Der Imker (2013)

Eine Filmkritik von Stephan Langer

Vom Leben als Outlaw in den Mühlen der Bürokratie

Anscheinend sind Bienen in der Schweiz allgegenwärtig. 13 000 Imker gibt es in der kleinen Schweiz. Die Schweizer mögen ihre Bienen gern – so gern, dass sie auch Dokumentarfilme machen, in denen Bienen eine entscheidende Rolle spielen: Noch bevor More than Honey von Markus Imhoof den meisten Kinogästen aus dem Gedächtnis entschwindet, kommt mit Der Imker des kurdischen Exil-Schweizers Mano Khalil der nächste Dokumentarfilm zum Thema Bienen heraus, allerdings ist dieser thematisch gänzlich anders aufgestellt. Khalil hat sich ein Thema gesucht, zu dem er als Teil einer Minderheit einen sehr persönlichen Bezug aufbauen kann.

Der Imker nämlich gibt uns einen Einblick in das Leben des kurdischen Türken Ibrahim Gezer, ein in sich ruhender Mann mit schmerzhafter Lebensgeschichte, ein zu Unrecht politisch Verfolgter, der, wie Regisseur Khalil, in der Schweiz Asyl gefunden hat. Gezer ist das in sich ruhende, melancholische Zentrum der Dokumentation. Er, ein Naturbursche alter Schule, hat in seinem bewegten Leben viel, wenn nicht zu viel, erfahren und verloren. In seiner geographischen Heimat, der Türkei, schwelt seit sehr langer Zeit der Kampf zwischen den dort ansässigen Kurden, die sich für eine Wahrnehmung und Anerkennung der eigenen Kultur bis hin zu mehr Autonomie einsetzen. Gezer bekam von seinem Großvater ein Bienenvolk geschenkt, später war er dann in seiner ländlichen Gegend der erste, der professionell Bienen züchtete. Bis auf 500 Völker brachte er es, die ihm pro Jahr zehn bis 18 Tonnen Honig lieferten, wovon er seine Familie problemlos ernähren konnte. Sein harmonisches und gesichertes Leben fand allerdings ein jähes Ende, als er von türkischer Seite in Verdacht geriet, für die kurdische Guerilla aktiv zu sein. Um einer Inhaftierung oder Schlimmerem zu entgehen, blieb ihm nichts anderes übrig, als unterzutauchen und sich vor der türkischen Regierung in die Berge abzusetzen. Als Imker getarnt erregte er zwar nirgendwo sonderliches Misstrauen, konnte aber nicht mehr so lukrativ seiner Imkerei nachgehen, was die Armut seiner Familie zur Folge hatte. Später, seine Flucht hatte ihn bis nach Istanbul geführt, wo zwei seiner Kinder verhaftet wurden wegen angeblicher Aktivität in der kurdischen Arbeiterpartei PKK. Irgendwann wurde dann auch Gezer aufgegriffen und inhaftiert, seine Frau hielt die immer tragischeren Zustände nicht weiter aus und beging verzweifelt Selbstmord.

Nach all diesen ungerechten und schicksalhaften Wogen der Vergangenheit lebt Gezer heute in den Schweizer Alpen. Er strahlt angesichts seiner hoch emotionalen Lebensgeschichte eine eindrucksvolle Stabilität und innere Ruhe aus, wirkt seinem Gemüt nach fast schon wie ein Mönch. Angenehm an Der Imker ist nun einerseits, dass der Regisseur eben gerade nicht einen pathetischen, mit politischen Inhalten überstrapazierten Film gemacht hat, der alle fünf Minuten die Moralkeule hervorholt und von der ungerechten Welt schwadroniert. Auf der anderen Seite wirkt die Fokussierung der Person Ibrahim Gezer an manchen Stellen allerdings etwas zu weich gezeichnet. Der sympathische, weil vollends allürenlose rüstige, ältere Mann zuckt an mancher Stelle des Films, nachdem er eine weitere Anekdote erzählt hat, mit den Schultern, wie wenn er sich fragt, wieso gerade seinen Worten jetzt soviel Aufmerksamkeit geschenkt wird. Fast wirkt es so, als wollte auch der Regisseur dem netten Gezer nicht zu nahe treten, weswegen sich der Film damit begnügt, in melancholischen und ironischen Tönen zu schwelgen, ohne allerdings eine Position zum Gezeigten zu entwickeln.

