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Junge Freundinnen, gestrandet in einem Geisterdorf in Italien — eine Gelegenheit, die Freiheit zu erforschen an einem Ort ohne Erwachsene und ihren Erwartungsdruck? Leider kommt „Dead Girls Dancing“ über interessante Ansätze nicht hinaus.

Dead Girls Dancing (2023)

Eine Filmkritik von Mathis Raabe

Verschwinden in Italien

Die vielen patschenden und klopfenden Hände auf der Schulter. Die blöden Sprüche: „Jetzt fängt das Leben an.“ Die blöden Fragen: „Was willst du studieren?“ Durch Nahaufnahmen fängt Anna Rollers Filmuni-Abschlussfilm „Dead Girls Dancing“ ein, dass die Abiturfeier für Ira (Luna Jordan) eher ein Horror-Trip ist.

Sie würde gerne verschwinden, sagt sie wenig später. Zu diesem Zweck fährt sie nicht mit dem Rest des Jahrgangs auf Abifahrt, sondern mit ihren Freundinnen Ka (Noemi Nicolaisen) und Malin (Katharina Stark) im Auto nach Italien. Ohne vorab gebuchte Hotelzimmer, einfach drauflos. Abgegriffene Coming-of-Age-Kinobilder läuten die Urlaubsstimmung ein: Kopf aus dem Autofenster, vorbeirauschende Wälder. Dann aber: in der Ferne Rauchschwaden über der schönen Landschaft. Was bahnt sich da an?

Als das Auto einen Platten hat, finden sich die Freundinnen in einem Geisterdorf wieder. Inzwischen haben sie die zuhause ausgebüchste junge Italienerin Zoe (Sara Gianelli) im Schlepptau, an der Ira romantisches Interesse hat. Ein Dorf ohne Menschen bedeutet auch ein Dorf ohne Erwachsene, ohne ihre Regeln und ihren Erwartungsdruck. Hier fragt niemand, was man zu studieren plant. Ein Geistermotiv, nicht nur im übertragenen Sinne, wird angedeutet. Zoe spricht von ihrer Faszination für Hexerei, immerhin ein schön queerfeministisch lesbares Motiv. Ihre Referenz ist aber die denkbar langweiligste: Shakespeares Macbeth. In gewollt arthousigen Zwischenbildern sind die jungen Frauen dann mit Stevie-Nicks-Gedächtnishut als Hexen verkleidet zu sehen.

Bis hierhin kann der Film vielleicht ein selbst 18-jähriges Publikum noch ansprechen, verkauft wie tausend Coming-of-Age-Filme vor ihm Rotwein und Drehtabak als Freiheitsbilder, verhandelt zwischen den Zeilen Freundschaft, Liebe und Eifersucht. Aber nichts spitzt sich zu, nichts lauert im Verborgenen. Für alles gibt es eine rationale Erklärung – die Wälder brennen, das Dorf wurde evakuiert. Geister und Hexen gibt es gar nicht, die Filmwelt gleicht der unseren – auch das die denkbar langweiligste Möglichkeit.

Es entsteht ein bisschen Konflikt um die drohende Rückkehr in die verdammte Normalität: Ira will ja verschwinden, Malin hat aber Angst, erwischt zu werden, nachdem im Geisterdorf allerlei Schabernack getrieben wurde. Manche Einbruchszene, manches Tanzen auf den Tischen lässt kurz an Věra Chytilovás Tausendschönchen denken, nur ist Dead Girls Dancing leider lang nicht so exzessiv und radikal wie das Czech-New-Wave-Meisterwerk.

Vor allem dann nicht, wenn das Über-die-Stränge-Schlagen der jungen Menschen schließlich bestraft wird. Will uns der Film wirklich sagen, dass man aufpassen muss, nicht in einem italienischen Knast oder gar in einem Nonnenheim zu landen? Dead Girls Dancing wirkt wie ein verfilmtes Moodboard. Jedes Motiv hat man schon einmal in einem besseren Film gesehen, und das Ende ist geradezu konservativ.

Dead Girls Dancing (2023)

Der Film erzählt von einem Roadtrip dreier Freundinnen durch Italien, die nach einer Autopanne beginnen, die Grenzen ihrer neu gefundenen Freiheit auszutesten.

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