Der Babadook (2014)

Eine Filmkritik von Andreas Köhnemann

Abgrund, öffne dich!

Oft sind Kinder in Horrorfilmen ganz besonders garstige Wesen. Der fast siebenjährige Samuel aus Jennifer Kents The Babadook scheint hier zunächst keine Ausnahme zu sein: Er rüstet sich mit selbst gebastelten Waffen aus und wirkt reichlich „creepy“, wenn er von „dem Monster“ erzählt, das es zu töten gilt. Der hyperaktive Junge raubt seiner Mutter Amelia den Schlaf – und allmählich auch den Verstand. Zu den vielen Dingen, die dieses tragische, irrwitzig-intensive und sehr, sehr unheimliche Werk thematisiert, zählt die elterliche Belastung: die totale Erschöpfung, das zermürbende „Ich kann nicht mehr!“-Gefühl. Und so liegen in diesem Film die Nerven schon blank, bevor der eigentliche Horror beginnt.

Amelia (Essie Davis) ist alleinerziehend; ihr Mann starb bei einem Autounfall, auf der Fahrt ins Krankenhaus – am Tag, als Samuel (Noah Wiseman) geboren wurde. Samuel ist wiederum das, was man ein „Problemkind“ nennen könnte. Als Amelia ihren Sohn eines Abends mit einer Gutenachtgeschichte beruhigen möchte, erweist sich das Aufklapp-Bilderbuch „Mister Babadook“ leider als überaus kontraproduktiv – denn das sinistre, titelgebende Geschöpf, das mit Zylinderhut und spitzen Krallen ausgestattet ist, ist im Leben der Kleinfamilie fortan erschreckend präsent…

Das Mutter/Sohn-Drama, das in der Exposition angelegt wird, wird durch den Einbruch des Übernatürlich-Dämonischen keineswegs in den Hintergrund gedrängt: Die nicht überwundene Trauer der Witwe und die Ambivalenz, die Amelias Gefühle für Samuel durchzieht, bleiben konstitutive Bestandteile der Story. Die Reise, die Writer-Director Kent mit ihrem Protagonisten-Duo unternimmt, führt auf das tiefenpsychologische Terrain – wobei The Babadook erfreulicherweise entschieden subtiler vorgeht als zum Beispiel der in mancher Hinsicht ähnlich gelagerte Vater/Tochter-Spuk Hide and Seek. Kents Werk ist abgründig; es verweigert sich klug einer übereindeutigen (Auf-)Lösung. Als überforderte Mutter, die auf einem schmalen Grat zwischen Liebe und Hass wandelt, scheut Essie Davis keine noch so extreme Gefühlslage – derweil der junge Noah Wiseman als kleiner Quälgeist überzeugt.

Der dritte Star des Films ist selbstverständlich die Schreckenskreatur, die sich Kent erdacht hat: eine Art Freddy Krueger mit Friedrich-Wilhelm-Murnau- und Tim-Burton-Zügen, der auf höchst perfide Weise die kindlichen Ängste vor dem Ungeheuer unterm Bett, im Schrank oder in der dunklen Ecke des Zimmers heraufbeschwört. Dank wohldosiertem Einsatz und effektivem Timing gelingt es, dass die Figur bis zum Schluss wirklich nichts an Bedrohlichkeit einbüßt. Beeindruckend ist, wie geschickt Kent an der Spannungsschraube zu drehen weiß: Die australische Schauspielerin gibt hier ihr Langfilmdebüt als Regisseurin und Autorin, beherrscht die Tugenden des Angstkinos aber so souverän, als sei sie eine erfahrene Genremeisterin. Mit The Babadook hat sie große, von Tragik umflorte Gruselkunst geschaffen!
 

Der Babadook (2014)

Oft sind Kinder in Horrorfilmen ganz besonders garstige Wesen. Der fast siebenjährige Samuel aus Jennifer Kents „The Babadook“ scheint hier zunächst keine Ausnahme zu sein: Er rüstet sich mit selbst gebastelten Waffen aus und wirkt reichlich „creepy“, wenn er von „dem Monster“ erzählt, das es zu töten gilt. Der hyperaktive Junge raubt seiner Mutter Amelia den Schlaf – und allmählich auch den Verstand.

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