ist Der Mondmann ganz und gar Kinderfilm mit einer klaren pädagogischen Botschaft vom Wert der Freundschaft. Unter dem Motto „Allein ist man schneller, aber zu zweit kommt man weiter“ lernt nicht nur die Hauptfigur, sondern auch Bunsen van der Dunkel im Lauf der Geschichte den Unterschied zwischen wahren und falschen Freunden. Am Ende wird Regisseur Stephan Schesch in seinem Versuch, eine pädagogische Botschaft zu transportieren, vielleicht fast ein wenig zu pathetisch: „Ein Freund ist wie ein Zuhause“, „Was ist ein Herz? – Das ist da wo Du mich als Freund spürst“ – das sind nur einige der Sätze, die Schesch seine Figuren sprechen lässt. So viel Erklärung ist im Grunde gar nicht nötig, denn die Geschichte ist durchaus in der Lage, diese Dinge auch durch ihren Verlauf auf subtilere Weise zu vermitteln.

Bei aller Irritation, welches Publikum dieser Film ansprechen will, besitzt die sehr einfache Animation der Figuren dennoch einen immensen Charme. Während viele zeitgenössische Filme sich mit Hilfe der 3D-Technik um viel Plastizität und Realitätsnähe bemühen, bleibt Der Mondmann seinem zweidimensionalen Ursprung treu. Auch wenn diese Ästhetik eine gelungene Abwechslung von quietschbunten, ins Publikum springenden Plüschprotagonisten bietet, bleibt die Frage, ob sich Kinder von einer solchen, eher statischen Welt gleichermaßen unterhalten fühlen. Insbesondere was den Humor angeht, hat Der Mondmann mit seiner fast schon satirischen, politischen Inszenierung den Erwachsenen weit mehr zu bieten. Erst gegen Ende zieht das Tempo der Erzählung deutlich an und Stephan Schesch erfreut auch die kleinen Zuschauer mit ein paar Gags.

Die bewusste Distanz zur Realität findet sich auch in der unklaren temporalen und geographischen Verortung der Geschichte wieder. Mal erinnert die Umgebung an texanische Highways durchs Nirgendwo, mal an Regenwälder im Amazonasgebiet. Elche und Eulen sind in dieser Natur ebenso zu Hause wie Elefanten. Und während Handys bereits erfunden sind, stellt die Entwicklung einer Rakete für Bunsen van Dunkel durchaus eine Herausforderung dar. Die Unmöglichkeit, die Handlung in unserer Vorstellung von Ort und Zeit zu verorten, verleiht dem Konzept etwas Märchenhaftes und einen besonderen Charme. Zu diesem Charme tragen auch die Synchronsprecher bei. Es ist vor allem die Stimme Katharina Thalbachs, die dem Mondmann Glaubwürdigkeit und auch einen besonderen Witz verleiht.

Der Mondmann will Unterhaltung für die ganze Familie sein und jeder Altersgruppe etwas bieten. Ohne Frage ist der Mann im Mond eine sympathische Figur, mit der sich Kinder gerne identifizieren. Nicht zuletzt legt er in seiner Erforschung der Erdenwelt eine geradezu kindliche Neugierde und Begeisterungsfähigkeit an den Tag. Der Mondmann ist vielleicht einer dieser Filme, für den Eltern ihre Kinder aufgrund seiner Vielschichtigkeit begeistern wollen. Es steht jedoch zu befürchten, dass sich die Kleinen dann doch für den neuesten Pixarfilm begeistern, der zwar weniger gehaltvoll, aber doch ein bisschen unterhaltsamer ist.
 

Der Mondmann (1999)

Der Mann im Mond ist nicht nur ein beliebtes Einschlafmotiv für Kinder („La-le-lu, nur der Mann im Mond schaut zu…“), sondern auch die Hauptfigur in einem Kinderbuch von Tomi Ungerer. Und wie schon dessen Geschichte „Die drei Räuber“ schafft nun auch „Der Mondmann“ den Sprung vom Papier auf die Kinoleinwand.

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Meinungen

lalelu · 09.03.2013

Ich habe den Mondmann gerade mit meinen beiden Söhnen (sechs und drei Jahre alt) gesehen. Der Große saß den gesamten Film hindurch gebannt auf der Kante des Kinosessels und auch der Kleine war praktisch die ganze Zeit bei der Sache. Vielleicht hat der Film gerade dadurch eine so enorme Wirkung gezeigt, weil er sich inhaltlich, ästhetisch und nicht zuletzt durch sein kindgerechtes Tempo so wohltuend von anderen modernen Animationsfilmen unterscheidet - und ganz nebenbei habe ich mich durch den inhaltlichen Anspruch ebenso blendend unterhalten gefühlt.
Die Verführungsszene fand ich, da stimme ich der Autorin zu, ziemlich verfehlt. In meinen Augen war sie wie ein Fremdkörper in der Handlung und an den Kindern ging sie völlig vorbei. Ein bisschen hat mich außerdem der Soundtrack gestört, der nicht recht fließen mochte. Ich hatte irgendwann den Eindruck, da habe jemand die Aufgabe erhalten, so viele Lieder zum Thema "Mond" zu finden wie möglich, von "Der Mond ist aufgegangen" über "Moon river" bis hin zu "Dark side of the moon" und dann jeweils einen passenden Platz dafür im Film zu finden.
Ansonsten aber ein großartiger Film und ein Fest für die Augen!