Der Clan der Sizilianer

Eine Filmkritik von Marie Anderson

Der Clan der Superstars

Jean Gabin. Alain Delon. Lino Ventura. Henri Verneuil. Und Ennio Morricone: Genau so sieht ein Gipfeltreffen europäischer Filmkunst der sechziger Jahre aus – wobei der Film dazu gar nicht mal sooo toll ist, trotz Evergreen-Status und regelmäßigen Fernseheinsätzen. Das was heutzutage kaum noch möglich ist, vornehmlich auf Schauspielern basierende Begeisterung, war hier noch in voller Blüte. Der Clan der Sizilianer ist Starkino par excellence.
Und geht auch gleich zu Beginn in die Vollen, als nämlich Gangsterboss Manales (Jean Gabin) Berufsverbrecher Sartet (Alain Delon) aus einem Polizeitransporter befreit, in den ihn Kommissar Goff (Lino Ventura) gerade erst hineinverfrachtet hat. Der Grund für diese Aktion? Ein geplanter Juwelenraub, den Manales durchführen möchte und für den Sartet Insiderwissen beisteuern kann – was dann natürlich eine ganze Reihe von Komplikationen nach sich führt, die Der Clan der Sizilianer zu einer Mischung aus Caper- und Gangsterfilm machen.

Wirklich gut ist der Film, wenn es um die Vorbereitung und Durchführung des Raubes geht, dann greift einfach die grundsätzliche Faszination ausgetüftelter Einbrüche, die von charismatischen Personen durchgeführt werden. Die Regieführung von Henri Verneuil siedelt sich dabei irgendwo zwischen hemdsärmelig und effektiv an, was später zu einem milden Problem wird, weil der Mann einfach nicht genügend Einfälle für knapp zwei Stunden Film hat. Die auf inhaltlicher Seite wiederum nicht genügend hermachen, um die gemütlichen bis bekannten Entwicklungen der Geschichte ohne inszenatorische Unterstützung über die Runden zu bekommen.

Die bei Der Clan der Sizilianer eingebauten inhaltlichen Wendungen sind nicht gerade spektakulär und Verneuil schleppt sich relativ unbeteiligt durch die zu lange Laufzeit. Eigentlich wäre es ja ein Leichtes, die Interessen Sartets, der Polizei und des Mafiaclans zu einem an mehreren Fronten brenzlichen Thriller aufzubauen, doch stattdessen müht man sich lieber durch die Strukturen des Clans, verbunden mit einer ziemlich egalen Liebesgeschichte und der unweisen Entscheidung, Gabin und Delon –das Ende einmal ausgenommen- kaum gemeinsame Szenen zu geben.

Henri Verneuil ist einfach kein Jean-Pierre Melville, sondern beschränkt sich lieber auf gediegenes Handwerk, was dann aber immerhin der Besetzung die ganz große Bühne ermöglicht. Alain Delon, Jean Gabin und Lino Ventura sind hier alle auf der Höhe ihrer charismatischen Kunst, wobei Alain Delon eine Mischung seiner Figuren aus Der eiskalte Engel und Die Abenteurer verkörpert, Jean Gabin besonders gut wegkommt, bedingt vor allem durch den wunderbaren Dualismus des scheinbar knuffigen Gangster-Paten, und Lino Ventura, der den brummeligen Polizisten einfach zu oft gespielt hat, am wenigsten von den Dreien zu tun kriegt.

Egal was Der Clan der Sizilianer sonst für Schwächen hat, die Besetzung ist auf jeden Fall über jeden Zweifel erhaben und macht aus dem Film letztendlich den Klassiker, der sich die für die neue Blu-Ray gewährte 4K-Bearbeitung redlich verdient hat. Ein knuspriges, farbintensives Bild, die großartige deutsche Synchro und dann noch der satte Sound von Ennio Morricones legendärem Score – viel mehr kann man hier eigentlich nicht verlangen. Die Blu-Ray von Der Clan der Sizilianer zeigt mal wieder eindrucksvoll, dass dieses Format, wenn richtig eingesetzt, ein Geschenk für die Filmgeschichte ist.

Der Clan der Sizilianer

Begleitet von der effektvoll eingesetzten Filmmusik Ennio Morricones beherrschen in diesem berühmten Kriminalfilm von 1969 die einschlägig bekannten französischen Charakterköpfe Jean Gabin, Alain Delon und Lino Ventura die Leinwand.
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Meinungen

Martin Zopick · 29.08.2020

Großes Gangster-Kino mit den drei Superstars der 60er Jahre: Jean Gabin, Lino Ventura und Alain Delon. Die drei planen minutiös und detailversessen einen Juwelenraub. Altmeister am Regiepult ist Henri Verneuil, der schon beinahe dokumentarisch darlegt wie großartig der Coup geplant und durchgeführt wird. Wie im echten Ganovenleben wird nichts vorher verraten. Der Zuschauer sitzt in der ersten Reihe und verfolgt das Geschehen, das völlig glatt abläuft. Völlig glatt? Bis auf zwei, drei Kleinigkeiten, die den coolen Ganoven ein Bein stellen. Über eine Stunde kann man glauben, es wird der erste perfekt gelandete Bruch aller Zeiten; so z.B. der Ausbruch von Sartet (Delon) durch den Boden einer Grünen Minna. Dann wird man auf die Kleinigkeiten geschubst: Alain Delons Schwester Monique (Danielle Volle), die Inspektor Le Goff (Lino Ventura) als Köder einsetzt, der kleine Bub am Strand, der Alain auf einem Foto wiedererkennt oder der Austausch von Mr. Evans, einem Sicherheitsexperten. Alle Fäden laufen bei (Vittorio Manalese) Jean Gabin, dem Patriarchen des Clans, zusammen. Er erfährt vom Verhältnis zwischen Sartet und seiner Schwiegertochter Jeanne (Irina-DerlängsteTag-Demick). Sie hat die Familienehre befleckt. Bezeichnenderweise ist sie auch die einzige nicht Italienerin im Clan. Sartet fährt nach Paris zurück um seinen Anteil abzuholen. Alle warten auf ihn: der Clan, die Polizei, seine Schwester und die Zuschauer. Die optionale Geldübergabe findet dann zwischen Vittorio Manalese, Sartet und Jeanne statt, die die beiden Liebenden nicht überleben werden. So etwas regelt der Clan intern. Zu Hause wartet Le Goff auf Vittorio Manalese. Der hat ein Loch im Mantel, das ihn verrät. Le Goff führt ihn ab, wie einen alten Kumpel. Die Frage des kleinen Enkels, nach einem gemeinsamen Abendessen muss Vittorio allerdings leider verneinen.
Souverän dirigiert die Regie die Akteure, die ohne Emotionen ihrem Geschäft nachkommen und produziert einen großartigen Klassiker.