Potenzial dafür wäre vorhanden gewesen: das Abschieben alter Menschen, die Einsamkeit Gezers, ist ein Punkt, der hätte problematisert werden können. Erst recht, wenn Gezer traurig zu Hause sitzt, in seiner Einraumwohnung direkt über einer bis spät in die Nacht lärmenden Kneipe und sagt, dass er sich wie lebendig begraben fühlt. Ein anderer ist die Tatsache, dass Imkern in der Schweiz nicht als Beruf anerkannt ist, sondern lediglich als Hobby gilt, weswegen Gezer wie jeder andere legal in der Schweiz lebende auch seinen von bürokratischer Seite vorgeschriebenen Pflichten nachkommen, d.h. Beschäftigungsmaßnahmen Folge leisten muss. Die Inkongruenz zweier Lebenswelten, die sich für Gezer vor dem Hintergrund Schweiz offenbart, ist für den Film ein Glücksfall, dem man etwas mehr Aufmerksamkeit hätte schenken können. Der frühere Gezer, ein stets freundlicher Bauer, der von der Regierung unterdrückt und zum Gesetzlosen gestempelt wurde (der wohl aber auch ohne die Ächtung von türkischer Seite einfach ein weithin selbstbestimmtes Bauernleben geführt hätte) gegenüber dem heutigen Gezer, einem Bürger (wieder gesetzlich „gezwungen“) in einem streng reglementierten und verpflichtenden System. Hier hätte Der Imker vielleicht ein wenig mehr Nachfrage in der Gesprächssituation vertragen, anstatt sich mit dem verschmitzten Gezer zufrieden zu geben. Mehrere Male ereilt einen als Zuschauer der Eindruck, dass dieser gestandene Mann in den dafür richtigen Situationen mehr zu erzählen hätte als lustige, volkstümliche Anekdoten aus der kurdischen Kultur. Keiner verlangt ja, den herzlichen Gezer informativ auszubeuten, aber manchmal hätte man doch einfach vielleicht mit ein bisschen Fingerspitzengefühl einmal mehr nachhaken können.

Zu hoffen ist, dass Gezer nicht zum eindimensionalen Klischee des zahmen, harmoniebedürftigen Gutmenschen wird. Im Stile von: Schau mal, wie nett der ist, was der alles ertragen hat, wie der sich überall durch schlängelt, ohne dabei jemandem zu nahe zu treten. Das stünde in sonderbarem Gegensatz zu seinen Lebenserfahrungen und auch vielleicht – dies ist allerdings Spekulation – zu seiner eigenen Meinung den kurdischen Konflikt betreffend (die wir leider im Film nicht erfahren). Dieses Risiko wird vielleicht dadurch gemindert, dass Der Imker vielerorts in Begleitung von Podiumsdiskussionen bzw. Publikumsgesprächen (oft in Anwesenheit des Regisseurs) gezeigt wird. Das ist überaus begrüßenswert und wird nicht nur dem Anspruch des Verleihs gerecht, Filme zu zeigen, die ein Bewusstsein für Problematiken erschaffen und zur Diskussion anregen. Viel zu oft werden leider in der gegenwärtigen Kinokultur die ZuschauerInnen alleine gelassen mit dem, was ihnen da von der Leinwand entgegen flimmert. Das ruhige Tempo des Films und die scheinbar über alle Maßen ausgeglichene Person Ibrahim Gezer begünstigen vielleicht eine sachliche, inhaltliche Diskussion eines politisch brisanten Themas, das im Film trotz aller familiären Tragik leider ein wenig zu sehr im Hintergrund schwelt.
 

Der Imker (2013)

Anscheinend sind Bienen in der Schweiz allgegenwärtig. 13 000 Imker gibt es in der kleinen Schweiz. Die Schweizer mögen ihre Bienen gern – so gern, dass sie auch Dokumentarfilme machen, in denen Bienen eine entscheidende Rolle spielen: Noch bevor „More than Honey“ von Markus Imhoof den meisten Kinogästen aus dem Gedächtnis entschwindet, kommt mit „Der Imker“ des kurdischen Exil-Schweizers Mano Khalil der nächste Dokumentarfilm zum Thema Bienen heraus, allerdings ist dieser thematisch gänzlich anders aufgestellt.

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