Das Vaterspiel

Eine Filmkritik von Katrin Knauth

Wider die Behaglichkeit

Ein Film, drei Geschichten: In seinem neuen Film Das Vaterspiel nach dem gleichnamigen Roman von Joseph Haslinger hat Michael Glawogger ein verwirrendes Gespinst an Handlungen und Figuren entworfen, in dem es immer wieder um die zumeist kaputten Beziehungen zwischen Menschen geht. Wie der Titel des Films es bereits andeutet, dreht es dabei vor allem um Generationenkonflikte von Kindern mit ihren Vätern.
Ratz (Helmut Köpping) ist ein verbummelter Langzeitstudent, der seinen Vater (Christian Tramitz), einen erfolgreichen und herrschsüchtiger Politiker, abgrundtief hasst. Um seine Rachefantasien auszuleben, hat der Filius ein Computerspiel namens „Kill Daddy Good Night“ entworfen, dass es ihm erlaubt, den verhassten Vater zumindest virtuell ins Jenseits zu befördern. Zudem gibt es da noch seine Schwester (Franziska Weisz), mit der ihn ein inzestuöses Verhältnis verbindet. Kurzum. Eine Familie zum Davonlaufen. Und genau das tut der Sohn auch bei der erstbesten Gelegenheit.

Die kommt ganz unvermutet, als Ratz einen Anruf von seiner ehemaligen Studienfreundin Mimi (Sabine Timoteo) erhält, die ihn bittet, sie am folgenden Tag in New York zu besuchen. Erfreut über die willkommene Abwechslung setzt sich Ratz in den Flieger und fliegt in die USA. Doch was ihn dort erwartet, ist mindestens ebenso entsetzlich wie das, was er gerade zurückgelassen hat: Denn Mimi und ihre Familie verstecken den eigenen Großvater (Otto Tausig) seit 32 Jahren im Keller, damit dieser sich nicht für ein im Zweiten Weltkrieg begangenes Massaker an litauischen Juden verantworten muss.

Und schließlich gibt es noch den Journalisten Jonas Shtrom (Ulrich Tukur), dessen Vater sich unter den Opfern der Hinrichtung befand. Der Sohn kontrastiert nun die existierenden Vaterbeziehungen mit einer sehr zurückgenommenen Nacherzählung des Massakers. Es ist die letzte der vielen Vaterbeziehungen, die der Film aufgreift und durchspielt – und die bitterste.

Es ist ein zwiespältiger Film, den Michael Glawogger mit der Verfilmung des 600 Seiten dicken Romans von Joseph Haslinger hier vorlegt. Während ihn manche für ein Meisterwerk halten und er in Österreich zum besten Kinospielfilm des Jahres 2009 gekürt wurde, gilt er anderen als komplett misslungener Film. Fakt ist, dass Glawogger in sein dichtes und kryptisches Werk viel hineingepackt hat. Verschiedene parallele Erzählstränge, deren Verknüpfung sich erst sehr spät erschließt und die sich trotzdem nicht so recht zu einer homogenen Geschichte fügen wollen, unzählige verschiedene Motive und Themen wie verschiedene kaputte Beziehungen zu Vätern und andere Emotionen, seltene Krankheiten, ungesühnte Verbrecher und – natürlich – die NS-Zeit, dazu animierte Personen, die in die realen Bilder eindringen. Für manchen Zuschauer ist das zuviel – zumal die eigentlich todernste Geschichte immer wieder von sehr grimmigen, typisch österreichischen Humor durchbrochen wird.

Innerhalb dieses Konglomerats aus verschiedenen Elementen wirken die Figuren trotz der ausgezeichneten Darstellerleistungen niemals wie echte Personen aus Fleisch und Blut, sondern wie Symbole, wie Platzhalter in einer Versuchsanordnung. Und genau das ist Glawoggers Film auch – ein Experiment, in das wir hineingeworfen werden und dessen Sinn wir erst spät verstehen. Weil sich hier – wie im Leben – eben nicht immer alles passend ineinander fügt, weil es offene Fragen gibt, die bleiben, Lücken, die wir nicht füllen können.

