Der Lebensversicherer

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

Leben ist immer lebensgefährlich

Burkard Wagner (Jens Harzer) ist ein Verdammter. Wie einst der Fliegende Holländer seines Namensvetters Richard Wagner irrt der Versicherungsvertreter fern der Heimat über labyrinthische Autobahnen und gesichtslose Ortschaften. Mit seiner Familie ist er nur durch einen Anrufbeantworter verbunden, auf dem er allabendlich seine Nachrichten hinterlässt — Botschaften aus einer anderen Welt, einem Geisterreich. Angetrieben von dem Wunsch, sich und seiner Familie ein besseres Leben zu ermöglichen, hetzt er von Termin zu Termin und wiederholt gebetsmühlenartig die immer gleichen Phrasen, um Menschen von der Notwendigkeit eines Vertragsabschlusses zu überzeugen. Mit unglaublicher Penetranz und Eloquenz und einer gehörigen Portion Skrupellosigkeit übertölpelt der nach außen Siegesgewohnte seine Kunden – oder sollte man sie eher „Opfer“ nennen – und scheint so mühelos ein Leben auf der Überholspur zu führen. Innerlich aber befindet sich Wagner auf dem Standstreifen, längst ist ihm seine Arbeit und alles, was ihm wichtig ist, fremd geworden, klammheimlich hat sich jeder Sinn und jeder Halt aus seinem Leben verabschiedet, der Lebensversicherer funktioniert nur noch um des Funktionierens willen.
Wagners sinnloses Leben erfährt erst dann eine Wende, als er auf einer nächtlichen Autobahnraststätte – wo sonst sollte er, der sich in ständiger Bewegung befindet, auch anderen Menschen begegnen – Caroline (Marina Galic) begegnet, einer jungen Frau, die eine kleine, wenig erfolgreiche Pension in der Nähe der Autobahnausfahrt betreibt. Bezeichnenderweise trägt sie den gleichen Nachnamen wie Burkhard, doch es ist vor allem die Liebe zu französischen Chansons und die tief empfundene Einsamkeit, die die beiden für kurze Zeit vereint. Und für einen kleinen Moment hält die Welt den Atem an, für einen Augenblick scheint alles möglich, eine Umkehr, ein anderes Leben, eine neue Liebe, ein Sinn…

Bülent Akincis Langfilm-Debüt Der Lebensversicherer ist, zumindest was die Aufführungen bei diversen Festivals anbelangt, ein gern gesehener Film, der außerdem bei der Reihe Perspektive Deutsches Kino der Berlinale den Hauptpreis „Dialogue en Perspective“ erhielt. Auch auf dem Internationalen Filmfestival von Moskau war Der Lebensversicherer erfolgreich und erhielt den Preis der russischen Filmkritik.

Der Film besticht vor allem durch Jens Harzers eindrucksvolles Spiel und eine fein ausgetüftelte Balance zwischen Tragik und Komik, zwischen Psychostudie und Liebesmelodram. Dabei lässt Akinci vieles offen und schert sich wenig um die Gesetze der Chronologie, sondern verortet seine Geschichte im Ungefähren und in den Zwischenräumen und erzeugt dadurch eine ganz eigene Atmosphäre; gerade so, als wisse man in jedem Moment, dass es sich hierbei lediglich um einen Traum handele, aus dem man jederzeit nach Belieben wieder aufwachen könne. Kein Film für jedermann, doch ein Stil sicheres Debüt, das neugierig macht auf Akincis nächste Projekte.

Der Lebensversicherer

Burkard Wagner (Jens Harzer) ist ein Verdammter. Wie einst der Fliegende Holländer seines Namensvetters Richard Wagner irrt der Versicherungsvertreter fern der Heimat über labyrinthische Autobahnen und gesichtslose Ortschaften.
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Meinungen

Gast · 07.12.2006

Wer solche Verwandten hat, braucht keine Feinde mehr :-)

Linnemann · 07.12.2006

Du bist ja ein feiner Verwandter...Deine Cousine spielt endlich mal eine Hauptrolle in einem Kinofilm und du haust diesen Film in die Pfanne...gegen mißgünstige Verwandte kann man sich halt nicht versichern...

Boris Vukovic · 07.12.2006

Etwas anderes, eigenwilliges Kino, welches, da muss ich den meisten Kritikern Recht geben, nicht so richtig mitreissen kann. Die beiden Hauptdarsteller sind überzeugte Theaterfanatiker. Die Bretter bedeuten Ihnen die Welt. Ihre ersten Schritte auf Leinwand überzeugen schauspielerisch, das Gesamtwerk bleibt für Kinoansprüche leider langweilig, auch wenn die Haupdarstellerin meine Cousine ist!!

· 08.12.2006

Unsinn! Boris ist einfach nicht korrupt! :o)