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Absturz des Kunstmarktrevoluzzers mit Silberlocke: Helge Achenbach war seit den 1990ern der Platzhirsch im Bereich Kunstberatung. Auf du und du mit Gerhard Schröder, Jeff Koons oder dem VW-Vorstand verstand er es, als schillernde Hanussen 2.0-Figur viele zu blenden und gleichzeitig abzukassieren.

Der Illusionist (2022)

Eine Filmkritik von Simon Hauck

Neun Leben hat der Kunstberater

„Und wir fühlten uns alle großartig!“ Spätestens 2011 war der redselige (aber wirklich geläuterte?) Mann mit dem silbern schimmernden Managerblick endgültig als Krösus seiner selbst mit erfundenen Branche etabliert. Der 1952 in Weidenau (Kreis Siegen/NRW) geborene Kunstberatungspionier hatte nach lukrativen Engagements für IBM und Co. mit dem VW-Konzern erneut einen neuen Mega-Kunden in dessen eh schon schillerndes Portfolio gehievt.

Gemeinsam mit den New Yorker MoMa-Macher*innen genoss Helge Achenbach im anschließenden Zusammenspiel mit dem Wolfburger Autokonzern zeitweise völlige Narrenfreiheit, wenn es darum ging, als Externer mit Kunst und Luxus wie mit Weltmarken und Werbeetats zu hantieren, wodurch er sich auch im englischsprachigen Ausland und erst recht im parallel ausufernden internationalen Kunstbetrieb einen gewichtigen Namen machte.

Zuvor war es dem Ex-ASTA-Vorsitzenden, Ex-Hippie (und nach eigener Aussage immer noch „Linken“) in den hedonistischen 1980er Jahren bereits gelungen, zwei großformatige Bilder von keinem Geringeren als Gerhard Richter in das neu gebaute, aber visuell postmodern-bieder gestaltete Foyer der Victoria-Versicherung (heute: Ergo Versicherungsgruppe) zu hieven, auch wenn das Endresultat dem hochdotierten Dresdner Malerfürsten überhaupt nicht zusagte.

Hauptsache: die Kasse stimmt(e); was ihm so bis heute einige Weggefährten unverblümt unterstellen. Schacherte er als zeitgenössische Hanussen-2.0-Gestalt im Grunde am liebsten schlichtweg mit heißer Luft und noch mehr Illusionen? Oder stand für den 2014 spektakulär verurteilten Ex-Gefängnisinsassen am Ende jeweils nur der größtmögliche Deal mit irre überteuerten Kunstwerken im Fokus? So ganz genau weiß man es nie, wenn Helge Achenbach heute auf sein schillerndes Leben zurückblickt.

Wiederholt wechselt er in Birgit Schulz‘ dokumentarischer Nahaufnahme Der Illusionist in seinen gewohnten „Ich erzähle euch jetzt mal, wie das wirklich war“-Modus, den man von Deutschlands Ex-Kunstberater Nummer eins bereits seit den 1970ern im Ohr hat. Kein Mikro zu weit, keine Pointe zu albern. Wenn Helge Achenbach das Rotlicht einer Kameralinse entdeckt, verwandelt er sich automatisch in eine groteske Mixtur aus Großkotz, Magier und Dampfplauderer, dem man trotzdem überwiegend an den Lippen hängt. Denn er stand ja, trotz aller finanziellen Kollateralschäden, die er bis heute hinterlassen hat, schließlich einmal ganz oben im deutschsprachigen Kunstmarkt und der damit häufig verbundenen High-Society. So war er zeitweise auf du und du mit Gerhard Schröder, Cy Twombly, Valentino, Jörg Immendorf, Naomi Campbell, Thomas Struth oder Jeff Koons, was so rückblickend wohl wenigen anderen Deutschen zur gleichen Zeit gelungen sein dürfte. Wer hat sonst schon mal eine Nilkreuzfahrt mit Gerhard Richter gemacht?

Damit verbunden standen in der Hochphase zwei Villen in bester Düsseldorfer Lage sowie alleine 2500 Kunstwerke im Depot auf Achenbachs Habenseite, für die er höchst zahlungskräftige Klientel in aller Welt fand. Und so fanden sich teils sogar Milliardäre wie die verschwiegenen ALDI-Erben auf seiner Kundenliste, weil es um die Jahrtausendwende eben besonders schick war, sein Geld in Kunst zu investieren und sich innerhalb der oberen Zehntausend der BRD PR-mäßig als Kunstkenner zu inszenieren.

Überwiegend anekdotenreich und gepaart mit aufregendem Archivmaterial zeichnet Birgit Schulz Achenbachs vielseitigen Lebensweg bis in die Gegenwart nach. Und gerät als erfahrene Filmemacherin trotzdem partiell in Achenbachs ambivalente Gabe als Menschenfischer, dem es letztendlich doch nur sein eigenes Seelenheil geht: wofür er offensichtlich über Leichen geht. Um im Anschluss zum bösen Spiel erneut bella figura machen zu können, was sich so sehr eindrucksvoll in den O-Tönen seiner Ex-Frau Dorothee Aschenbach und der Kölner Galeristenlegende Rudolf Zwirner widerspiegelt.

Trotz dramaturgischer Schwächen, eines wenig stimmigen Sounddesigs und einer in toto allzu konventionellen Erzählweise ohne echte Aha-Momente ist Der Illusionist eine dokumentarische Wunderkammer en miniature, die sich anzusehen lohnt. Denn wer nun Helge Achenbach wirklich ist, einmal war (oder in Zukunft sein wird), bleibt auch nach dem Abspann weitestgehend im Dunklen. Fortsetzung folgt. Denn Helge Achenbach hat offensichtlich wie eine Katze mindestens neun Leben: „Klein habe ich nie gedacht.“

Der Illusionist (2022)

Der Düsseldorfer Kunstberater Helge Achenbach konnte stets gut verkaufen. Allerdings betrog er dabei, was eine mehrjährige Gefängnisstrafe für ihn zur Folge hatte. Eine Groteske über die Entwicklung des Kunstmarktes, der sich zur Spekulationsbörse entwickelt hat, getrieben von Gier und Geltungssucht. Und ein Dokumentarfilm über einen Mann, der sich aus dem Nichts neu erfinden muss, mit ungewissem Ausgang. (Quelle: Filmstiftung NRW)

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