Das Vaterspiel ist ein Film, der es dem Zuschauer schwer macht. Sich einfach nur hineinfallen zu lassen, das genügt nicht. Er fordert uns heraus, zwingt uns, eine Haltung anzunehmen. Genau hierin besteht bei allem Verständnis für die teilweise extremen Reaktionen, die dieser Film hervorgerufen hat, eine seiner unbestreitbaren Qualitäten. Es ist nicht die einzige.

(Joachim Kurz)

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Nach so manchem Film verlässt man ratlos, kopfschüttelnd den Kinosaal. Waren die Erwartungen zu hoch gesteckt? Wenn man die brillanten Dokumentarfilme von Michael Glawogger wie Megacities (1998) und Working Man’s Death (2005) kennt oder seinen letzten genialen Spielfilm Slumming (2006), dann konnte man eigentlich nur voller Vorfreude und Neugier in seinen neuen Spielfilm reingehen. Doch Glawoggers Das Vaterspiel ist eine bittere Enttäuschung.

Wenn man sich fragt, worum es eigentlich geht, ist das noch einfach zu beantworten. Aber die Frage nach dem „Warum das Ganze?“ fällt sehr schwer zu beantworten. Dem Film liegt der gleichnamige Roman von Josef Haslinger zugrunde. Im Mittelpunkt steht der in Wien lebende 35-jährige Ratz Kramer (Helmut Köpping), der nicht gerade das beste Verhältnis zu seinem Vater, einem Minister, hat und deshalb ein brutales Computer-Game namens Kill Daddy Good Night entwickelt. Am Anfang des Films bekommt er von seiner Ex Mimi (in ständig wechselnden Perücken: Sabine Timoteo) einen Anruf mit der Bitte nach New York zu kommen und das Haus ihres Großvaters (Otto Tausig) zu renovieren.

Parallel zu diesem Handlungsstrang sehen wir einen gewissen Jonas Shtrom (Ulrich Tukur), der auf der Suche nach dem Mörder seines Vaters ist, einem litauischen Nazi. Eben dieser Nazi ist Mimis Großvater, der sich seit 32 in einem Keller verschanzt, den Ratz zu einer wohnlichen Bleibe herrichten soll. Ein Plot, der ein bisschen zu sehr zurechtgeschustert daherkommt und sich zwei Stunden lang auf gefährlich dünnen Eis bewegt.

Vaterhass ist eines der Motive, das um die Figur von Ratz kreist. Doch dieses Vaterhass-Computerspiel, das Ratz entwickelt, ist geradezu lächerlich. Ein Ballerspiel, bei dem man umso mehr Punkte sammeln kann, desto mehr Vaterfiguren abgeknallt werden. Ratz muss sich außerdem mit der Nazivergangenheit eines Kriegsverbrechers auseinandersetzen. In diese schweren Themen mischen sich bizarre Bilder wie nächtliche Autofahrten durch wildes Schneetreiben, animierte Computerfiguren, Fotos von Kriegsmassakern. Wie ein zerstörtes Puzzle zerfällt der Film immer mehr, anstatt sich Stück für Stück zusammenzufügen. Und irgendwann ist es leider nur noch sehr langweilig.

Das Vaterspiel

Ein Film, drei Geschichten: In seinem neuen Film „Das Vaterspiel“ nach dem gleichnamigen Roman von Joseph Haslinger hat Michael Glawogger ein verwirrendes Gespinst an Handlungen und Figuren entworfen, in dem es immer wieder um die zumeist kaputten Beziehungen zwischen Menschen geht. Wie der Titel des Films es bereits andeutet, dreht es dabei vor allem um Generationenkonflikte von Kindern mit ihren Vätern.
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